Die IG Kindertagespflege in Bergisch Gladbach fühlt sich auch finanziell nicht gleichrangig zu Kitas behandelt.
BetreuungTageseltern in Bergisch Gladbach fordern Mitsprache und Anerkennung
Oft wenig beachtet, aber wertvoll: Die Kindertagespflege spielt in Bergisch Gladbach eine wichtige Rolle in der Betreuungslandschaft. Dennoch beklagen Tageseltern, dass die Stadtverwaltung sie nicht ernst nimmt. „Wir wollen auf Augenhöhe mit der Stadt sprechen. Aber das ist ein echter Kampf“, sagt Jenni Löllgen von der IG Kindertagespflege. Zwei Punkte sind den Tagesmüttern oder -vätern wichtig: Sie wollen ein Mitspracherecht bei den Planungen und finanziell an den Erhöhungen der Kindpauschalen beteiligt werden.
Laut Kinderbildungsgesetz NRW (KiBiz) ist die Kindertagespflege eine gleichwertige Alternative zur Kita. Doch die Realität in Bergisch Gladbach sehe anders aus. „Wir haben im Jugendhilfeausschuss keine Stimme. Darin sehen wir eine klare Verletzung der gesetzlich festgeschriebenen Gleichrangigkeit“, betont Sarah Heller, ebenfalls Sprechern der IG Kindertagespflege. „Wenn wir nicht präsent sind, werden wir von der Öffentlichkeit und der Politik nicht wahrgenommen“, ergänzt Heller.
Äußerung vom Dezernenten sorgt für Frust bei Tageseltern
Dabei ist die Stadt dringend auf die Tageseltern angewiesen, um den Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz zu erfüllen. Ohne sie wäre es um die Kleinkindbetreuung in Bergisch Gladbach schlecht bestellt. „Wir sind ein fester und wichtiger Bestandteil der Kinderbetreuung in der Stadt“, sagt Löllgen. Rund ein Drittel der unter dreijährigen Kinder werden in Bergisch Gladbach in der Kindertagespflege betreut.
Deshalb sorgte eine Äußerung von Dezernent Ragnar Migenda in der letzten Sitzung des Jugendhilfeausschusses vor den Sommerferien für Frust und Unverständnis bei der IG. Als Tino Symanzik (SPD) das Thema eines beratenden Sitzes, ohne Stimmrecht, für die IG aufbrachte, sagte Migenda: „Ich wage es zu bezweifeln, dass eine Mitsprache der IG Kindertagespflege zu einer höheren Qualität im Ausschuss führen wird.“ Heller und Löllgen saßen im Zuschauerraum: „Das war wie ein Schlag ins Gesicht.“
Politik muss über Sitz im Ausschuss entscheiden
Migenda bedauert auf Nachfrage sehr, wenn seine Ausführung missverstanden wurde. Sie sei im Gegenteil positiv gemeint gewesen. Denn nach seiner Wahrnehmung, behandele der Jugendhilfeausschuss, dank der dort anwesenden verschiedensten Vertreter aus Politik und Verwaltung, bereits auf höchsten Niveau alle sozial relevanten Themen, Kinder und Jugend betreffend: „Schon jetzt sehe ich daher die Interessen auch der Kindertagespflege in dem Ausschuss sehr gut abgebildet, was ja auch die lebhafte Diskussion dazu deutlich widerspiegelte.“
Die SPD kündigte für eine der nächsten Sitzungen einen formellen Antrag an, mit dem Vorschlag, die IG Kindertagespflege an den Sitzungen zu beteiligen. Die Politik muss dann darüber entscheiden – Ausgang offen.
Die Kindertagespflege funktioniert so ähnlich wie ein Mini-Kindergarten. Nur sind die Kinder in der Regel zwischen einem und drei Jahren. Und die Gruppen sind viel kleiner: in der Tagespflege mit einer Tagesmutter bis zu fünf Kindern, in der Großtagespflege mit zwei Betreuern bis zu neun Kindern. „Die Kinder haben feste Bezugspersonen, die immer da sind. Und wir sehen jedes einzelne Kind ganz genau. Mit den Eltern bestehe eine enge Erziehungspartnerschaft“, erläutert Heller die Vorteile der familiennahen Betreuung.
