Warum Butschas Bürgermeister in der Partnerstadt Bergisch Gladbach dankt, worum er bittet und was ihn fast innerlich zerreißt.
„Wann ist der Terror endlich zu Ende?“Bürgermeister aus Butscha hat in Bergisch Gladbach den Krieg immer im Kopf
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Hinter den Kulissen eines ganz anderen Partnerschaftsbesuchs: Butschas Bürgermeister Anatolii Fedoruk (r.) beim Papierschöpfen mit Bürgermeister Frank Stein im Papiermuseum.
Copyright: Guido Wagner
„Das ist also der Stoff, der Bergisch Gladbach groß gemacht hat“, sagt Anatolii Fedoruk auf Ukrainisch, krempelt die Ärmel hoch und schöpft mit seinem Bergisch Gladbacher Amtskollegen Frank Stein Papierbrei aus dem Bottich auf ein Sieb.
Kurz vor meiner Abreise war ich noch in einem Kindergarten, habe mit den Kindern gesprochen. Und immer wieder gibt es nur diese eine Frage: Wann hört der Krieg endlich auf?
Der Bürgermeister aus der ukrainischen Partnerstadt Butscha hat auf dem Weg zu Terminen in der Schweiz in der bergischen Partnerstadt Halt gemacht – um den Menschen hier Dank zu sagen für mittlerweile zehn Hilfskonvois in den vergangenen drei Kriegsjahren, und noch mehr für ihre Freundschaft und Anteilnahme. „Wir kommen zu Freunden“, sagt er und ist doch in Gedanken auch im Papiermuseum bei den Menschen in seiner Stadt 20 Kilometer nordwestlich von Kiew.
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Butschas Bürgermeister Anatolii Fedoruk (l.) macht ein Selfie mit seinem Bergisch Gladbacher Amtskollegen Frank Stein auf der Bel Etage von Schloss Bensberg – bei einer 90-MinutenStadtführung durch die Kreisstadt.
Copyright: Guido Wagner
„Kurz vor meiner Abreise war ich noch in einem Kindergarten, habe mit den Kindern gesprochen. Und immer wieder gibt es nur diese eine Frage ...“, sagt er und seufzt: „Wann hört der Krieg endlich auf?“ Was er dann sagt? „Ich weiß es nicht. Es tut weh, den Kindern keine Antwort geben zu können.“
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Während der russischen Okkupation (über-)lebte Bürgermeister getarnt als Gärtner
Gleich am ersten Abend sitzt der ukrainische Bürgermeister mit Mitgliedern des Partnerschaftskomitees zusammen. Sie wollen wissen, wie sie weiter helfen können. Was am dringendsten gebraucht wird. Fahrzeuge für den Wiederaufbau, Kleinlaster mit Ladefläche. Und immer wieder Feuerwehrfahrzeuge und Rettungswagen. Manchmal heulen die Luftalarmsirenen auch in Butscha nahezu rund um die Uhr. Freiwillige tun ihr Bestes, um russische Drohnen und Marschflugkörper vom Himmel zu holen.
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Butschas Bürgermeister Anatolii Fedoruk (l.) beim Empfang im Bergisch Gladbacher Rathaus.
Copyright: Christopher Arlinghaus
„Aber es sind einfach sehr viele“, sagt Anatolii Fedoruk. Der Bürgermeister hat seine Stadt auch während der Zeit der russischen Besatzung und der Gräueltaten an der Zivilbevölkerung in den Wochen nach dem russischen Angriff vom Februar 2022 nie verlassen, hat sich damals als Gärtner des Bürgermeisters ausgegeben und in der Gartenlaube gehaust – sonst hätte er die Zeit der russischen Okkupation wohl nicht überlebt.
Die Gräueltaten der abziehenden russischen Einheiten auf offener Straße, bei denen mehr als 400 Menschen getötet wurden, sind nun fast drei Jahre her – und noch immer ist kein Ende des Krieges in Sicht. Und was der Amtsantritt von Donald Trump in den USA bedeutet? Anatolii Fedoruk wirft die Stirn in Falten.
Amerikanische Stiftung musste nach Trumps Amtsantritt ihre Hilfe in Butscha einstellen
Eine amerikanische Stiftung hat gerade alle Unterstützung beim Bau eines Traumazentrums in Butscha eingestellt. „Wir wissen nicht, was wird“, sagt Vize-Bürgermeisterin Alina Saraniuk. Sie war schon vorher zur Karnevalszeit in der Partnerstadt, hat ihrem Chef davon erzählt. Der staunt, als der Vorsitzende des Partnerschaftsvereins Bergisch Gladbach – Butscha plötzlich mit Perücke und in der Uniform der Gladbacher Prinzengarde vor ihm steht. „Die Prinzengarde-Party ist einer der Höhepunkte in der Region“, erklärt Frank Haag dem Besucher aus der Ukraine.
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Hinter den Kulissen eines ganz anderen Partnerschaftsbesuchs: Butschas Bürgermeister Anatolii Fedoruk (Mitte) beim Treffen mit Dreigestirn, Prinzengarde und dem Partnerschaftsvereinsvorsitzenden Frank Haag in Gardeuniform (l.).
