Prozess nach UnfallFahrer bestreitet Trunkenheit und belastet Belastungszeugin
Bergisch Gladbach – Für den Angeklagten konnte man wirklich Mitleid empfinden: Die erste Ehefrau war an Krebs gestorben, der Stiefsohn auch und gerade auch noch eine weitere Verwandte. Eine Rechtfertigung, volltrunken gegen eine Mauer zu donnern und dann das Weite zu suchen, war das trotzdem nicht, musste sich Dieter N. (Name geändert) gleichwohl sagen lassen.
Und auch mit seiner Erzählung vom Sturztrunk danach konnte der 55-Jährige bei Richter Reinhard Bohn keinen Blumentopf gewinnen. Der vertagte den Fall erst einmal und geht der Sache jetzt ganz gründlich auf den Grund.
Nachbarin belastet Angeklagten bei der Polizei
Gegen 0.20 Uhr in der Nacht zum 11. Juli 2021 war Dieter N. auf dem Rückweg von einem Restaurant gegen die Mauer seiner Nachbarin Claudia Schmitz gedonnert. Danach ging – oder torkelte? – er nach Hause. Eine andere Nachbarin, Ute Becker, beobachtete das.
Die Polizei klingelte bei Dieter N. und bat ihn zur doppelten Blutprobe. Die erste, entnommen um 1.28 Uhr, ergab 1,59 Promille; die zweite, eineinhalb Stunden später abgezapft, zeigte 1,48 Promille an. Gegen einen Strafbefehl über 2400 Euro plus fünf Monate Führerschein-Entzug legte Dieter N. Einspruch ein.
Angeklagter gibt Nachbarin Mitschuld am Scheitern seiner Ehe
Im Prozess sprach Dieter N. nicht nur über seinen traurigen familiären Hintergrund, sondern auch über die Zeugin Ute Becker. Das Verhältnis zu ihr sei schwierig, seit Ute Becker mit ihrer Frau in die Siedlung gezogen sei. Ute Becker habe nämlich seine zweite Frau ermuntert, sich von ihm zu trennen und sie zur Lüge ermuntert: „Wenn Du häusliche Gewalt angibst, beschleunigt das die Scheidung.“
Indes blieb in der Verhandlung offen, wer da nun wann gelogen hat: Hat Ute Becker tatsächlich Dieter N.’s zweite Frau zur Lüge ermuntert? Oder log der Angeklagte, um die Belastungszeugin zu demontieren?
Angeklagter will drei Wassergläser Schnaps nachgetrunken haben
Indes war mit der Geschichte die Einlassung von Dieter N. noch nicht zu Ende. Er berichtete weiter, dass er völlig nüchtern nach Hause gefahren sei, als plötzlich ein Tier seinen Weg kreuzte und er nach rechts, gegen die Mauer, steuerte. Claudia Schmitz, die er schon aus Kindheitszeiten kenne, habe er am nächsten Tag informieren wollen.
Dann sei er ins Haus gegangen, habe dort seinen Bruder getroffen, ihm sein Leid geklagt und dann den Frust runterspülen wollen mit drei Gläsern Schnaps. Dieter N.: „Ich trank hochprozentigen Schnaps aus Wassergläsern.“
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Richter Bohn: „Drei Wassergläser? Drei Wassergläser Schnaps hauen einen erwachsenen Mann aus den Puschen.“ Ja, so sei das gewesen, antwortete Dieter N., und auch der Hinweis des Richters, dass die Geschichte etwas glaubwürdiger rüberkäme, wenn er sie direkt gegenüber der Polizei erwähnt hätte, konnte ihn von seiner Darstellung nicht abbringen.
Damit wurde das Verfahren erst einmal vertagt. Voraussichtlich im Frühjahr gibt es eine große Neuauflage, dann mit einem Sachverständigen und vielen Zeuginnen und Zeugen.