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Nostalgiefahrt auf BahntrasseMit Historischem Schienenbus über alte Schienen

Lesezeit 5 Minuten
Sülztalbahn

Bitte alles aussteigen: Der Schienenbus hält  an der Moschee am Refrather Weg. Die Fahrt führte auch am alten Bahnhof in Gronau vorbei. 

  1. Der historische Schienenbus fährt auf längst nicht mehr benutzten Gleisen.
  2. Schaffner Jörg Seidel hat die alten Strecken eigenhändig wieder befahrbar gemacht.
  3. Von Hoffnungsthal bis zur Moschee im Refrather Weg geht die Strecke.

Bergisch Gladbach – Das ist sicherlich kein alltägliches Bild, welches man sonst bei einem Sonntagsausflug zu Gesicht bekommt: Zwei 16,2 Meter lange und 21,5 Tonnen schwere rote Triebwagen aus den Jahren 1956 und 1960 parken inmitten einer Stachelbeeroase. Weiter geht es für die Fahrgäste nicht.

Der Halt: irgendwo im Nirgendwo – zumindest gefühlt. Denn eigentlich befinden wir uns mitten in Bergisch Gladbach. Genauer gesagt an dem einst zentralsten Ort der Stadt, auf einer Strecke kurz hinter dem ehemaligen Bahnhof von Bergisch Gladbach im Stadtteil Gronau, heute zwischen Finanzamt und Moschee am Refrather Weg gelegen.

Der Reisezugverkehr zwischen Bergisch Gladbach und Bensberg endete hier am 29. September 1965, der Güterzugverkehr nach Bensberg im Mai 1989. Das ist eine halbe Ewigkeit. Bis 2012 rollten noch Güterzüge über die Gleise bis zum Güterterminal Zinkhütte, heute ist der Abzweig abgebaut.

Erster Halt: Hoffnungsthal

Zurück zum Start: „Es ist die Nostalgie“, antwortet Doris Wollersheim lächelnd auf die Frage, was sie und ihren Ehemann Dieter zu der Fahrt veranlasst. Das Ehepaar steigt, wie die meisten Gäste, am Kölner Hauptbahnhof ein, dem zweiten Halt des Schienenbusses, direkt nach der Haltestelle in Köln-Bilderstöckchen. Zügig machen es sich die Gäste auf ihren warmen, hellbraunen Ledersitzplätzen gemütlich, dann werden die Türen verriegelt.

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Ausgelassene Stimmung im Zug, die Autorin mittendrin.

Pünktlich um 13.06 Uhr ist es soweit, und die 180 PS-starken Motoren brummen lautstark, als die Maschine ruckelnd zum Fahren ansetzt. Nach einigen Minuten wird es ruhiger und Seidel erklärt durch sein Mikrophon die geplante Route: „Unser erster Halt: Hoffnungsthal“, sagt er nach einer kurzen Begrüßung. „Dann kehren wir zurück und es gibt einen Gleiswechsel am Bahnhof Deutz-Tief, wo wir eine Fotopause machen.“

Geheimer Bahnhof mit Panzern im Wald

Im Zug herrscht eine ausgelassene Stimmung und alle hören gespannt Seidel zu, der die gesamte Fahrt über Interessantes zu den Streckenabschnitten berichtet. Bald hinter Rath-Heumar passiert der Zug den Gleis-Abzweig zum ehemaligen Nato-Bahnhof in der Wahner Heide: „Hier gab es einen geheimen Bahnhof mit Panzern und Militäranlagen mitten im Wald. Heute ist es ein Naturschutzgebiet, wo vor zwei, drei Jahren die Gleise abgebaut wurden“, sagt der 58-Jährige.

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Warten auf die Einfahrt: „Trainspotter“ auf der freigelegten Eisenbahntrasse.

An die Streckenabschnitte kann sich auch die 81-jährige Christel Koziol erinnern: „Mein Vater hatte hier in der Nähe seine Werkstatt, 1944 wurde das alles im Krieg bombardiert“, sagt die Refratherin. Zu der Fahrt wurde sie von ihrem Enkel Jan Suchowsky überrascht: „Wir sind heute in drei Generationen da: Meine Oma, meine Mutter und ich mit meiner Freundin“, berichtet er.

