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Biologisches PilotprojektDie ersten 100 Kilo Saatgut für neue Vielfalt im Bergischen

Lesezeit 4 Minuten
Cornelia Lösche, Christine Wosnitza und Tobias Mika von den Biostationen mit Jens Eichner und Ariane Kautschke (Naturpark) stehen mit Saatgut und Broschüren in den Händen auf einer Wiese.

Kurz vor Weihnachten haben die Vertreter der Biologischen Stationen und des Naturparks Bergisches Land nach sechs Jahren Arbeit die ersten 100 Kilogramm bergischen Regiosaatguts zusammen: (v.l.) Cornelia Lösche, Christine Wosnitza und Tobias Mika von den Biostationen mit Jens Eichner und Ariane Kautschke (Naturpark).

In einem Pilotprojekt ist es den Biologischen Stationen gelungen, bergisches Regiosaatgut neu zu gewinnen – und zu vermehren.

Für das Bergische Land ist es eine kleine ökologische Sensation, für die Projektbeteiligten wie ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk: Nach sechsjähriger Arbeit ist es Experten der Biologischen Stationen Rhein-Berg und Oberberg in einem Pilotprojekt mit Kooperationspartnern gelungen, die ersten 100 Kilogramm von Saatgut zurückzugewinnen, das aus ursprünglich im Bergischen beheimateten Wiesenpflanzen besteht.

Zusammen mit dem Naturpark Bergisches Land präsentierten die Biostationen das Saatgut, mit dem die in den vergangenen Jahrzehnten stark zurückgegangene Artenvielfalt im Bergischen wieder verbessert werden soll. „Solch ein Regiosaatgut hat es fürs Bergische Land bislang noch nicht gegeben“, erläutert der stellvertretende Leiter der Biologischen Station Rhein-Berg, Tobias Mika, die Bedeutung. „Dabei dürfen seit März 2020 außerhalb von Ortschaften Ansaaten in der freien Landschaft nur noch mit Regiosaatgut erfolgen“, ergänzt Projektleiterin Cornelia Lösche.

Dass wir jetzt die ersten 100 Kilogramm Regiosaatgut gewonnen haben, ist wie ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk.
Cornelia Lösche, Projektleiterin bei der Biologischen Station Rhein-Berg

Da Wildpflanzen genetische Anpassungen an ihre Ursprungsregion aufweisen, sei die Verwendung von Regiosaatgut für Neueinsaaten enorm wichtig, so Lösche. „Dass wir jetzt die ersten 100 Kilogramm Regiosaatgut gewonnen haben, ist wie ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk.“

Um das Saatgut ursprünglich im Bergischen Land beheimateter Pflanzen zu gewinnen, haben die Biologischen Stationen Rhein-Berg und Oberberg in einem vom Landschaftsverband Rheinland (LVR) geförderten Kooperationsprogramm mit den Biostationen Mittlere Wupper und Haus Bürgel Samen von einigen wenigen noch existierenden, ursprünglichen Glatthaferwiesen unter anderem mit Hilfe von Landwirten in Overath, Bergisch Gladbach und Mettmann vermehrt. Der Naturpark Bergisches Land begleitete das Projekt unter anderem mit Informationsveranstaltungen.

Pilotprojekt ist unter anderem bei Herkenrath in der Landschaft zu sehen

Zwischen Bergisch Gladbach-Sand und -Herkenrath ist diese Vermehrung direkt neben der Straße zu sehen. Im Sommer blüht es dort rosa und weiß. „Dort sind die Kuckucks-Lichtnelke (rosa) und die Wiesen-Margerite (weiß) ausgesät und vermehrt worden“, erklärt Saatgut-Expertin Cornelia Lösche.

Rosafarbene und weiße Blumen blühen auf einer Wiese. Im Hintergrund ist die Kirche von Bergisch Gladbach-Herkenrath zu sehen.

Auf dieser Fläche zwischen Sand und Herkenrath (Hintergrund) ist Saatgut der Kuckucks-Lichtnelke (rosa) und der Wiesen-Margerite (weiß) ausgesät und vermehrt worden.

