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ProzessZwei schwerverletzte Radlerinnen in Odenthal: Justiz stellt Verfahren ein

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Die Unfallstelle an der Bergstraße in Odenthal-Glöbusch, zum Zeitpunkt der Aufnahme bereits wieder mit Teer aufgefüllt.

Die Unfallstelle an der Bergstraße in Odenthal-Glöbusch, zum Zeitpunkt der Aufnahme bereits wieder mit Teer aufgefüllt (im Vordergrund).

Zwei schwerverletzte Radlerinnen an einer Baustelle in Odenthal in vier Tagen, keiner ist schuld: Die Justiz hat das Verfahren eingestellt.

Nicht nur für Freizeitradler dürften diese Entscheidungen der Justiz schwer verständlich sein: Ein Strafverfahren gegen einen für eine ordnungsgemäße Baustellenabsicherung zuständigen Tiefbaumitarbeiter (69) aus Lindlar hat das Bensberger Amtsgericht am Ende eines langen und sehr heißen Sitzungstages eingestellt.

Das Verfahren wegen des zweiten Sturzes hatte zuvor bereits die Staatsanwaltschaft im Hinblick auf den anderen Fall eingestellt. Und Schadenersatz für eine der beiden Schwerverletzten, eine Kölner Sonntagsausflüglerin, gibt es auch nicht: Die zuständige Haftpflichtversicherung argumentiert nach den Angaben des Verteidigers im Prozess mit einem „Fahrfehler“ der Pedelecfahrerin.

Angeklagter sagt, er sei sich keiner Schuld bewusst

Wie diese Zeitung nach den beiden schweren Unfällen vom Mai 2023 berichtet hatte, waren in Höhe des Hauses Bergstraße 70 in Glöbusch nacheinander zwei Radfahrerinnen verunglückt: Zunächst stürzte am Sonntag, 21. Mai, die 57-jährige Kölnerin Claudia K. (Name geändert) auf dem Rückweg von Altenberg nach Dünnwald an einer Fräskante, vier Tage später traf es eine 70-Jährige.

Zur Verhandlung wegen fahrlässiger Körperverletzung kam es jetzt lediglich im Fall Claudia K.: Nach dem Freilegen eines rechteckigen Bodendeckels, der einen Schacht mit Versorgungsleitungen bedeckt, hätte der angeklagte Bauaufseher Peter G. (Namen geändert) für eine bessere Absicherung sorgen müssen. G. dagegen sagte: „Ich bin mir keiner Schuld bewusst.“ Die Fräskanten seien in Fahrtrichtung sofort angeteert worden, der Rest hätte zwei, drei Werktage später folgen sollen. Das sei gängige Praxis.

Verteidiger: Gehweg, nicht Radweg

Sein Strafverteidiger im Prozess legte nach: Der Weg sei kein Rad- und Gehweg, sondern ein Gehweg, der auch für Radfahrer freigegeben sei. Diese dürften dann aber nur fünf bis sieben Kilometer pro Stunde fahren. Damit nicht genug: Die Freigabe des Gehwegs sei nicht – wie rechtlich erforderlich – nach der letzten vorangegangenen Straßeneinmündung wiederholt worden. Damit habe sie auch nicht mehr gegolten.

Im Hinblick auf den von der Staatsanwaltschaft nach Paragraf 154 der Strafprozessordnung („Teileinstellung bei mehreren Taten“) gar nicht zur Anklage gebrachten zweiten Unfall am 25. Mai merkte der Jurist an, es sei sicherlich „unglücklich gewesen, dass nach dem ersten Sturz keine Meldung an die Firma erfolgt“ sei. Dem Vernehmen nach soll den Verkehrssicherungsaspekten zunächst keine gesteigerte Bedeutung zugemessen worden sein; erst nach dem zweiten Unfall hätten die Alarmglocken geschrillt.

Unterschiedliche Perspektiven von Verteidigern und Freizeitradlern

Ganz anders als für einen Juristen oder Verkehrslenker am grünen Tisch hatte sich die Situation damals für Claudia K. am Fahrradlenker dargestellt.

Die beruflich in der Ganztagsbetreuung von Schulkindern engagierte Kölnerin radelte gegen 14.50 Uhr mit ihrem Lebensgefährten zurück nach Köln, als sie Baustellenbaken auf der Straße sahen, wie sie als Zeugin vor Gericht aussagte. Der Lebensgefährte fuhr vor, „wir waren beide auf dem Gehweg, 12 bis 13 Kilometer pro Stunde schnell“.

Rippenbrüche, Milzriss, Schlüsselbeinbruch

Dann sei sie wohl an die rechte Fräskante gekommen. Und habe das Bewusstsein verloren. Rippenbrüche, Milzriss, Schlüsselbeinbruch, 15 Tage Klinik: Das Ende eines Altenberg-Trips. Vor Gericht beteuerte sie in Sachen Beschilderung: „Da war nichts, dass wir auf die Straße mussten.“ Und sie versicherte auch, dass ihr Rad in einem einwandfreien Zustand gewesen sei.

Doch war dies das eine und die Schuld des Bauaufsehers das andere. Die Staatsanwältin stellte den Antrag, das Verfahren nach Paragraf 153 („geringe Schuld“) einzustellen, und die Richterin folgte dem Antrag. Die Verfahrenskosten trägt die Landeskasse, den engagierten Verteidiger zahlt der Angeklagte selbst.