Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Lost PlacesWo die berühmten Roten Teufel spielten

Lesezeit 6 Minuten
Das Foto zeigt den S-Bahnhof Duckterath

Der Fußballplatz am Kradepohl lag direkt neben dem S-Bahnhof Duckterath

Ein legendärer Ort: Am Kradepohl in Gronau kickten einst die Fußballer von SV 09 Bergisch Gladbach

Autos, Autos, Autos. Und S-Bahnen. Sie stoppen am Haltepunkt Duckterath. Alle 20 Minuten kommt eine rotlackierte Triebwageneinheit aus Köln, spuckt die Fahrgäste aus, die schnell zu ihren Fahrzeugen eilen. Der Haltepunkt Duckterath an der Mülheimer Straße in Gronau ist der große Umstiegspunkt für alle, die mit der Bahn nach Köln möchten. Was hat dieser Ort mit Fußball zu tun? Sehr viel.

Der ehemalige Sportplatz am Kradepohl ist Teil der Gladbacher Stadtgeschichte, eine Legende. Hier lehrten die Roten Teufel ihren Gegnern das Fürchten. Die Roten Teufel: Das ist der Spitzname der Gladbacher Fußballer des Sportvereins SV 09, damals wie heute. Immerhin: Eine Gedenktafel erinnert seit zehn Jahren an die Sporthistorie.

Mit Schaufel und Hacke

Im Schatten der Eisenbahn, die auch in den Jahren nach 1920 schon da war, griffen die Fußballer von SV 09 Bergisch Gladbach zu Schaufel und Hacke. Aus dem Nichts, berichten Zeitzeugen später in einer Festschrift, sei der Sportplatz am Kradepohl entstanden. Das war vor ziemlich genau einhundert Jahren. Der Platz in Gronau sollte für Jahrzehnte Heimstätte der Fußballer sein.

Das Eröffnungsspiel, berichten die Chronisten, habe der seinerzeit prominente Marienburger SC aus Köln mit 5:4-Toren gewonnen. Fast hätten die Amateure aus Bergisch Gladbach dem bekannten Gast ein Remis abgetrotzt. Aber die Aura des Platzes war da, vom ersten Tag an.

Was noch fehlten, waren die Spieler, die den Gladbacher Klub nach vorne bringen sollten. Die kamen zu Angang der 1950er nach Bergisch Gladbach. Ihre Namen kannte damals jedes Kind. Hans Brück, Werner Förling , Günther Hartmann, Hans Hinden Toni Höfken oder Josef Werheid hießen die Fußballer, die die 09er ganz nach vorne schossen.

Die beliebte Zitsch-Limonade

Auf dem Kradepohl war ihnen keiner gewachsen, der Platz galt in weitem Umkreis als eine uneinnehmbare Festung. Der Heimnimbus der Gladbacher : In den Jahren nach 1952 war er legendär. Die Mannen vom Kradepohl waren in Gladbach so beliebt wie die Helden von Bern.Das waren die Fußball-Weltmeister von 1954. Am Zeitungsbüdchen auf dem Marktplatz lasen die Gladbacher in der Heiderschen Tageszeitung von den sensationellen Erfolgen, bei Zitsch-Limonade verabredeten sich die Fußballfans zum nächsten Spiel.

Dieses Keppels Büdchen gehört ebenso zur Fußballgeschichte wie der Kradepohlsplatz, die Mannschaft und später die Siegesfeiern im Sporthotel Clever. Es war in diesen Jahren so, als hätten sich die Dinge zusammengefunden. In ihren schwarzweißen Trikots waren die Gladbacher eine Klasse für sich.

1952 waren es weitsichtige Vereinsfunktionäre wie der Vorsitzende und Gladbacher Bürgermeister Moritz J. Weig, wie Heinz Mohr, Georg Berg, Karl Meier und Peter Müller, die nach einem unglücklichen Abstieg aus der zweithöchsten deutschen Liga, der Vertragsdivision, erfahrenen Spieler wie Hans Brück und Josef Werheid, den Spielertrainer, an den Kradepohl holten.

In der nächsten Saison waren die 09er in der Amateurliga turmhoch überlegen und holten mit 162 geschossenen Toren in ihrer Gruppe den Sieg. Auch im Spiel um die Mittelrheinmeisterschaft hatte die Spielvereinigung Frechen keine Chance.

Amateurtitel geholt

1953 standen die Gladbacher auf einmal in der Endrunde um die Deutsche Meisterschaft der Fußball-Amateure. Und am Kradepohl holten die wackeren 09er Sieg um Sieg gegen den FC Hockenheim, Villingen 08 und den FSV Schifferstadt.

