AboAbonnieren

ProzessBergisch Gladbacher Jugendgericht gibt 20-jährigen Geldwäscher nicht auf

Lesezeit 3 Minuten
Bei Whatsapp treiben immer wieder Betrüger ihr Unwesen.

Bei Whatsapp treiben immer wieder Betrüger ihr Unwesen.

Hopfen und Malz verloren? Nicht bei einem 20-Jährigen mit familiären Problemen, entscheidet das Bergisch Gladbacher Jugendschöffengericht.

Es sind denkwürdige Minuten, als Jugendschöffenrichter Ertan Güven auf den 20-jährigen Angeklagten wie auf einen kranken Esel einredet. Doch passt der Vergleich nur teilweise, gelten Esel doch nicht nur als störrisch, sondern auch als dumm. Dagegen ist John B. (Name geändert) ein intelligenter junger Mann. John, in Deutschland geborenes Kind von Einwanderern, hat sich an Whatsapp-Betrügereien beteiligt, sein Konto zur Verfügung gestellt, damit fiese Hinterleute ahnungslose Betrugsopfer abzocken.

John B. hat sich der Geldwäsche in acht Fällen schuldig gemacht. Was tun mit dem jungen Mann, der die ersten Jahre seines Lebens recht geradlinig unterwegs war, Gesamtschule und Berufskolleg in Bergisch Gladbach besucht hat? Der schon einmal zu Sozialstunden verurteilt worden ist? Ihn aufgeben nach dem Motto: Aus dem wird eh nichts mehr?

Im Jugendstrafrecht geht es um Erziehung, nicht um Strafe

John hat, beraten von seinem Strafverteidiger Dr. Karl-Christoph Bode, sechs der acht ihm vorgeworfenen Fälle gestanden. Vor den Plädoyers kommt die Jugendgerichtshilfe zu Wort, und die muss sich bei 18 bis 21 Jahre alten Heranwachsenden auch zu der Frage Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht äußern.

Im Jugendstrafrecht geht es um Erziehung, nicht um Strafe, was gelegentlich für Unverständnis wegen vermeintlich zu lascher Urteile sorgt. Aber wenn Erziehung noch helfen kann, jemanden aus der Gosse zu holen – wer sollte dann daran zweifeln?

Die große Schwester sitzt im Zuschauerraum

Die Jugendgerichtshelferin sagt, der junge Mann sei schon so reif wie ein Erwachsener. Also Erwachsenenstrafrecht. Allerdings ist das Gericht nicht daran gebunden. Im Publikum sitzt eine junge Frau: Johns große Schwester. Aus ihren Worten und denen der Jugendgerichtshilfe fügt sich ein Bild der Familie zusammen.

Die Eltern kamen vor Jahrzehnten aus Südasien nach Deutschland. Vier Kinder haben sie, zwei Jungen, zwei Mädchen. John ist der zweitälteste. „Für unsere kleine Schwester ist er das absolute Vorbild, sie schaut zu ihm auf“, sagt die große Schwester. Mit dem Vater hat er dagegen gebrochen, ist für ihn nicht mehr erreichbar.

Wo willst du hin? Was willst du aus deinem Leben machen?
Richter Ertan Güven zum Angeklagten

In diese Situation kommt der Appell des Richters: „John, wo willst du hin? Was willst du aus deinem Leben machen?“ Der junge Mann, der sich von Jobs finanziert, antwortet kleinlaut, dass Beruf und Familie etwas Schönes wären. Der Richter setzt nach: „Dann verplemper' nicht die Zeit. Es ist dein Leben, das du kaputtmachst!“ Wenn er eine Familie gründen wolle, dann sei ein richtiger Beruf eine gute Sache, damit er den Kindern auch einmal etwas schenken könne.

Ertan Güven: „Du bist klug und du hast Talent!“ Und er sei das große Vorbild für die kleine Schwester: „Was man tut, zählt, nicht was man sagt!“ Der Richter gibt dem jungen Mann überdies zu bedenken, dass sein Vater wahrscheinlich auch nur das Beste wolle, es vielleicht aber nicht optimal hinbekomme, weil er selbst es woanders und anders gelernt habe.

Güven schließt: „Ich kann dir helfen – wenn du es willst.“ John will.

Das Urteil: Für ein halbes Jahr nimmt ein professioneller Betreuer John an die Hand, sagt ihm, wo es lang geht. Außerdem werden 9300 Euro Beute eingezogen und an das Opfer zurückgezahlt.