Er war der Laufbursche falscher Polizisten, die darauf spezialisiert sind, betagte Bürger mit Schockanrufen um ihre Ersparnisse zu bringen.
Geldübergabe„Laufbursche“ von Telefonbetrügern in Bergisch Gladbach vor Gericht
Nach einer gescheiterten 10.000-Euro-Übergabe in Bergisch Gladbach stand der 19-Jährige aus Ratingen jetzt vor dem Bensberger Jugendschöffengericht – und bekam dort vom Vorsitzenden Richter Ertan Güven Ansagen allerdeutlichster Art zu hören. Die weiteren Sanktionen – 80 Sozialstunden, ein Betreuer und drei Drogentests – wurden da schon fast zur Nebensache.
Die unerkannt gebliebenen Hintermänner von Ali B. (Namen geändert) hatten sich als Opfer den 80-jährigen Paffrather Heinz-Peter K. ausgesucht. Beim ersten Mal hatten sie mit ihrem Schockanruf Erfolg und brachten den Senior dazu, von seinen Ersparnissen 25.000 Euro herauszurücken. Dann versuchten sie es noch einmal, forderten wieder Geld. Doch da hatte sich Heinz-Peter K. seiner Tochter und der echten Polizei anvertraut.
Nur wertlose Papierschnipsel bei der Geldübergabe im Päckchen
Die Beamten nahmen Ali B. bei der vermeintlichen Geldübergabe am 26. Mai 2022 fest. Tatsächlich waren in dem Päckchen übrigens nur wertlose Papierschnipsel.
Nun stand Ali B. in Bensberg wegen versuchten Bandenbetruges vor Gericht. Ausnahmsweise fand der Prozess gegen den zur Tatzeit 18-Jährigen nicht an dessen Wohnort Ratingen statt, sondern am Tatort: So sollte dem Opfer die Strapaze der Anreise erspart werden. Der alte Herr erlebte die Verhandlung trotzdem nicht mehr, er verstarb vor Prozessbeginn.
Vor Gericht legte B. ein dünnes Geständnis ab. Der junge Mann, regelmäßiger Drogenkonsument, der vor der Übergabe noch einen Joint geraucht hatte, gab an, die Hintermänner nicht zu kennen und per Handy dirigiert worden zu sein. Eine Auswertung der Chatverläufe und Telefonate auf seinen beiden Handys schien die Version zu bestätigen, und einen zusätzlichen Beleg sah Verteidiger Dr. Karl-Christoph Bode darin, dass sich nach der Festnahme „kein freundlicher Anwalt“ unverzüglich für den jungen Mann bestellt habe: „Das deutet darauf hin, dass die Hintermänner nicht befürchteten, er könnte irgendetwas verraten.“ Ein bisschen komme ihm sein Mandant vor wie jemand, der ein Kilo Kokain von Holland aus nach Köln schmuggele und dafür 500 Euro bekomme – ein benutzter Laufbursche eben.
Wegen zu großer Fehlzeiten wurde er der Schule verwiesen
Ali B. beschrieb sich selbst als jemand mit wenig Hoffnung und wenig Antrieb. Seit 2015 lebt er in Deutschland, nachdem er mit Eltern und drei Geschwistern zuerst von Afghanistan in den Iran geflüchtet und von da aus weiter nach Deutschland gekommen war. Seine hiesige Schulausbildung war rudimentär, er beendete die Sonderschule und wollte eigentlich den Realschulabschluss auf dem Berufskolleg nachmachen, scheiterte aber: Wegen zu großer Fehlzeiten wurde er der Schule verwiesen.
„Was macht ein junger Mann wie Sie den ganzen Tag?“, fragte ihn Richter Güven. „Ich bringe meine Schwester in den Kindergarten.“ „Und dann?“ „Dann bis ich zu Hause.“ Straffällig geworden ist Ali B. auch schon einmal, bekam vom Jugendgericht Ratingen wegen Diebstahls und Drogenkonsums 60 Sozialstunden aufgebrummt, von denen er aber bis heute keine einzige abgearbeitet hat. „Das wäre hier nicht passiert“, sagte der Richter. In Bergisch Gladbach werde nachgehakt, und im Zweifelsfall könne auch schon einmal Ungehorsamsarrest verhängt werden.
Warum der Angeklagte nicht arbeite, sondern von Sozialleistungen lebe? „Ich finde nichts.“ Das könne doch schon gar nicht sein, überall würden händeringend Mitarbeiter gesucht, so das Gericht. Der junge Mann habe ein Problem mit seiner Haltung, was sich auch daran zeige, dass er eine halbe Stunde zu spät zu seinem Prozess gekommen sei. - „Ja, aber die Bahn hatte Verspätung.“ - „Wenn ich einen Gerichtstermin habe, sehe ich zu, dass ich eine halbe oder ganze Stunde zu früh da bin, damit ich noch einen Puffer habe.“
Nach mehr als 30 Minuten Beratung mit der Schöffin und dem Schöffen verkündete Güven dann das Urteil. Und er warnte den Angeklagten: „Sie stehen am Scheideweg. Noch ist es nicht zu spät. Aber wenn Sie so weitermachen, landen Sie irgendwann im Gefängnis.“ Und irgendwann drohe sogar die Abschiebung.