Insgesamt ist Saatgut von 23 bergischen Wildkrautarten, von der Wiesen-Schafgarbe über Sumpf-Hornklee bis zur Zaun-Wicke, wieder gewonnen worden. Für nahezu jedes Saatgut musste eine spezielle Erntetechnik entwickelt werden. „Manches wird abgesaugt, anderes kann mit dem Mähdrescher, wieder anderes teils nur in Handernte gewonnen werden“, erläutert Projektleiterin Lösche. Zwischen zwei und fünf Jahren stehen die unterschiedlichen Kulturen der jeweils separat vermehrten bergischen Wildkrautarten, die in der bergischen Regiosaatgutmischung enthalten sind.

Mit dieser Mischung aus regionalen Wildpflanzensamen können ab 2024 artenarme Wiesenflächen im Bergischen Land wieder mit bei uns typischerweise vorkommenden Wildkrautarten angereichert werden.
Cornelia Lösche, Projektleiterin Regiosaatgut bei der Biostation

„Mit dieser Mischung aus regionalen Wildpflanzensamen können ab 2024 artenarme Wiesenflächen im Bergischen Land wieder mit bei uns typischerweise vorkommenden Wildkrautarten angereichert werden“, so Cornelia Lösche. „Das wird nicht mehr der Ursprungszustand, aber wieder ein großer Schritt in die Richtung dorthin“, ergänzt Biologe Tobias Mika.

Frei zu erwerben ist das neue Saatgut bislang noch nicht. Für eine kostenfreie Saatgutbereitstellung müssen die Besitzer von geeigneten Flächen derzeit einen Antrag beim LVR stellen. Anträge können Privatpersonen ebenso stellen wie landwirtschaftliche Betriebe, Vereine, Verbände und Kommunen, die Flächeneigentümer oder Pächter sind.

Biologische Station sucht weitere Kooperationspartner

„Zu den wichtigsten Förderkriterien gehören eine Flächengröße von mindestens 400 Quadratmetern und die Lage in der freien Landschaft oder einer größeren innerörtlichen Grünfläche mit ungestörter Entwicklung“, erläutert Cornelia Lösche. „Dabei muss garantiert werden, dass die Fläche eigenständig für die Aussaat vorbereitet und anschließend entsprechend gepflegt wird.“ Da gute Zeiträume zur Einsaat im Frühjahr und im Herbst liegen, sollten Interessierte laut Biologischer Station für die Beratung und Antragstellung ausreichend Vorlauf einplanen.

Weiter auf der Suche sind die Verantwortlichen des Regiosaatgut-Projekts auch nach Landwirten, die den Anbau regionaler Wildkrautarten und deren Vermehrung gemeinsam mit den Biologischen Stationen vorantreiben. Interessenten können sich bei Cornelia Lösche in der Biostation Rhein-Berg, Kammerbroich 67, in Rösrath unter (0 22 05) 94 98 94 14 oder per E-Mail melden: loesche@bs-bl.de.www.bergisches-saatgut.dewww.lvr.de/regiosaatgutfoerderung


Mit Regiosaatgut zu mehr Artenvielfalt

„Bunte Blumenwiesen sind selten geworden im Bergischen Land“, weiß der stellvertretende Leiter der Biologischen Station Rhein-Berg, Tobias Mika. Ein regionales Saatgut aus den über Jahrtausenden gewachsenen bergischen Ökosystemen, um dem entgegenzuwirken, gab es bislang nicht.

Im Rahmen des Projektes „Bergisches Saatgut für Bergische Vielfalt“ unterstützen die Biologischen Stationen Rhein-Berg, Oberberg, Mittlere Wupper und Haus Bürgel zusammen mit dem Naturpark Bergisches Land die Produktion von Regiosaatgut durch Saatgut-Sammlung und Zwischenvermehrung von ausgewählten Wildkrautarten des Bergischen Landes. Das so gewonnene Regiosaatgut kann dann von Landwirten der Region angebaut und an einen Saatgutvertrieb weitergegeben werden.

Artenreiche Wiesen bieten Futterpflanzen und Nistmöglichkeiten für zahlreiche Insektenarten und fördern so auch das Vorkommen weiterer Artengruppen wie Vögel und Fledermäuse. (wg)