Copyright: Guido Wagner
Nicole Haag hat für die Besucher Kostüme organisiert, so fallen sie nicht weiter auf, als sie einen Blick ins Bürgerhaus Bergischer Löwe werfen, wo die Menschen feiern und eine Band nach der anderen den Saal rockt. Frank Haag hat im Orchesterprobenraum hinter der Bühne ein Treffen mit Bergisch Gladbachs Dreigestirn arrangiert. Es gibt Orden für die Besucher aus der Ukraine, die danken mit Geschenken.
Dolmetscherin ist vor dem Krieg in der Ukraine geflüchtet und arbeitet nun in Notunterkunft
Iryna Lemmers, die aus der Ukraine vor dem Krieg geflüchtet ist und nun in einer DRK-Geflüchtetenunterkunft arbeitet, hilft dabei, Sprachbarrieren zu überwinden. Dass „Alaaf“ ein eigentlich fröhlicher Ausruf ist, spüren Anatolii Fedoruk, Alina Saraniuk und ihre Begleiter auch so – auch wenn sie in Gedanken oft bei ihren Freunden und Verwandten daheim sind.

Eine Handy-App zeigt den Luftalarm in Bergisch Gladbachs ukrainischer Partnerstadt Butscha auf einer Landkarte der Ukraine an.
Copyright: Guido Wagner
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Trotz aller Angst und Sorge in ihrer Heimatstadt wollen Butschas Bürgermeister Anatolii Fedoruk und seine Delegation den für sie so wichtigen Kontakt zu den Menschen in der Partnerstadt Bergisch Gladbach intensivieren und ihre Leben kennenlernen, wie hier bei der Kostümsitzung der KG Alt-Paffrath.
Copyright: Guido Wagner
Vor allem, wenn die Handy-Warn-App gerade mal wieder einen Luftalarm für Butscha und Umgebung ausgibt: Auf der ukrainischen Landkarte in der Warn-App färbt sich die Region rund um Kiew tiefrot ein. Da ist die Hilfe und vor allem auch die Anteilnahme aus Bergisch Gladbach besonders mutmachend. Das hat Fedoruk am Nachmittag erst beim Treffen mit Vertretern der Indus AG gesagt, die die Hilfskonvois des Partnerschaftsvereins wie eine Reihe weiterer Unternehmen und Privatpersonen wie berichtet erheblich unterstützt hat.
Die Partnerschaft mit Bergisch Gladbach ist nicht die einzige, aber die beste.
„Die Partnerschaft mit Bergisch Gladbach ist nicht die einzige, aber die beste“, sagt der Bürgermeister am Morgen darauf im Interview bei City-Radio GL. Alina Saraniuk am Mikro neben ihm genießt die Ruhe, nicht nur des Studios, sondern überhaupt in Bergisch Gladbach. „Bei uns zu Hause kracht es immer, vor allem in der Nacht“, sagt sie und schlägt mit der Hand auf den Tisch: „Bei jedem lauten Geräusch erschrecke ich mich, denke, es könnten Bomben sein“, sagt sie nachdenklich. „Und ich bin 29. Was das mit unseren Kindern seit drei Jahren macht, können wir noch gar nicht abschätzen.“
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Abschied von Freunden aus dem Partnerschaftsverein Bergisch Gladbach – Butscha vor dem Bensberger Hotel Malerwinkel. Für die Delegation aus Butscha geht es nun weiter in die Schweiz.
Copyright: Guido Wagner
Als die Delegation am nächsten Morgen früh zu weiteren Terminen in die Schweiz abreist, wo Fedoruk weitere Hilfen für seine Land akquirieren möchte, kommen zahlreiche Partnerschaftsvereinsmitglieder, um sich zu verabschieden. „Wir sind wirklich eine deutsch-ukrainische Familie“, sagt Anatolii Fedoruk. „Wenn ihr wieder kommen wollt, wir werden euch erwarten.“ Frank Haag winkt ihm und seiner Delegation nach. „Wir haben den kurzen Besuch gut für die Planung weiterer Projekte nutzen können“, sagt er. „Und wieder einmal hat man gespürt, wie gut und wichtig der persönliche Austausch, sei es in Butscha oder hier bei uns, für die Partnerschaft unserer beiden Städte ist“, sagt Haag, und seine Mitstreiter lassen keinen Zweifel: „Wir werden niemanden dort vergessen.“

Butschas Bürgermeister Anatolii Fedoruk (r.) und seine Stellvertreterin Alina Saraniuk im Studio von City-Radio GL bei Moderator Martin Hardenacke (hinten r.).
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Die Sendung mit Butschas Bürgermeister Anatolii Fedoruk, seiner Stellvertreterin Alina Saraniuk und dem Partnerschaftsvereinsvorsitzenden Frank Haag bei City-Radio GL ist im Bürgerfunk bei Radio Berg an diesem Sonntag, 16. Februar, von 19 bis 20 Uhr zu hören.
Wer die Arbeit des Städtepartnerschaftsvereins unterstützen möchte, findet Ansprechpartner, Infos und Spendemöglichkeiten hier im Internet.