Bahnhof Gronau seit 1965 stillgelegt

Als der Zug dann gegen 15 Uhr über den Bahnübergang an der Tannenbergstraße rangiert, in das Gleisdreieck einbiegt und wenig später am historischen Bahnhof Gronau anhält, ist das Interesse der Gäste riesengroß. Aber warum ist gerade ein Ausflug zum alten Bahnhof sehenswert? „Von hier aus fuhren Soldaten in den Ersten Weltkrieg. Männer, die in meisten Fällen nie wieder zurückkehrten, wurden hier von ihren Familien, Frauen und Kindern verabschiedet.

Dann, im Zweiten Weltkrieg, fuhren von hier aus Menschen in Konzentrationslager“, erinnert Seidel seine Gäste. Seit der Stilllegung 1965 hat sich einiges geändert. In das alte Bahnhofsgebäude ist vor einigen Jahren die Fachhochschule der Wirtschaft eingezogen, und die stark bewachsene Gleis-Umgebung erinnert eher an ein Waldstück als an eine befahrbare Strecke. Reste des alten Bahnsteigs sind aber noch im Gelände vorhanden.

Letzter Halt an Moschee Refrather Weg

Einige Meter weiter folgt dann der letzte Halt, in unmittelbarer Nähe der Moschee am Refrather Weg. Vorsichtig steigen dort die Gäste aus, um ein bestmögliches Foto des seltenen Bildes zu bekommen: Zwei rote MAN-Triebwagen umgeben vom grünen Gestrüpp, im Hintergrund steht die Moschee. „Vorsicht“, warnt Seidel vor dem stacheligen Gewächs und den rostigen Metallteilen, die sich im Gebüsch verstecken.

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Dass es seit 1965 in Gronau keinen Personenzugverkehr mehr gibt, findet Seidel bedauerlich: „Die alte Strecke ist ganz Interessant. In der Nähe befinden sich zwei Schulzentren, zwei Gewerbegebiete, ein Thermalbad und eine Eissporthalle. Am Neuenweg führt mit einer Brücke eine direkte Anbindung zur Straßenbahn,“ erklärt er. Die schnelle Anbindung wäre nicht nur praktisch, sondern auch umweltfreundlich, wie einige der Gäste feststellen.

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Den Gleisübergang Tannenbergstraße passiert die Bahn kurz vor der Ankunft am alten Bahnhof  in Bergisch Gladbach.

Doch nicht nur aufgrund des Potenzials begeistert der historische Ort. Auch wenn heute nur noch wenig an den damaligen Haltepunkt erinnert, herrscht nahezu besinnliche Stimmung und die Gäste lassen sich viel Zeit, um den Ort und seine Geschichte auf sich wirken zu lassen.

Premiere in Bergisch Gladbach

Vier- bis fünf Mal im Jahr veranstaltet Jörg Seidel (58) Fahrten mit dem historischen Schienenbus, doch die Strecke nach Bergisch Gladbach war eine Premiere. Die zugewucherten Gleise hat der „Zugschaffner“ im Vorfeld in mühevoller Handarbeit vom dichten Gestrüpp befreit. „Ich wusste, dass sich hier irgendwo Gleise befinden“, erzählt er vom ersten Tag, an dem er die Strecke begutachtet hat.

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„Zugschaffner“ Jörg Seidel auf Sonderfahrt.

Einige arbeitsreiche Nachmittage später sind die Gleise befahrbar und der Ausflug von der Bundespolizei genehmigt. Die Schienenbusse stellt die benachbarte Rhein-Sieg-Eisenbahn, die regelmäßig Touristikfahrten ins Kölner Umland anbietet. Welche Erinnerungen es sind, wollte er, als Mitglied des Vereins Rheinisches Industriebahn-Museum, mit anderen teilen. Und so organisierte der hauptberufliche Sachbearbeiter den Ausflug „Auf den Spuren der Sülztalbahn“, eine Fahrt über die Reste der alten Eisenbahnstrecke zwischen Köln und Bergisch Gladbach, die ab 1868 gebaut wurde und so zum zentralen Verbindungsstück nicht nur der Industrie wurde. In späteren Jahren führten die Gleise über Bensberg bis nach Rösrath, Hoffnungsthal und Lindlar. Der alte Bahnhof von Bergisch Gladbach wurde 1912 gebaut.

Was ursprünglich als ein kleiner Ausflug mit 30 Personen und einem Schienenfahrzeug geplant war, endete aufgrund der großen Nachfrage mit zwei Fahrzeugen und 90 regionalen Eisenbahnfreunden, die gemeinsam in Erinnerungen schwelgten. Deshalb sind demnächst weitere Fahrten geplant. Interessenten können sich bei Jörg Seidel per E-Mail anmelden.