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Vor GerichtSupermarkt-Chef aus Rhein-Berg fasst Angestellter an die Brust – Geldstrafe

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Das Gebäude vom Amtsgericht Bergisch Gladbach ist schmucklos und liegt auch im Winter unterhalb der prachtvollen Landmarke von Schloss Bensberg

Der Angeklagte wurde zu einer hohen Geldstrafe verurteil.

Der Verurteilte rechnet damit, dass die Supermarktkette ihm den Franchise-Vertrag kündigt.

Weil er einer Kassiererin nach Geschäftsschluss spätabends in einem engen Büroraum unvermittelt an die Brust gefasst hat, muss ein rheinisch-bergischer Supermarkt-Chef 12.500 Euro Geldstrafe zahlen.

In das Urteil wegen sexueller Belästigung einbezogen wurde ein Strafbefehl, der zuvor gegen den Mittfünfziger ergangen war, weil er an dem Abend auch betrunken Auto gefahren war. Bei der Strafzumessung billigte das Gericht dem Angeklagtenverminderte Schuldfähigkeit infolge eines Alkoholpegels von rund 2,5 Promille zu. Strafrichter Dr. Philipp Stöckle ließ keinen Zweifel daran, dass der Tatvorwurf schwer wog: Es ging nicht um ein „Kavaliersdelikt“, sondern um eine brutale Grenzüberschreitung eines Arbeitgebers gegenüber einer abhängigen Arbeitnehmerin.

Angriff auf Angestellte war fatal

Die Einschätzung ergab sich bereits aus dem am Ende doch nicht zum Tragen gekommenen Hinweis, wonach statt einer Verurteilung wegen sexueller Belästigung (Paragraf 184i, Höchststrafe zwei Jahre) auch eine wegen eines sexuellen Übergriffs (Paragraf 177, Höchststrafe fünf Jahre) denkbar sei. Die Wirkung des überraschenden Übergriffs auf die 44-jährige Angela K. (Namen geändert) war fatal.

Am Tatabend, dem 14. Januar 2022, hielt sie noch durch, zählte ihre Kasse zu Ende und verließ wortlos den Laden. Als ihr aber tags darauf wieder ihr grapschender Chef Jakob P. erneut über den Weg lief, war es vorbei mit dem „Augen zu und durch“.

Opfer ist bis heute in psychologischer Behandlung

Angela K. brach zusammen, musste sich übergeben. Sie ließ sich von ihrem Mann abholen, erstattete Anzeige. Danach war sie zweieinhalb Monate lang krankgeschrieben, musste eine Therapie machen. Durch die Vermittlung des namensgebenden Konzerns fand sie eine Stelle in einem anderen Supermarkt – mit einer Frau als Chefin, wie sie unter Tränen berichtete. Noch heute ist sie in psychologischer Betreuung.

Ob das Geschehen im engen Büroraum „gewaltvoll“ war, fragte der junge Richter behutsam. Angela K.: „Ich habe schon viel mit ihm erlebt, wenn er mal schlecht gelaunt oder alkoholisiert war, aber in der Situation war ich total überrumpelt.“

Angeklagter hat nur Mitleid für sich selbst

Was Supermarkt-Chef Jakob P. der Frau mit seiner Sex-Attacke angetan hatte, schien ihm nicht einmal im Prozess richtig bewusst zu werden. Sein Verteidiger, der zu Beginn erfolglos um ein Rechtsgespräch unter Ausschluss der Öffentlichkeit gebeten hatte, wies während der Verhandlung darauf hin, dass in einem arbeitsgerichtlichen Vergleich eine ziemlich hohe Summe für Angela K. rausgekommen sei.

Sein Mandant räume den Griff an die Brust ein, könne sich aber nicht an Details erinnern. Weitaus eindringlicher wiesen hingegen sowohl Jakob P. als auch der Verteidiger auf die Konsequenzen hin, die dem Angeklagten drohen: Die Supermarktkette werde wohl den Franchise-Vertrag kündigen und der Kaufmann eine Menge Geld verlieren. P: „Ich werde dann arbeitslos sein.“ Ob denn die Kündigungsdrohung des Konzerns belegbar sei, fragte der Richter den Angeklagten. Jakob P.: „Da gibt es keine Drohung. Das ist die Konsequenz.“

Zu seinem Strafprozess, der durch die Vernehmung mehrerer Zeugen mehr als zwei Stunden dauerte, hatte P. sich von seiner aktuellen Partnerin und dem gemeinsamen Kleinkind begleiten lassen. Mutter und Kind saßen im Zuschauerraum. Auf das Verhalten des Angeklagten im Prozess ging der Richter auch im Urteil ein. Jakob P. habe den Eindruck erweckt, als sei es ihm vor allem um sein eigenes Fortkommen gegangen. Da er seinen Übergriff in der beruflichen Sphäre begangen habe, müsse er mit Konsequenzen auch in dieser Sphäre gebe.