„Tageseltern erfüllen den gleichen Bildungs- und Erziehungsauftrag wie Fachkräfte in Kitas“, betont Löllgen. Deshalb bemängelt die IG, dass Tagespflegepersonen anders als Kitas nicht von der jährlichen Erhöhung der Kindpauschalen profitieren. „Die Bezahlung der Tageseltern stagniert, während die Kosten für Miete, Lebensmittel, Energiekosten in den vergangenen Jahren massiv gestiegen sind“, stellt Löllgen fest.
Neue Satzung sieht keine höheren Pauschalen vor
Andere Kommunen wie Rösrath oder Overath würden das Kindertragesspflegeentgelt um die Fortschreibungsrate erhöhen, hat sich die IG Kindertagespflege informiert. Die neue Satzung zur Kinderförderung in Bergisch Gladbach sieht dagegen nicht vor, sich bei der Förderung pro Kind an den Steigerungsraten der Pauschalen gemäß KiBiz zu orientieren (siehe Infokasten).
Und ein weiteres Thema liegt den Tageseltern auf dem Herzen: Im Moment gibt es zu wenige Kita-Plätze für Kinder ab drei Jahren und zu viele für Kinder ab zwei Jahren. Das führe dazu, dass Kitas Eltern von Zweijährigen abwerben, obwohl sie bereits in der Kindertagespflege angemeldet sind. „Die Eltern haben Angst, dass sie ein Jahr später keinen Platz in der Kita bekommen, wenn ihr Kind drei ist“, berichtet Löllgen. Die Folge sei, dass immer mehr Plätze in der Kindertagespflege zeitweise nicht besetzt seien.
Die Festlegungen zur Anzahl der Kinder über drei Jahre und unter drei Jahre in den Kitas könne nicht aufgehoben werden, stellt das Jugendamt klar. Die KiBiz Gruppenformen seien gesetzlich verankert und schrieben verpflichtend vor, wie viele Kinder in welchem Alter maximal betreut werden könnten. Aus Sicht des Jugendamtes wäre aber eine Aufhebung der Differenzierung ebenfalls wünschenswert: Die Bedarfe aller Beteiligten wären besser zu vereinbaren.
„Die Stadt muss uns schützen“, sagt Heller, „denn wir lieben unseren Beruf und üben ihn mit viel Herzblut aus.“ Aufgeben sei deshalb keine Option: „Wir werden weiter kämpfen. Die Tagespflege ist unser Lebenswerk“, meint Löllgen.
Neue Satzung liegt noch nicht vor
Die überarbeitete Satzung zur Kinderbetreuung sei aktuell noch in der Abstimmung, teilt das Jugendamt auf Anfrage mit. Deshalb könne keine Stellung bezogen werden, wie hoch die jährliche Förderung pro Kind für Tageseltern künftig aussehe: „Definitiv wird aber nicht vorgeschlagen, sich dabei an den prozentualen Steigerungen der KiBiz-Pauschalen zu orientieren“, heißt es.
Die Verwaltung gibt ein Beispiel für die aktuelle Vergütung: Kindertagespflegeperson mit 4 Kindern; alle 25 Stunden Betreuungszeit. Die Tagespflegeperson erhält eine Förderleistung in Höhe von 31.651 Euro. Hiervon sind 12.000 Euro eine steuerfreie Sachkostenpauschale, somit liegt das zu versteuernde Einkommen bei 19.651 Euro. Zusätzlich erhält die Kindertagespflegeperson eine 50-prozentige Erstattung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung sowie zur Altersversorgung. In diesem Beispiel 5.301 Euro. Das Essensgeld wird den Eltern zusätzlich berechnet.
Die Kindertagespflegepersonen sind, betont die Verwaltung, in der Planungsgruppe Tagesbetreuung für Kinder im Rahmen der Beteiligung der freien Träger der Jugendhilfe eingebunden. Zudem gebe es einen regelmäßigen Informationsaustausch zwischen den Fachberatungen des Jugendamtes und den Kindertagespflegepersonen. Die Kitas werden im Jugendhilfeausschuss zusätzlich repräsentiert durch ihre Träger. (ub)