Protestbrief der StadtkämmererAufstand gegen eine höhere Kreisumlage
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Rhein-Berg – Dass die Kassenwarte und Bürgermeister der kreisangehörigen Städte und Gemeinden den Etatentwurf der Kreisverwaltung kritisieren, ist ein Ritual. Zahlen die Kommunen über ihre Umlage, die sie zwangsweise abführen müssen, doch kräftig mit für alle übergeordneten Ausgaben. Doch der Protestbrief, den die Kämmerinnen und Kämmerer in diesem Jahr gemeinsam an den Landrat geschickt haben, um ihrem Ärger über das Finanzgebaren des Kreises Ausdruck zu verleihen, ist kein politisches Brauchtum mehr, sondern eine Ohrfeige und ein Tritt vors Schienbein.
Der Entwurf des Kreisetats für 2021 ist den Politikern noch gar nicht vorgestellt worden. Aber der Unmut über die Absicht, die Kreisumlage zu erhöhen, ist in den Rathäusern auch in Leichlingen und Burscheid diesmal so groß, dass der Ton eine ungewöhnliche Schärfe angenommen hat. Der Beschwerdebrief ist unter Federführung von Overaths Kämmerin Dominique Stölting zu Papier gebracht und von allen Städten unterzeichnet worden.
Auf zehn Seiten fordern die Kämmerer unmissverständlich, dass Landrat Stephan Santelmann, Kreiskämmerer Klaus Eckl und der Kreis insgesamt sich gefälligst am Riemen reißen, sparen und die Kommunen unterstützen sollen. Zwar wird Eckls Etat-Entwurf erst nächsten Donnerstag im Kreistag eingebracht, doch berufen sich die Rathaus-Kämmerer auf ein Eckpunkte-Papier, das es wohl in sich hat.
Laut Stölting soll danach die Kreisumlage um satte 2,5 auf dann 38 Prozent steigen. Die Kommunen habe dieser Plan wie eine „Hiobsbotschaft“ getroffen, schreibt Stölting. Denn er bedeute für die Städte und Gemeinden eine „Mehrbelastung in Millionenhöhe“. Das Kreisumlageaufkommen werde von 149,4 Millionen Euro in 2020 auf 162,9 Millionen in 2021 steigen.
Steuererhöhungen drohen
Leichlingens Bürgermeister Frank Steffes ist über diese drohende Ausgabe empört: „Mit einer solchen drastischen Erhöhung der Kreisumlage würde der Kreis die finanzielle Handlungsfähigkeit der Stadt Leichlingen enorm einschränken“, fürchtet er und rechnet vor: „Für Leichlingen würde dies Mehrausgaben von ca. einer Million Euro bedeuten. Allein zur Finanzierung dieser geplanten Kreisumlageerhöhung wäre folglich eine Anhebung der Grundsteuer B um 100 Hebesatzpunkte erforderlich.“
Mit einer Million Euro Kapitalbelastung im Jahr (Zins und Tilgung) könne die Stadt „eine Investition von 20 Millionen Euro in ca. 25 Jahren komplett finanzieren“, vergleicht Steffes die Dimension: „Damit wäre zum Beispiel neben der Investition des Neubaus des Hallenbades auch die Sanierung des Freibades sowie die geplante Sporthalle in der Balker Aue darstellbar.“
Die finanzielle Lage sei ohnehin kritisch genug, kritisiert Steffes den Zeitpunkt der angekündigten Umlageerhöhung: „Berücksichtigt werden muss auch, dass neben dieser geplanten Umlageerhöhung des Kreises die Stadt 2021 ca. 2,5 Millionen Euro weniger an Zuweisungen aus der Gemeindefinanzierung sowie aus der Verbundmasse des Gemeindeanteils an der Einkommensteuer erhält. Zusätzlich werden, dies ist bereits heute erkennbar, erhebliche Ausweitungen bei den Transferaufwendungen im Bereich Jugend und Soziales notwendig. Alles Pflichtaufgaben, die nicht eingespart werden können.“
Die Auswirkungen wären sehr negativ für die Stadt. „Ich kann nur an die Kreistagsmitglieder aus Leichlingen appellieren, einem solchen Kreishaushalt nicht zuzustimmen“, ruft Steffes die Politiker zum Veto auf.
Der Leichlinger Stadtkämmerers Thomas Knabbe kritisiert die Finanzpolitik der Kreisverwaltung ebenso energisch: „Es ist aus meiner Sicht unverantwortlich, wenn der Kreis ohne Not, denn es sind rund 20 Millionen Euro Ausgleichsrücklage vorhanden, ohne deren Verwendung zur Verlustabdeckung seine Mehraufwendungen vollständig durch die Kommunen finanzieren lässt“, erläutert er. „Allein die Tatsache, dass der Kreis weder die coronabedingten Lasten vollständig im gesetzlich möglichen Rahmen isoliert sowie 23 zusätzliche Stellen in nicht unbedingt zwingend erforderlichen Pflichtaufgabenbereichen in 2021 neu einrichten möchte, lässt jeglichen Willen vermissen, als Kreisverwaltung in einer absoluten Ausnahmesituation seinen Anteil zum Haushaltsausgleich, mindestens aber zur Reduzierung des Plan-Defizits beizutragen.“
Dominique Stölting macht ebenfalls deutlich, wohin das führen könnte: „Die im Vorfeld zur Einbringung des Kreishaushaltes vorgestellten Zahlen zwängen die Kommunen in ihrer Gesamtheit zu einer Erhöhung des Grundsteuerhebesatzes von in der Spitze 250 Punkten. Dies in einer Zeit, in der seitens des Bundesministers für Finanzen Olaf Scholz eine Steuererhöhung als das absolut falsche Signal an die Bevölkerung eingeordnet wird.“
Corona-Kosten über 50 Jahre strecken
Stölting fordert eine verstärkte Aufgabenkritik des Kreises und kritisiert wie Knabbe die Ausweitung der Stellen und den Umgang des Kreises mit den Corona-Kosten: „Die Kämmererrunde vertritt die gemeinsame Auffassung, dass es nicht zielführend sein kann, den Corona-Schaden im Kreishaushalt bewusst gering darzustellen.“ Immerhin sei durch das Covid-19-Isolierungsgesetz die Möglichkeit geschaffen worden, Steuern und Umlagesätze zunächst stabil zu halten und die Verluste auf 50 Jahre zu strecken.
Nicht nachvollziehbar sei es, die Ausgleichsrücklage auf einem „stabilen Niveau von rund elf Millionen Euro“ zu halten. Stölting: „Dies ist in der aktuellen finanziellen Situation nicht haltbar. Selbstverständlich kann es nicht Ziel sein, die Rücklagen ohne Not abzuschmelzen. In dieser Not befinden wir uns jedoch.“ Schwer zu ertragen sei auch, dass der Kreis für seine blendende Liquidität im kommenden Jahr 135 000 Euro Strafzinsen an die Banken zahlen soll und dass ein drastischer Anstieg bei der Jugendamtsumlage drohe (davon sind Burscheid, Kürten und Odenthal betroffen).