Herbert Reul im Gespräch„Wir kommen immer dann erst in Gang, wenn die Hütte brennt“
Rhein-Berg/Düsseldorf – Eigentlich sei er bis zu seinem Amtsantritt gar kein Innenpolitiker gewesen, sagt Herbert Reul (CDU). Der NRW-Innenminister sitzt in einem Besprechungsraum an einem langen Tisch im Düsseldorfer Landtag und erinnert sich zurück an 2017, als Armin Laschet den Leichlinger ins damals schwarz-gelbe Landeskabinett nach Düsseldorf holte. Zuvor war Reul 13 Jahre lang Europaabgeordneter in Brüssel.
Jetzt geht der 70-Jährige auf in seiner Position. Das ist nicht zu übersehen und zu überhören im Gespräch zu einer ersten Bilanz nach der NRW-Landtagswahl im Mai 2022. Während seiner ersten Amtszeit von 2017 bis 2022 als Innenminister hatte Herbert Reul noch kein Landtagsmandat. In diesem Jahr holte er sich zunächst das interne CDU-Mandat gegen den Kreisvorsitzenden der Rhein-Berg-CDU, Uwe Pakendorf. Seinen Wahlkreis mit den Kommunen Overath, Odenthal, Kürten, Leichlingen, Burscheid und Wermelskirchen gewann er am Wahltag mit über 51 Prozent.
Reul versucht, auch in Rhein-Berg präsent zu sein
Allein deshalb hat sich Reuls Arbeitsalltag in dieser Legislaturperiode schon geändert. „Ich weiß nicht genau, wie, aber es klappt gut“, sagt er angesprochen darauf, wie er es schafft, die Aufgaben als Innenminister zu erledigen und in seinem Wahlkreis Rheinisch-Bergischer Kreis II präsent zu sein. Natürlich könne er nicht alles wahrnehmen, weil er als Minister viele Termine habe. Aber mit einem guten Büro funktioniere das.
Reuls inhaltliches Steckenpferd ist die innere Sicherheit. Der CDU-Politiker stellt heraus, dass in seiner Amtszeit Tausende neue Polizeikräfte eingestellt worden seien. Der Innenminister gilt als Mann der Tat, er selbst nennt sich „pragmatisch“. Auch sein Vorgehen gegen Clankriminalität sieht Reul als Erfolg an. Das spiegele sich auch in Gesprächen und Zuschriften von und mit Bürgerinnen und Bürger wider, erzählt er. „Sowas Tolles hab ich politisch noch nie erlebt“, freut er sich über den Zuspruch.
NRW-Innenminister wegen Demokratiefeinden besorgt
Denn eine von Reuls größten Sorgen ist, dass die Menschen das Vertrauen in den Staat und öffentliche Institutionen verlieren. Pegida, die AfD, Corona-Leugner und Demokratiefeinde – all das besorgt den Christdemokraten. Und gerade die Sicherheit der Menschen sei eine zentrale Aufgabe des Staates. Deshalb liege ihm das Thema so am Herzen, sagt er.
Die Leute in NRW würden merken, dass sich die Politik darum kümmere. „Und ich gehe lieber kleine Schritte als dass ich große Sprüche klopfe“, sagt er. Dabei ist Reul bekanntermaßen nie um ein kerniges Zitat verlegen.
Mehr Diskussionen zwischen CDU und Grünen
Wirkliche Niederlagen habe er seit 2017 politisch nicht erlitten, sagt er. Auch wenn er viele Kompromisse schließen müsse. Seit Mai 2022 vielleicht sogar noch mehr als in den fünf Jahren davor. Denn seitdem regiert in NRW die CDU mit den Grünen. „Die Zusammenarbeit ist sehr gut, manchmal herausfordernd, aber immer fair“, berichtet er über die bisherige schwarz-grüne Regierungsarbeit. Vieles müsse mehr erklärt und begründet werden.
Zum Beispiel beim Thema Kindesmissbrauch. Wenn es darum gehe, über Rechner an Missbrauchstäter heranzukommen, stehe häufig der Datenschutz im Weg. Und diesbezüglich müssten CDU und Grüne einen Kompromiss finden. Reul schwebt eine Lösung für Einzelfälle vor, in denen ein Richter genehmigen kann, auf einen privaten PC zuzugreifen.
Zwei „Denkschulen“ in der deutschen Gesellschaft
Das Ringen um Kompromisse mit den Grünen will Reul gar nicht als negativ verstanden wissen. Denn auch in der Gesellschaft gebe es diese beiden „Denkschulen“. „Und das ist politisch das interessanteste Bündnis“, meint er. Und man müsse immer bereit sein, zu lernen: „Denkmalpolitik kann jeder.“
Zuletzt hatte den Innenminister ein Schreiben der Bürgermeister des Rheinisch-Bergischen Kreises erreicht, in dem sie sich über mangelnde Unterstützung bei der Unterbringung von Geflüchteten beklagen. Er verstehe, dass sich die Kommunen alleingelassen fühlen. „Skandalös“ findet Reul, dass der Bund den Kommunen noch immer nicht das zugesagte Geld zur Verfügung gestellt habe.
Reul geht mit CDU im Bund hart ins Gericht
Ebenfalls hart ins Gericht geht Reul mit Kolleginnen und Kollegen in Sachen Energiepolitik: „Da hat die Politik in den letzten Jahren nicht gut gearbeitet.“ Damit meint Reul auch die Christdemokraten im Bund. Er selbst verfolge hier wieder einen pragmatischen Ansatz: „Wie und wo kriegen wir möglichst schnell und möglichst viel Energie hierhin.“
Das Problem dabei laut Reul: Die Gasverkäufer wollen möglichst lange Verträge abschließen, Deutschland wolle solche langen Verträge aber nicht, weil der Ausbau erneuerbarer Energien Vorrang habe.„Ich sage aber: In unserer akuten Notlage würde ich dann lieber einen solchen Vertrag unterschreiben.“
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Grundsätzlich findet er, dass über Energie zu ideologisch diskutiert werde. Warum das so ist und warum es erst eine Notlage wie die derzeitige brauche, um bestimmte Dinge wie den auch von Reul geforderten beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien voranzutreiben, weiß er auch nicht. „Offenbar kommen wir immer dann erst in Gang, wenn die Hütte brennt.“