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GeschäftsgeschichteSortiment von Bonbons bis Stockfisch und Haarpomade

Lesezeit 3 Minuten

Friedrich Gaß mit Schuco-Spielautos aus der Zeit der US-Besatzung.

  1. Friedrich Gaß stand noch selbst im Laden seiner Eltern und probierte als Kind Kautabak.
  2. Der Senior hat Relikte aus seiner Kindheit, die mittlerweile Seltenheitswert haben. Zum Beispiel Blechspielzeug und ein Hauptbuch.

Burscheid – Es gab eigentlich nichts, was es nicht gab: Bonbons, Bürsten, bunte Besen, Rollschuhe, Petroleum, Kautabak, Butter, Speck, Wurst, Wein, Gebetsbücher und Bohnenkaffee. Wolle, Pomade, Mausefallen und Pulswärmer.

Geschäft im trutzigen Schieferhaus

Friedrich Gaß (88) erinnert sich gern an das elterliche Geschäft, das Hauptstraße an der in einem trutzigen Schieferhaus gegen über der Evangelischen Kirche lag.

Friedrichs Vater Erich Gaß, der neben dem Geschäft auch noch eine Kirmesbude betrieb.

In den 1980er Jahren wurde das urtümliche Kaufhaus, in dem die unzähligen Artikel sogar noch von der Decke hingen, abgerissen. In dem Neubau ist heute das Geschäft „Ernsting's family“. Aber es gibt noch einige Schätze, die Friedrich Gaß in seiner Wohnung in Opladen hütet.

Hauptbuch aus dem Jahr 1887

Spielzeugautos, Aufziehkatzen und das Hauptbuch aus dem Jahr 1887, in dem steht, wer wann was über die Jahrzehnte hinweg gekauft hat. Gaß erinnert sich an seine Kindheit, als er mit Wilhelm und Ruth Schliephake spielte. Ein Bild des berühmten Malers Walther Schliephake hat er besonders gern: Es zeigt einen Mann mit Milchkanne auf dem Weg. Ein Druck von Schliephakes Kirmesszenen in der Kirchenkurve hängt über dem Esstisch.

Erich Gaß, der Vater, baute zusätzlich zu seinem Geschäft während der Kirmes einen Stand auf. Eine Leidenschaft des Händlers war Spielzeug. Für Schildkröt-Puppen machte er Werbung im benachbarten Lumina-Kino und ein Dia davon hält Friedrich Gaß in Ehren. Ebenso wie die Autos, die in der Zeit der amerikanischen Besatzung verkauft wurden.

Brikett zum Eintritt ins Kino mitgebracht

Obwohl es im Laden der Eltern zur Not auch Lebertran und Stockfisch gab, weiß auch der Senior noch sehr genau, wie sich die Notzeiten während und nach dem Krieg anfühlten. Ins Kino durfte nur, wer ein Brikett mitbrachte und wenn er bei Friedrich Busch ein Schreibheft kaufte, musste er zwei oder drei beschriebene dafür abgeben.

In den Schreibwarenhandel wechselte Friedrich Gaß, arbeitete im Oka-Kaufhaus in Opladen und machte sich später selbstständig.

Mit dem Pferd bis an die Theke geritten

Unvergessen sind ihm einige Originale aus Burscheid. Kuno Sommerlade, der Bestatter, hatte einen Trauerwagen. „Damit wurden die Verstorbenen aus ihrer Wohnung abgeholt und der Trauerzug ging durch Burscheid. Ein schwarzer Schleier hing dann an der Tür.“ Lebensfroh seien die Burscheider gewesen und es kam auch vor, dass jemand mit dem Pferd bis an die Theke ritt.

In der Sammlung aus alter Zeit finden sich auch Zigarettenbildchen, die in Bücher geklebt wurden. Da ist von den Persönlichkeiten der Weltgeschichte etwas zu erfahren, wie zum Beispiel von Maria Stuart, ehemalige Königin von Schottland, die auf Lochleven Castle im Loch Leven im Gefängnis saß. Oder Spannendes über den Schwedenkönig Gustav Adolf im 30-Jährigen Krieg.

Kautabak als Kind probiert

Ein weiterer Schatz ist ein Steingut-Topf mit der Aufschrift „Echter Hanewacker“. Darin waren Priems der 1817 in Nordhausen, Thüringen, gegründeten Kautabakfabrik. „Ich habe es einmal probiert, das war nichts für mich“, verrät Gaß. Als Kind habe ihn der süßliche Geruch verlockt, aber der Geschmack sei bitter gewesen. „Ich sehe den Topf noch bei meiner Großmutter am Tresen stehen“, erinnert er sich.

Er und sein Bruder Erich halfen als Kinder im Laden und in der Vorweihnachtszeit kam es vor, dass Friedrich Gaß Platten mit Weihnachtsmusik auflegte, das Fenster aufmachte und mit der festlichen Stimmung Kunden anlockte. Es hat offenbar funktioniert, denn es sei öfter vorgekommen, dass die Ladentür abgeschlossen wurde, wenn zu viele Kunden im Geschäft waren. Dann mussten welche draußen warten, bis wieder Platz war und sie drankamen. „Das haben wir heute auch wieder“, sagt Gaß mit Blick auf die Corona-Verordnungen.