Der Rest ist Geschichte. Auf dem Bieberer Berg in Offenbach, dem Heimplatz von Kickers Offenbach, schießen die Gladbacher den VfL Sindelfingen mit 4:0 aus dem Stadion. Am 28. Juni 1953 dann der historische Tag der 09er, der Sieg im Finale um die Deutsche Fußballamateurmeisterschaft, mit 3:2-Toren gegen den Homberger SV aus Duisburg.

Im Wuppertaler Zoostadion schießt Hänschen Brück die Gladbacher in den siebten Fußballhimmel. Sieg, Jubel und die erste (und bislang einzige Qualifikation) für den DFB-Pokal: das Achtelfinale gegen die Profis des VfB Stuttgart, eine der besten Mannschaften des Landes. Es war der 2. August 1953 als der Sportplatz am Kradepohl deutsche Pokalgeschichte schrieb. Eigentlich hatte der DFB den Kradepohlsplatz nicht zulassen wollen, zu alt und ungeeignet erschien er schon damals.

Aber die 09er blieben zäh, in Köln wollten sie nicht spielen. Es wurde am Kradepohl in Bergisch Gladbach gespielt, natürlich auf Kieselrotasche, wie überall in den 50ern. Und wie! 12.000 Zuschauer berichtet die Heidersche Tageszeitung, eine unglaubliche Zahl.

Fast gewonnen

Die Gladbacher hielten über 90 Minuten ein 0:0 gegen den Favoriten. Verlängerung! In der 102. Minute jubeln die Amateure, das 1:0 durch Jupp Werheid. In der 114. Minuten fällt doch noch der Ausgleich, aber auch so blieb das Spiel eine Sternstunde des Fußballs in der Stadt. Im Wiederholungsspiel im Stuttgarter Neckarstadion haben die Gladbacher keine Chance, sie verlieren mit 0:6. 1955 kommt der Westdeutsche Meister SV Sodingen, damals ein bärenstarker Fußballmannschaft aus dem Bergarbeiterdorf Sodingen bei Herne, zur zweiten Vorrunde.

Da wurde schon im zum Bundesturnfest neuangelegten Stadion an der Paffrather Straße gekickt, so langsam ging die Ära des alten Platzes in Gronau zu Ende. Mit 4:3 ringen die Gladbacher den Gegner nieder, und zur nächsten Runde geht es wieder an den Kradepohl, 6000 Zuschauer sehen den 2:0-Erfolg gegen Preußen Dellbrück.

Auch im Pokal gegen Bayer Leverkusen wird am Kradepohl gewonnen, 4:2 nach Verlängerung. Und wieder kommen 5000 Zuschauer. „Gladbach vor, noch ein Tor! Das haben wir immer gerufen“, erinnerte sich Jahre später der langjährige Vereinsmanager Hans Gronewold an diese Zeiten, er spielte damals in der B-Jugend. Wenn das Taschengeld für den Stadionbesuch nicht ausreichte, sei man über den Zaun geklettert.

Viele Erinnerungen

Noch fünf Jahrzehnte später berichtete der ehemalige Spieler Günther Hartmann, dass aus den höheren Einnahmen der Pokalspiele der Kradepohl instandgehalten wurde. Abgesang. Das neue Stadion an der Paffrather Straße entsteht zum Bundesturnfest 1955. Der Platz am Kradepohl dient als Ersatz, als Ausweichspielort. Später trainieren und spielen die Fußballfrauen vom jetzt SSG 09 genannten Sportverein. Das war in den 70er Jahren.

Danach fällt der Platz in einen Tiefschlaf, einen „Drecksfleck“ nennen ihn manche. Zunächst will die Stadt ihn bebauen, das aber scheitert am Lärm der Bahn. Dann soll ein Festplatz für Zirkusse kommen, „Kamele und Autos“ titelt die Zeitung. Aber es kommen keine Zirkusse. Schließlich wird der Kradepohl als Erweiterungsfläche für den Park-and-Ride-Parkplatz am S-Bahnhof umgebaut. 2013 wird die Kieselrotasche abgetragen, das letzte Relikt, das an die glorreiche Fußballzeit am Kradepohl erinnerte.

Der Untergrund, aus der Kupferhütte von Marsberg im Sauerland stammend, ist mit Schadstoffen belastet, die Sanierung kostet 240.000 Euro. Damit ist das Kapital Kradepohlsplatz endgültig Geschichte.