Zwei Bergischer Gladbacher erzählen von ihrer Motivation, sich als Wahlhelfer zu engagieren und was am Wahltag alles zu ist.
DemokratieDas kann bei der Europawahl schiefgehen – Bergisch Gladbacher Wahlhelfer erzählen
Ohne Wahlhelfer gebe es keine Wahlen. Und die nächste Wahl steht an: die Europawahl am 9. Juni mit nationalen Abstimmungen. Herbert Kurek (72) und Anne Stößel (16) sind zwei von insgesamt 900 ehrenamtlichen Helfern, die in 74 Wahllokalen in Bergisch Gladbach sitzen werden: Beiden ist es wichtig, die Demokratie mitzugestalten. Sie erzählen, was alles zu tun ist und was, alles schiefgehen kann.
Herbert Kurek musste nicht gefragt werden und folgte keinem Aufruf, als er sich sofort nach seiner Pensionierung für die NRW-Landtagswahl 2017 anmeldete. Er arbeitete viele Jahre im Bundesinnenministerium, berichtet er, „dem Verfassungsministerium, wenn Sie so wollen“. Da war es nicht weit zum Wahlhelfer.
„Wahlen sind für mich die Grundlage einer Demokratie. Da kann man schon mal einen Sonntag opfern für eine gute Sache“, sagt er, „Demokratie ohne Demokraten geht nicht.“
Die Wahlhelfer stellen Wahlkabinen auf, haken Namen ab, verteilen Stifte, beantworten Fragen, zählen Stimmen. Frank Bodengesser, Leiter des Wahlbüros Bergisch Gladbach, erwartet, dass wieder die Hälfte der Gladbacher Briefwahl machen werden. Und auch ihre Zettel aus 57 Briefwahlbezirken müssen gesichtet werden: Das Auszählzentrum befindet sich diesmal in der Integrierten Gesamtschule Paffrath.
84.925 Bürgerinnen und Bürger sind bei der Europawahl in Bergisch Gladbach wahlberechtigt. 2019 lag die Wahlbeteiligung in der Stadt bei 65 Prozent. „Aber ich weiß nicht, ob wir das erreichen“, ist Bodengesser skeptisch. Bei vielen Bürgern läuft die Europawahl immer noch unter dem Radar.
Anne Stößel wollte immer schon gerne wählen gehen. „Da ich spät im Jahr Geburtstag habe, hatte ich mich schon so geärgert, dass ich nächstes Jahr bei der Bundestagswahl nicht mitwählen darf.“ Politisch interessiert, habe sie am Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium den SoWi-Leistungskurs belegt. „Umso mehr habe ich mich gefreut, dass ich mit 16 bei der Europawahl mein Kreuz setzen darf.“
Als dann ihre Mutter meinte, wenn man wählen darf, darf man auch Wahlhelfer werden, habe sie sofort eine E-Mail ans Wahlbüro geschrieben: „Wahlhelfer muss es ja geben, sie sorgen dafür, dass die Demokratie funktioniert.“ Viele aus ihrer Stufe hätten sich ebenfalls registriert.
Das sogenannte Erfrischungsgeld – Wahlvorsteher bekommen 70 Euro, Beisitzer 50 Euro als Aufwandsentschädigung – sei nicht ihr Hauptmotiv, auch wenn sie als Schülerin das Geld natürlich gut gebrauchen könne. Für ihren ersten Einsatz ist sie im Wahllokal in der Grundschule An der Strunde in der Innenstadt als Beisitzerin zugeteilt – zufällig im gleichen Team wie ihre Schwester. Sie sei schon sehr gespannt, zu erleben, wie eine Wahl von vorne bis hinten ablaufe. Auf die Regeln wird sie noch, wie alle anderen Wahlhelfer auch, in einer einstündigen Schulung vorbereitet.
