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Wenn der Wald sich selbst heiltUnter den toten Fichten wachsen neue Bäume nach

Lesezeit 4 Minuten

Vertrauter Anblick: Toter Fichtenwald bei Heiligenhaus.

  1. Wo die Fichten abgestorben sind, müsste eigentlich gefällt werden.
  2. Wo die Verkehrssicherungspflicht nicht eingehalten werden muss, werden die kaputten Fichten aufgrund der hohen Fällkosten deshalb oftmals ihrem Schicksal überlassen.
  3. Das Klima macht den Bäumen also zu schaffen – auch denen, die neu wachsen.

Rhein-Berg – Dem Wald geht es schlecht, der Borkenkäfer hat großes Unheil angerichtet. Zahlreiche Fichten sind abgestorben. Ein Blick in die Wälder reicht aus, um das Ausmaß zu begreifen. Doch kann das Fichtensterben auch positive Auswirkungen auf die Wälder im Bergischen Land haben? „Der Rheinländer sagt ja gerne, alles Schlechte hat auch etwas Gutes. Der Wald kann sich von selbst regenerieren, aber ganz so einfach ist eine Naturverjüngung dann doch nicht“, sagt Christina Amling, Fachgebietsleiterin im Regionalforstamt Bergisches Land.

Wo die Fichten abgestorben sind, müsste eigentlich gefällt werden. Verpflichtet dazu sind vor allem die Waldbesitzer, deren Grundstück an öffentliche Wege grenzt. Um die Verkehrssicherungspflicht einzuhalten, müssen die vom Borkenkäfer befallenen Fichten beseitigt werden, damit sie nicht umkippen. „Das ist für viele eine finanzielle Herausforderung.

Wald ergrünt von neuem

Nicht alle Waldbesitzer sind Großgrundbesitzer. Gerade im Bergischen haben viele ein Waldgrundstück geerbt. Für diese Leute sind die hohen Kosten für die Fällarbeiten eine echte Belastung“, sagt Amling. Das bestätigt Hubertus Prinz zu Sayn-Wittgenstein, der große Waldgebiete in Odenthal besitzt.

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Fragen an: Hubertus Prinz zu Sayn-Wittgenstein

Hubertus Prinz zu Sayn-Wittgenstein

„Ein Totalschaden“

Handelt es sich bei dem, was sich gerade im Wald abspielt, um eine Katastrophe oder um einen – wenn auch brutalen – Verjüngungsprozess?

Eine wirtschaftliche Katastrophe, ein Totalschaden. In den nächsten 40 Jahren gibt es keine nennenswerten Erträge mehr.

Sollte man das Totholz aus dem Wald holen oder nicht?

Eigentlich müsste man das. Aber das kann ich mir nicht leisten, weil die Holzpreise die Kosten nicht mehr decken. Ich hole raus, was geht. Wo nicht geräumt werden kann, brechen die Bäume irgendwann zusammen und es entsteht aus dem Humus Neues. Die Natur hilft sich selbst.

Wie sieht der bergische Wald in 30 Jahren aus?

Mit jungem Wuchs. Wenn die Natur sich selbst überlassen wird, kommen zunächst die Birken, dann andere Bäume. Allerdings mit einer zeitlichen Verzögerung. Während Fichten schon nach 30 bis 35 Jahren geschlagen werden können, dauert es dann rund zehn Jahre länger.

Interview: Stephanie Peine

Wo die Verkehrssicherungspflicht nicht eingehalten werden muss, werden die kaputten Fichten aufgrund der hohen Fällkosten deshalb oftmals ihrem Schicksal überlassen. Sie fallen um und verrotten, denn das Holz hat kaum Marktwert mehr. Der Wald ergrünt von neuem und schnell stellt sich die Frage: Muss überhaupt neu gepflanzt werden, wenn der Wald das von selbst erledigt?

„Der Wald hilft sich selber, das stimmt schon, aber wir haben definitiv ein Zeitproblem“, betont Amling, denn der Klimawandel mache den Wäldern zunehmend zu schaffen.

Licht bestimmt Wachstum

„Den Fichten geht es so schlecht, da sie in den vergangenen drei Jahren zu wenig Wasser bekommen haben und zu trocken sind, um sich gegen den Borkenkäfer zu wehren. Das Klima macht den Bäumen also zu schaffen – auch denen, die neu wachsen. Gar nichts zu tun und alles dem Wald selbst zu überlassen, reicht nicht aus, um etwas gegen die Klimaproblematik zu tun.“

An den Stellen, an denen kaputte Fichten umfallen, wachsen neue Fichten, denn deren Samen sind im Boden am häufigsten vorhanden. Auch Birken, deren Samen vom Wind in die Wälder geweht werden, wachsen dort schnell. Hinzu kommen Brombeerpflanzen. Was wächst, bestimmt aber auch das Licht.

Dichter Wald hinderlich für Wachstum

Die Forstfachfrau erklärt: „Durch die fehlenden Fichten kommt mehr Licht auf den Waldboden und somit auch mehr Wärme. Die setzt im Laub auf dem Waldboden wiederum Stickstoff frei. Dann wächst unter anderem auch Reitgras. Durch das dichte Graspolster würden dann kaum noch Bäume wachsen. Würden wir nichts machen, hätten wir also eher eine Art Buschland.“

Laubbäume wie die Eiche oder die Buche hätten es aufgrund des hohen Wildbestandes im Bergischen Land zudem schwer, denn die Tiere fressen die Eicheln und Bucheckern, bevor diese sich überhaupt in den Boden setzen können. „Eine Art Urwald wäre keine gute Perspektive“, meint Amling. Eine rasante Entwicklung des Klimas wie heutzutage habe es noch nie gegeben.

Oben die abgestorbenen Fichtenkronen, unten wächst neues Grün nach.

„Die Bäume können sich ohne Hilfe des Menschen, nicht auf das Klima einstellen. Auch wir wissen nicht, wie sich das Klima bis Ende des 21. Jahrhunderts entwickeln wird, aber wir können durch Aufforstung unterstützen und dafür sorgen, dass zumindest genügend Baumarten vorhanden sind, sodass der Wald bestehen bleibt.“

Dabei integriere das Forstamt die natürliche Wiederverjüngung des Waldes mit in die Aufforstung und pflanze aber auch weitere Baumarten. „Wir setzen auf die Mischstrategie und pflanzen auch heimische Baumarten wie die Eiche, Hainbuche und die Linde und schützen diese gleichzeitig vor dem Wild.“ Die Regenerierung des Waldes, die unter natürlichen Bedingungen viele Jahre dauern würde, kann somit auch beschleunigt werden.

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Den Wald nicht nur sich selbst zu überlassen, ist nach Ansicht von Christina Amling auch aus einem anderen wichtigen Grund entscheidend: „Lässt man die Flächen unberührt verrotten, kann sich auch der Waldbesitzer bei Arbeiten nicht mehr sicher in seinem Wald bewegen.“

In Bergisch Gladbach, wo viele Waldgrundstücke nahe an Wohnsiedlungen grenzen, habe man zudem die Waldbrandgefahr im Auge. „Durch das Totholz kann sich ein Brand wesentlich schneller ausbreiten. Das hat man zuletzt in Gummersbach gesehen.“