Diese Lösung sei im Handwerk selten, aber Inhaber Timo Boxberg sei sehr zufrieden mit diesem Weg.
UngewöhnlichDeswegen darf eine Overather Uhrmacherin im Home-Office arbeiten
Zunächst war es blanke Theorie, als Christina Kessler ihre Abschlussarbeit nach der Ausbildung zum Thema „Homeoffice im Handwerk“ verfasste. „Und mein Dozent war alles andere als begeistert davon“, sagt die 30-Jährige rückblickend. Ihr Arbeitgeber jedoch, Uhrmachermeister und Betriebswirt Timo Boxberg, der seit 2014 die Uhrmacherei Boxberg in Overath-Vilkerath führt, unterstützte sie seinerzeit bei ihrer Projektarbeit und machte Nägel mit Köpfen, als seine Mitarbeiterin schwanger wurde: Christina Kessler bekam einen richtigen Uhrmacher-Arbeitsplatz bei sich zu Hause und sitzt nun an den meisten Wochentagen in ihrem Home Office an den Reparaturaufträgen der Firma Boxberg.
Home-Office geht nur mit Unterstützung der Familie
„Natürlich geht das nur mit Hilfe aus der Familie“, sagt die Uhrmacherin, „Schwester, Mutter und Schwiegermutter nehmen mir meinen kleinen Sohn ab, oder mein Mann, wenn er am Nachmittag nach Hause kommt. Dann kann ich noch ein bisschen arbeiten.“ Lediglich ein- oder zweimal pro Woche kommt Kessler in den Uhrmacherbetrieb - um bestimmte Arbeiten vor Ort zu erledigen, für die ihr zuhause die Maschinen fehlen, um fertige Uhren abzugeben und die neuen Aufträge wieder mitzunehmen. Doch an den Vormittagen kann sie für den 13 Monate alten Jonathan da sein.
Timo Boxberg, der 44-jährige Inhaber der Meisterwerkstatt, ist sehr zufrieden mit der Regelung, die im Handwerk eher ungewöhnlich ist. „Natürlich war das ein Invest, der Werktisch für einen Uhrmacher kostet beispielsweise allein viereinhalb tausend Euro. Aber ich hatte großes Vertrauen in Christina, ich habe sie selbst ausgebildet und sie ist schon seit elf Jahren als Uhrmachermeisterin und Betriebswirtin im Handwerk bei uns im Betrieb.“
Uhrmacher leidet unter Personalmangel
Natürlich könne die Mitarbeiterin nicht alle Geräte ins Home Office gestellt bekommen, sagt der Betriebsinhaber, aber dafür gebe es eben die Tage, an denen sie in die Werkstatt komme. Dort teilt sich Christina Kessler einen Arbeitsplatz mit einem Rentner, der ebenfalls nur sporadisch im Betrieb ist.
Timo Boxberg wiederum ist froh, dass er seine gute Mitarbeiterin nicht verloren hat. Der Mangel an Nachwuchs und an Fachkräften im Handwerk ist für ihn ein Riesen-Thema: „Der Fachkräftemangel macht uns kaputt“, klagt er und schildert, dass einige Uhrmacher-Betriebe in Deutschland schon mit „Handgeldern“ bis zu 10 000 Euro arbeiteten, um qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen.
Unfaire Praktiken
Der Uhrmachermeister, der sich auch im Zentralverband der Uhrmacher engagiert, ärgert sich über solche Praktiken, denn schließlich investiere ein ausbildender Betrieb viel Zeit und Geld in junge Mitarbeiter. Wenn diese dann ruckzuck abgeworben würden, sei das für die Unternehmen ein großer Verlust, schildert Boxberg.
Auch er hat solche Zeiten erlebt: „Vor zwei Jahren habe ich auf einmal vier Leute verloren, das war schlimm“, schildert der gebürtige Engelskirchener, der ursprünglich Industriemechaniker gelernt hat.
Vor zehn Jahren ist er in den väterlichen Betrieb eingestiegen und hat sich auf die „Formel 1“ der Uhrmacherei spezialisiert, in seinem Betrieb werden die edlen Zeitmesser beispielsweise von Rolex oder Omega gewartet und repariert, Erbstücke oder teure Geschenke sind es oft.
Overather Uhrmacherei spezialisiert auf besondere Exemplare
Auf der Homepage der Uhrmacherei können Kunden erfahren, wie sie ihre teuren Zeitmesser versichert zur Wartung oder Reparatur einschicken können, auf dem gleichen Wege erhalten sie sie dann zurück.
Überdies ist die Uhrmacherei Boxberg auch spezialisiert auf alte und antike Wanduhren, Standuhren, Tischuhren oder sogar Grammophone und Spieluhren. Ein großer Raum in den weitläufigen Geschäfts- und Arbeitsräumen ist mit Schränken bestückt, die in unzähligen kleinen Schubladen tausende winziger Ersatzteile für Uhren vorhalten. „Wir haben jetzt das meiste, was in den Schublädchen liegt, digital erfasst“, sagt Timo Boxberg mit einem erleichterten Stoßseufzer, „den Rest schaffen wir bald auch noch.“
30-jähriges Jubiläum
Doch erst einmal soll gefeiert werden: Die Uhrmacherei Boxberg begeht 2024 ihr 30-jähriges Jubiläum, unter der Devise „Präzision und Leidenschaft“, und das soll natürlich in den kommenden Monaten mit Kunden, Partnern und Freunden festlich begangen werden.
Gleichzeitig hat Inhaber Timo Boxberg noch ein weiteres großes Projekt vor sich: Er wird die Jungfrau 2025 in Overath, wird dann als „Timona“ gemeinsam mit Prinz Andreas Lüdenbach und Bauer René Doppstadt die Bühnen rocken – und freut sich natürlich auf so viel Feierei hintereinander.