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DesinformationBergisch Gladbacher setzt sich in Bürgerrat für Sensibilisierung bei Fake News ein

Lesezeit 4 Minuten
Auf einem gefälschten Bild stehen Merkel und Obama in der U-Bahn.

Der Bürgerrat setzt sich dafür ein, auf Desinformationen aufmerksam zu machen und für gefälschte Bilder, wie dieses, zu sensibilisieren.

Bürgerräte seien eine neue Möglichkeit, sich in der Demokratie für wichtige Themen einzubringen, erzählt der Bergisch Gladbacher.

Pssst! Haben Sie es schon gewusst? Mobilfunk ist schuld an Corona. Annalena Baerbock will Haustiere verbieten lassen, und Deutschland plant eine verpflichtende Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine in private Haushalte. Vor allem in den Sozialen Medien und in Messenger-Diensten wie Telegram verbreiten sie sich rasant schnell: Fake News – bewusst und in manipulativer und schädigender Absicht verbreitete Falschmeldungen. Schnell und millionenfach ungeprüft geteilt können sie den Verlust des Vertrauens in öffentliche wie private Organisationen und in die Demokratie nach sich ziehen.

Dieser besorgniserregend wachsenden Entwicklung trägt das Projekt „Forum gegen Fakes – Gemeinsam für eine starke Demokratie“ der Bertelsmann-Stiftung Rechnung. Ziel war es, mit einem neuen Format der Beteiligung eine bundesweite Debatte zum Umgang mit Desinformation anzustoßen. Mehrere Hunderttausend Bürger brachten online Ideen ein und stimmten über Vorschläge ab, die ein Bürgerrat diskutiert und zur Wahl gestellt hatte. Im September werden sie in aufbereiteter Form Bundesinnenministerin Nancy Faeser übergeben. Danach gehen sie in den Bundestag.

Bergisch Gladbacher ist eines von 120 Mitgliedern

Eines der 120 Mitglieder des Bürgerrats ist der Bergisch Gladbacher Arne Feldmann. In seinem Beruf ist er Leiter des Ordnungs-, Gewerbe- und Standesamts sowie des kommunalen Ordnungsdienstes in Wermelskirchen. Nicht gerade wenige Aufgaben. Und trotzdem zwei lange Wochenenden in Berlin und drei sechsstündige Online-Sitzungen zu Fake News? „Die Zeit habe ich mir einfach genommen“, sagt er. „Wann hat man schon mal die Möglichkeit, bei so einer völlig neuen Form von demokratischer Beteiligung mitzumachen?“

Mit demokratischer Beteiligung hat Arne Feldmann Erfahrung. Lange war er sachkundiger Bürger für die FDP-Ratsfraktion in Bergisch Gladbach. „Aber das hier war völlig anders“, sagt er, „und eine unglaublich tolle Erfahrung.“

15 Vorschläge und 28 Maßnahmen sind das Ergebnis des Forums. Dazu gehören zum Beispiel die Schaffung einer zentralen Stelle für Desinformation, die Aufnahme von Medienkompetenz in die Lehrpläne, die Entwicklung von Technologien zur Kennzeichnung von Falschmeldungen und die Verpflichtung der Plattformen zu deren effektiver Bekämpfung. Aber auch ein Fake News-Quiz „Wahr oder falsch“ ist dabei und – durchaus brisant – ein Desinformationsranking zu Aussagen von politischen Akteuren.

Viel Fingerspitzengefühl in Sachen Meinungsfreiheit

„Meinungsfreiheit ist eines unserer höchsten Güter“, sagt Arne Feldmann. „Das Thema braucht daher viel Fingerspitzengefühl.“ Häufig ist es eine Gratwanderung: Was ist noch Meinungsfreiheit, was schon Verbreitung von Fake News? Selten ist es so klar wie bei den aufgedeckten 50 000 gefälschten Nutzerkonten auf der Onlineplattform X, die mehr als eine Million deutschsprachiger Tweets verbreiteten: eine massive Kampagne aus Russland, um Unmut gegen die Ampel-Regierung zu schüren. Aber selbst wenn es klar ist – was dann?

Hier setzte die Arbeitsgruppe an, in der Feldmann mitarbeitete. Herausgekommen ist der Vorschlag: „Prüfung einer strafrechtlichen Verfolgung und/oder Sanktionierung der Verbreitung von Desinformation.“ Als Volljurist weiß er, dass das eine komplexe Sache ist. „Wenn am Ende gesagt wird, das ist juristisch nicht möglich, ist das für mich völlig ok“, sagt er. „Über die Umsetzung haben wir uns hier weniger Gedanken gemacht. Das ist Aufgabe der Politik.“

Austausch mit unterschiedlichen Beteiligten

Was Feldmann am Format des Forums besonders fasziniert hat, war der intensive Austausch mit den sehr unterschiedlichen Beteiligten. „Sich mit den Gedanken, die jeder einzelne – vom Professor bis zum ungelernten Hilfsarbeiter – hat, zu beschäftigen, das hat es für mich sehr spannend gemacht.“

Nicht nur die Mitglieder des Bürgerrates, auch die vielen anderen, die sich online mit dem Thema beschäftigt haben, werden in Zukunft (noch) genauer hinschauen, ob das, was sie lesen, tatsächlich sein kann. Das Bewusstsein, wie wichtig es ist, sich und andere vor Fehlinformationen zu schützen, ist nochmal deutlich gestiegen.

„Ich glaube, das Format ist für bestimmte Themen der richtige Weg“, sagt Arne Feldmann. Es könne Politik nicht ersetzten, aber das wolle es auch gar nicht.

Was es erreicht, ist außer den konkreten Vorschlägen auch ein gelebtes Demokratieverständnis, in dem jeder eine Stimme hat und einen Beitrag für eine bessere Gesellschaft leisten kann.