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„Tot, entführt oder evakuiert“Bergisch Gladbacher Verein reist nach Israel und unterstützt Kibbuz

Lesezeit 4 Minuten
Ein Großteil der Häuser im Kibbuz Nir Oz sind ausgebrannt oder zerbombt.

Ein Großteil der Häuser im Kibbuz Nir Oz sind ausgebrannt oder zerbombt.

In Nir Oz wohnt seit dem 7. Oktober niemand mehr. Bergisch Gladbacher halfen mit Freiwilligenreise beim Wiederaufbau.

Der Kibbuz Nir Oz liegt am äußersten Rand von Israel. Von vielen Gärten aus kann man Gaza und den Krieg sehen. Der Krieg hat seine Spuren in dem Ort hinterlassen: Seit 7. Oktober stehen die verbrannten und zerbombten Häuser leer, hier lebt seit dem Angriff der Hamas niemand mehr.

Oder beinahe niemand: Eine alte Frau habe sich geweigert, sich evakuieren zu lassen. Sie lebe schon Jahrzehnte in dem Ort und das wolle sie auch nicht ändern. Da scheint sie ähnlich beharrlich zu sein, wie die Katzen ihrer ehemaligen Nachbarn. Diese leben auch noch in dem Dorf, und die alte Frau kümmere sich jetzt um sie.

Seit dem 7. Oktober ist das Dorf verlassen. Mit ihrem Verein halfen Petra Hemming und Roman Salyutov den vor Ort, den Ort wieder aufzubauen.

Seit dem 7. Oktober ist das Dorf verlassen. Mit ihrem Verein halfen Petra Hemming und Roman Salyutov den vor Ort, den Ort wieder aufzubauen.

Diese Eindrücke schildern Petra Hemming und Roman Salyutov. Sie gründeten vor kurzem in Bergisch Gladbach einen Solidaritätsverein, mit dem sie das Kibbuz unterstützen wollen (wir berichteten).

Und das wollen sie nicht nur mit Geld, sondern mit Arbeit direkt vor Ort. Also haben sie eine Freiwilligenreise in den Kibbuz organisiert, an der sich insgesamt 14 Helferinnen und Helfer beteiligt haben. Drei Wochen sei der Verein vor Ort gewesen, habe die Kontakte zum Dorf gestärkt und bei der Gartenarbeit geholfen. Denn die Menschen, die früher in Nir Oz gewohnt haben, können das nicht mehr: „Sie sind entweder tot, entführt oder evakuiert“, sagt Hemming.

Ein Großteil der Häuser im Kibbuz Nir Oz sind ausgebrannt oder zerbombt.

Ein Großteil der Häuser im Kibbuz Nir Oz sind ausgebrannt oder zerbombt.

Nach ihrer Ankunft hätten sie sofort vor einem Problem gestanden: „Für Gartenarbeit braucht man Werkzeug. Doch dort gab es nichts mehr“, schildert Hemming. Also hätten sie vom Verein sofort eine Spende für die Gerätschaften angefordert und schnell das Nötigste besorgen können.

Bei ihrer Arbeit hätten sie sich vor allem auf die öffentlichen Plätze konzentriert. Private Grundstücke und Gegenstände sollten sie außen vor lassen, weil das Kibbuz nicht wisse, ob die Evakuierten zurückkämen und ihre Privatsphäre gewahrt bleiben solle. „Wenn da zum Beispiel eine Plastikflasche im Garten lag, habe ich die natürlich eingesammelt. Aber Kinderspielzeug oder persönliche Gegenstände haben wir da liegen lassen“, sagt Salyutov.

 Reisebericht über neue Partnerstadt in Israel 
v.l. Petra Hemming, Roman Salyutov

Reisebericht über neue Partnerstadt in Israel v.l. Petra Hemming, Roman Salyutov

Man rechne nicht damit, dass alle der Überlebenden wieder zurückkehren werden, weil sie teilweise stark traumatisiert seien. Aber es hätten schon viele angekündigt, dass sie wieder in ihrer Heimat leben wollten, sobald das wieder möglich sei. Und Menschen, die vor dem 7. Oktober mit Nir Oz gar nichts zu tun gehabt hätten, jetzt aber beim Wiederaufbau helfen, würden sich mittlerweile mit dem Kibbuz verbunden fühlen. „Sie wollen vielleicht mit einem zweiten Wohnsitz oder sogar ganz nach Nir Oz ziehen“, sagt Salyutov. Deswegen gehe er davon aus, dass der Kibbuz seine ursprüngliche Einwohnerzahl von 450 Menschen wiedererlangen werde.

Die Stimmung in Nir Oz sei „gruselig“

Doch von so vielen Menschen könne man im Moment nur träumen. Die Stimmung sei „gruselig. Das trifft es sehr gut“, sagt Hemming. Sie erinnert sich an eine Situation, in der eine „paradiesische Stille“ geherrscht habe und zwei Schmetterlinge in ihr vorbeigeflogen seien. „In dem Moment dachte ich, dass es dort wirklich schön ist“, berichtet sie. Doch dann sei ihr Blick auf ein abgebranntes Haus gefallen. Dort habe früher jene Familie gewohnt, aus der die beiden jüngsten Geiseln der Hamas stammen. „Diese Erkenntnis hat mich umgehauen“, sagt sie.

Damit die Freiwilligen den Kopf freibekommen, seien sie an einem Tag nach Tel Aviv gefahren. „Das tat richtig gut“, meint Hemming.

Trotz der körperlichen und seelischen Belastung, hätten sich alle Helferinnen und Helfer wohl und sicher gefühlt. „Wir hatten kein Mal das Gefühl, dass uns etwas passieren könnte. Obwohl das zu der Zeit war, als die Hisbollah gedroht hat, Israel anzugreifen“, sagt Salyutov. Die nächste Freiwilligenreise ist auch schon geplant: Im Dezember geht es wieder nach Israel. Helfer können sich noch anmelden.


Am 7. Oktober veranstaltet Roman Salyutov ein Benefiz- und Gedenkkonzert für die Opfer des 7. Oktober. Außerdem kommt die Fotoausstellung „6:56“ ins Rathaus Bensberg. Sie dokumentiert das Ausmaß der Gewalt, die mit dem Anschlag der Hamas am 7. Oktober um 6.56 Uhr begonnen hat.