Seit Monaten fallen Rehe auf dem Gronauer Friedhof über frische Gedenkkränze und Grabpflanzen her. Die Jagd ist die letzte Option.
FuttersucheProblem-Rehe fressen Gräber auf Friedhof in Bergisch Gladbach kahl

In Bergisch Gladbach sorgen Rehe für Ärger, die auf dem Gronauer Friedhof Grabpflanzen abfressen.
Copyright: Uta Böker
Frische Rosen mögen sie am liebsten. Blumen fressende Rehe sorgen seit Monaten auf dem Gronauer Friedhof in Bergisch Gladbach für viel Ärger. Tag für Tag fallen sie über frische Grabgebinde und von Trauernden abgelegte Blumengebinde her: „Übrig bleiben nur ein paar zerfledderte Stängel“, ärgert sich Tillmann Schroer, Friedhofsgärtner aus Refrath. Das Friedhofsamt sucht noch nach einer Lösung. Die Jagd ist die letzte Option.

Sogar giftige Eiben knabbern die Rehe an. Friedhofsgärtner Tillmann Schroer weiß nicht mehr, was er seinen Kunden raten soll.
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Schon lange gilt der Ort der Stille als Tummelplatz für Rehe. „Wir hatten schon den ganzen letzten Winter damit zu tun“, erzählt Schroer. Die Herde besteht aus vier Tieren. Auch an diesem sonnigen Tag sind die Blütendiebe schon morgens früh unterwegs. Zuerst halten sie sich hinten im alten Teil des Friedhofs auf, der zur katholischen Kirchengemeinde St. Laurentius gehört, und fallen dort über die Gräber her. „Kommt Publikum verkrümeln sie sich“, erzählt Schroer auf dem Weg dorthin. So ist es auch diesmal. Aufgescheucht in ihrer Ruhephase, verzieht sich das Quartett in den neuen Teil des Friedhofs.
Es ist ein trauriger Anblick, zeigt ein Rundgang. Viele Gräber geben ein Bild der Zerstörung ab. Die Rehe machen sich nicht nur über ihre Lieblingsblumen, die Rosen, her, sondern auch über Stiefmütterchen, Primeln, Tulpen und alle anderen Frühjahrsblumen. Dabei trampeln die „Grabräuber“ auf den letzten Ruhestätten herum. Die zweizehigen Hufspuren sind eindeutig. Tief eingedrückt in die weiche dunkle Erde gleichen die Gräber einem umgepflügten Acker. Frische Blumen in Vasen oder in Schalen sind zerrupft, die Blütenköpfe abgebissen.
Die aus dem Erdreich herausgerissenen Wurzelballen liegen auf den Wegen herum. Auf einem Grab steht von einem Ahorn-Bäumchen nur noch ein kahles Stöckchen. Gleich daneben: Abgeknabbert bis auf ein paar dünne Säulchen die Rinde einer Hängelärche. Einige Grabbesitzer haben ihre bepflanzten Schalen mit einem Drahtgitter eingezäunt.

Die vierbeinigen Blütendiebe sind inzwischen heimisch geworden auf dem am Gierather Wald gelegenen Friedhof.
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Die vierbeinigen Diebe kommen aber nicht nur nachts zum Fressen auf den Friedhof. „Sie haben sich dort regelrecht eingenistet“, sagt Nollen. Sie sind dort heimisch geworden. Schließlich bietet der verwinkelte Waldfriedhof ausreichend Deckung im Unterholz.

Von frischen Blumensträußen bleiben nur die Stängel zurück.
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„Jeden Tag finden die Rhe hier einen reichlich gedeckten Tisch vor“, sagt Schroer und fordert das Friedhofsamt auf, endlich gegen die Plage vorzugehen. Das Ganze habe eine Dimension angenommen, die nicht mehr tragbar sei. Eine Friedhofsbesucherin sagt: „Ich stelle nur noch künstlichen Blumenschmuck auf.“ Das sei schade, gerade jetzt im Frühling: „Ein Friedhof ist für Angehörige ein friedlicher Ort des Gedenkens an Verstorbene und sollte kein Ort des Ärgers sein.“
Letzte Woche hat Schroers Gärtnerei ein Grab neu bepflanzt: „Am Tag drauf waren alle Blütenköpfe ratzekahl abgefressen.“ Eine andere Kundin habe nicht glauben können, was sie sah, als sie einen Tag nach der Beerdigung vor dem Grab ihres Mannes stand: Die Gedenkkränze kahl gefressen, das Grab verwüstet. Sie dachte zuerst an Vandalismus. „Es sah aus, als habe eine Bombe eingeschlagen“, berichtet Schroer.

Die Spuren sind eindeutig: Die Rehe zertrampeln bei der Futtersuche auf dem Friedhof die Gräber.
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„Wir wissen nicht mehr, was wir pflanzen sollen“, sagt der Friedhofsgärtner. Auch auf Bodendecker wie Kirschlorbeer seien die Rehe ganz wild. Sogar die giftige Eibe stehe auf dem Speisezettel der Problem-Rehe: „Kein Tier geht da sonst ran“, weiß Schroer. Von Eisbegonien hielten sich sogar Schnecken fern, nur die Rehe hätten sie zum Fressen gern. Seinen Kunden rät er, bei der Stadt Bergisch Gladbach Schadensersatz einzufordern.
Aber wie kann man die Tiere zurück in die freie Wildbahn bekommen? „Die Entscheidung darüber wird mit dem zuständigen Jagdverantwortlichen vor Ort abgestimmt“, sagt Nollen, ohne konkrete Maßnahmen zu nennen. Nur so viel: „Die Jagd ist die letzte Option.“
„Der Anmut und Liebreiz der Rehe ist schön anzusehen“, meint Schroer zum Abschied, „aber der Friedhof ist einfach der falsche Ort.“
Festmahl auf dem Friedhof
Wie viele Gräber von dem Kahlfraß betroffen sind, kann Christian Nollen, Leiter von Stadt-Grün, nicht konkret sagen: „Nicht jeder Schaden wird der Friedhofsverwaltung bekannt gemacht. Und nicht jeder Schaden ist tatsächlich von Rehen verursacht.“ Etwa 4000 Grabstellen gibt es auf dem 39,9 Quadratmeter großen Gronauer Friedhof, der am Refrather Weg liegt. Der Waldcharakter biete ausreichend Rückzugsorte für die Tiere.
Das Futterangebot auf einem Friedhof sei durch die Bepflanzung mit Blühpflanzen attraktiver als im Wald. Die Errichtung des Wildzaunes gegen die Wildschweine habe dafür gesorgt, dass um den Lebensraum „Friedhof“ keine Konkurrenz mehr bestehe, erläutert Nollen. Zudem sei der direkt angrenzende Gierather Wald durch Spaziergänger, Hundehalter und Sportler für die Rehe zu einem störanfälligen Raum geworden.
Bei der Wildschweinplage 2022 hatte die Untere Jagdbehörde des Kreises die Jagd auf dem Gierather Friedhof aus Sicherheitsgründen abgelehnt. Jetzt bestehe, laut Nollen, eine andere Ausgangssituation: „Die Wildschweine haben sich nicht wie die Rehe auf dem Friedhof angesiedelt, sondern sind nur zur Futtersuche gekommen.“ Auf anderen Friedhöfen im Stadtgebiet seien keine dauerhaften Ansiedlungen von Wildtieren bekannt.