Beim Zählen bleibt die Tür offen
Wie wohl jeder Wahlhelfer, freut sich Anne Stößel auf den ersten Wähler, der durch die Tür kommt. Spannend sei für sie vor allem die Auszählung. „Ich finde es sehr interessant, wie meine Heimatstadt wählt“, sagt sie. Als Kind habe sie schon einmal bei einer Zählung zugeschaut. Denn um 18 Uhr schließt das Wahlbüro nicht im wörtlichen Sinne. „Die Tür bleibt offen, weil die Auszählung öffentlich ist“, weiß sie.
Kurek ist inzwischen Wahlvorsteher, schaut immer noch, dass keiner zweimal kommt, dass alle alleine in die Kabine gehen. Das sei manchmal ein bisschen schwierig, etwa weil einige Wähler ihre Kinder gerne mitnehmen möchten oder die Großmutter begleitet werden soll. „Da muss man sensibel vorgehen“, sagt Kurek. Es müsse sichergestellt sein, dass die Wahl geheim abgehalten werde.
Kommunalwahl, Bundestagswahl, Landtagswahl, Europawahl – wie viele Abstimmungen hat er schon begleitet? Kurek zählt nach. „Die Europawahl ist meine neunte Wahl.“
Die Helfer arbeiten zu viert in zwei Schichten
Für ihn als Wahlvorstand geht die Arbeit schon am Freitagabend vor der Wahl los. Er holt im städtischen Wahlbüro an der Scheidbachstraße den Koffer mit den Wahlunterlagen ab, die er sicher aufbewahren muss. „Am Sonntag geht es dann früh los, um 8 Uhr muss alles fertig sein“. Einige in seinem siebenköpfigen Team kennt er schon von vorherigen Wahlen.
Deshalb sei es auch nie langweilig. „Wenn gerade keiner kommt, können wir uns ja unterhalten.“ Es gibt Kekse und jedes Wahlteam bekommt eine Kaffeemaschine mit, sagt Bodengesser. Die Helfer arbeiten zu viert in zwei Schichten. Abends kommen aber alle zum Zählen zusammen.
Seine Wähler kennt Kurek als erfahrener Wahlhelfer genau. Da sind die, die direkt nach der Kirche oder nach dem Mittagessen ins als Wahllokal umfunktionierte Klassenzimmer in die Grundschule Hebborn kommen: „Das sind die meisten“, stellt Kurek fest. Und kurz vor Schluss, bilde sich manchmal noch eine kleine Schlange, vor allem bei gutem Wetter.
Manche Wähler kommen auf den letzten Drücker
„Ich hatte mal so einen Fall, da preschte noch einer auf den allerletzten Drücker rein.“ Der Mann sei zwar noch auf der Treppe gewesen, als es bereits 18 Uhr war. Aber weil er schon im Gebäude gewesen sei, habe er noch hereingelassen werden können.
Bodengesser als Wahlleiter wird wohl immer in Erinnerung bleiben, dass vor vielen Jahren mal ein Wahlvorstand den Koffer mit den Stimmzetteln und Wählerverzeichnissen in den Kurzurlaub mit nach Holland genommen hatte: „Am Wahlsonntag rief er ganz früh am Morgen an, er habe verschlafen.“ Ganz schnell sei ein neuer gepackt und ins Lokal gefahren sowie ein Ersatzmann organisiert worden: „Alles noch rechtzeitig bis 8 Uhr.“
Manche Städte suchen jetzt, so kurz vor der Wahl noch nach Wahlhelfern. In Bergisch Gladbach gibt es damit kein Problem. Wer einmal da war, bleibt, so wie Herbert Kurek, der auf jeden Fall bei der Bundestags- und Kommunalwahl in 2025 wieder dabei sein möchte. Und mit jungen Leuten wie Anne Stößel gibt es keine Nachwuchsprobleme. „Freundinnen haben sogar eine Absage bekommen, weil genug Wahlhelfer verpflichtet wurden“, erzählt die Schülerin.