Zur Europawahl wollten Burscheid und Wermelskirchen zeigen, wie wichtig wählen ist. Die Organisatoren hatten mehr Teilnehmer erwartet
Sternmarsch in Burscheid200 Menschen gehen für Europa auf die Straße
Die zwölf goldenen Sterne auf der Europa-Flagge können die Demonstrierenden am Samstagmorgen um elf nicht ganz nachstellen, aber das war auch nicht geplant. Vom Burscheider Jugendzentrum und von Wermelskirchen-Tente aus gehen die Aktivisten aufeinander zu. Treffpunkt ist eine Stunde später der Raiffeisen-Platz in Hilgen.
Hinter dem Projekt anlässlich der Europawahl steckt die evangelische Pfarrerin Annerose Frickenschmidt aus Burscheid. Das Treffen der Rechtsextremisten in Potsdam vor einigen Monaten habe ihr vor Augen geführt: Sie müsse laut werden. Um die Aktion möglichst groß gestalten zu können, holte Frickenschmidt Wermelskichen ins Boot. Dorothea Hoffrogge und Jochen Bilstein halfen bei der Organisation in der Nachbarstadt.
„Ich möchte AfD-Wähler ins Nachdenken bringen“, erklärt die Pfarrerin, was sie sich von dem Projekt erhofft. „Alle sollen begreifen, dass Europa elementar wichtig für uns ist. Europa ist ein Friedensprojekt, auch wenn nicht alles perfekt ist – nirgends ist alles perfekt“, sagt sie. Vor allem geht es den Aktivisten um den Aufruf, wählen zu gehen: Vielfalt und Demokratie zu stärken, haben sie sich auch zur Aufgabe gemacht. Bei angenehmen 20 Grad und Sonnenschein ziehen die knapp hundert Burscheiderinnen und Burscheider mit Regenbogenfahnen und bunten Bannern die Balkantrasse entlang.
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Sternförmig verläuft das Aufeinanderzugehen allerdings nicht. „Ich sage immer: Wir sind ein zweizackiger Stern“, lacht Frickenschmidt. Märsche aus weiteren Himmelsrichtungen anzubieten, sei organisatorisch einfach nicht stemmbar gewesen. In den vergangenen Wochen waren die Organisatorin und ihre Unterstützer vor allem damit beschäftigt, Werbung für die Aktion zu machen. „Dabei bin ich immer wieder auf sehr positives Echo gestoßen“, so Frickenschmidt. Dementsprechend überrascht ist sie, als sich nur knapp hundert Burscheiderinnen und Burscheider gemeinsam auf den Weg machen.
Frustriert ist sie davon aber nicht. „Ich sage mir, egal wie viele es sind, die anderen haben es ja wahrgenommen und es gut gefunden und vielleicht hat es ja jemanden ins Nachdenken gebracht. Das hilft genau so, wie heute dabei zu sein“, sagt Frickenschmidt. „Dabei“ ist zumindest altersmäßig die ganze Vielfalt Burscheids. Kinder, Erwachsene und Senioren machen sich gemeinsam auf der Weg.
Burscheider Sternmarsch: Von eins bis 81 sind alle dabei
Ganz vorne, direkt hinter dem großen Banner, geht eine 81-jährige Burscheiderin mit ihrem Rollator. Sie kam 1955 aus der DDR nach Burscheid. Aufgrund ihrer Kindheit in der damaligen Ostzone hat sie eine ganz besondere Verbindung zum Wählen. „Die Möglichkeit zu haben, wählen gehen zu können, bedeutet mir viel“, sagt sie. „Es ist wichtig wählen zu gehen, ich bin immer wählen gegangen.“
Von Wermelskirchen aus macht sich eine Mutter mit ihren ein- und vierjährigen Kindern, ihrem Ehemann und ihrer Schwester für Europa auf den Weg. „Demokratie ist Grundlage des Schutzes meiner Kinder. Ich möchte meinen Kindern Vielfalt vorleben und dass alle Menschen gleichwertig sind“, so die 32-Jährige. Ein anderer Demonstrant kommt aus Viersen, auf seiner Gitarre spielt er während des Marsches „Wehrt euch, leistet Widerstand“. Ohne sein Instrument sei eine Demo zu langweilig, findet er. „Ich hoffe, dass die Leute darüber nachdenken, wo sie morgen ein Kreuz setzen und welche Bedeutung es hat.“
Auf dem Hilgener Raiffeisen Platz angekommen, moderieren die Journalisten Ekkehard Rüger und Armin Himmelrath und suchen das Gespräch mit den Aktivisten. Die Wermelskirchener Band „Oh Rooster“ begeistert mit bekannten Cover-Songs. Groß und klein, Alt und Jung tanzen zur Live-Musik. Die Vielfalt, die die Aktivisten an diesem Samstagmittag zur Geltung bringen wollen, zeigt sich schließlich nicht nur in ihren bunten Flaggen und Plakaten, sondern vielmehr in den Menschen.