Bergisch GladbachBei der Baustelle Schnabelsmühle stiegen die Kosten um 120 Prozent
Bergisch Gladbach – Vor einem Jahr führte der Gladbacher Umwelt- und Verkehrsausschuss eine Liste mit jenen Baumaßnahmen ein, die aus dem Ruder laufen: Wer zehn Prozent bei den Kosten über Soll ist und drei Monate hinter dem Zeitplan hinterherhinkt, landet in diesem Verzeichnis, das derzeit zwölf Sorgenkinder umfasst.
Spitzenreiter ist derzeit die Baustelle Schnabelsmühle mit Überziehung des Ursprungskostenanschlags von 120 Prozent.
FDP-Fraktionschef Jörg Krell, dem inoffiziellen Oppositionssprecher im zersplitterten Gladbacher Rat, sagte, ihm stünden die Haare zu Berge über „diesen erschreckenden Umfang der Kostenüberschreitungen“: 50 bis 120 Prozent Kosten über Plan seien „nicht nur ein Problem des Controllings, sondern greifen massiv in die Entscheidungshoheit des Rates ein“, rügte er am Dienstag im Ausschuss. „Wir treffen hier Entscheidungen, ohne über die notwendigen Voraussetzungen in Form von verlässlichen Kostenbestimmungen zu verfügen.“
Zahlen sind nicht haltbar
Im wörtlichen Sinn bedeutet dies tatsächlich: Sie wissen nicht, was sie tun. Ein verbindlicher Kostenvoranschlag muss bezahlt werden. Um diesen bezahlen zu können, ist ein Maßnahmenbeschluss fällig.
Also wird die Maßnahme beschlossen, bevor man weiß, was sie kostet. Auf dem Tisch liegen in der Regel nur vage Schätzungen des Fachamtes, nach dem Muster „Quadratmeter mal Preis plus Sonnenschein“, wie Abwasserchef Martin Wagner einräumte.
In seinem Revier wird am meisten Geld ausgegeben, und dort schießen die Kosten am stärksten durch die Decke. „Ich finde es auch nicht schnuckelig, hier mit Zahlen aufzutreten, die nicht haltbar sind“, betonte er.
Das von der Politik erneut geforderte zweistufige Verfahren, bei dem zunächst ein Auftrag für eine saubere, rechtsverbindliche Kostenschätzung erteilt wird und darauf basierend erst der eigentliche Maßnahmenbeschluss, laufe bei ihm offene Türen ein.
Das ergibt allerdings nur Sinn, wenn man bereit ist, das Geld für den Kostenvoranschlag auch mal in den Kamin zu schreiben und auf das Projekt zu verzichten, wenn es zu teuer kommen sollte. Das war bislang offenbar keine Option.
Doch auch die ausgefuchsteste Kalkulation hätte vermutlich das Desaster bei Strunde hoch vier nicht vermeiden können.
Insgesamt liegt die Großbaustelle, die seit einem Jahr die Innenstadt lahmlegt, bereits 2,9 Millionen Euro über dem Soll. Mehr als zwei Millionen Euro des Mehrbetrags sind den Verzögerungen durch die Belkaw an der Odenthaler Straße und den Altlastenfunden auf dem ehemaligen Zandersgelände an der Schnabelsmühle geschuldet.
Bei der Belkaw hatte die Stadt angekündigt, die Zusatzkosten oder eine ansehnliche Beteiligung daran juristisch einzufordern.
Das Versorgungsunternehmen war durch den hohen Grundwasserspiegel bei der Anlage von Baugruben unmittelbar am Strundeufer überrascht worden – nicht nur die Stadt hält einen solchen „Überraschungseffekt“ an dieser Stelle für die Auswirkungen einer unzureichenden Vorbereitung.
Im Ausschuss wurde bekannt, dass nun auch die Firma Zanders zur Kasse gebeten werden soll. „Wir haben einen anwaltliche Schriftsatz vorbereitet“, berichtete Wagner im Ausschuss.
Es werde geprüft, ob man die Kosten für die Entsorgung der Altlasten beim Verursacher geltend machen könne. „Wie viel wir davon durchsetzen können, wird sich zeigen.“
Wie SPD-Ratsherr Michael Zalfen zu berichten wusste, sind inzwischen Planunterlagen aufgetaucht, die einen der „Hot Spots“ mit giftigen Kohlenwasserstoffen als Standort eines abgebrochenen Fabrikschlots zu identifizieren scheinen. Es handele sich also wohl um Verbrennungsschlacken, die einfach an Ort und Stelle im Boden belassen wurden.