Die Ausstellung in der Bundesanstalt für Straßenwesen zeigt, wie vier Frauen entscheidend Einfluss auf die Gleichberechtigung nahmen.
HistorieAusstellung in Bergisch Gladbach stellt die vier Mütter des Grundgesetzes vor
„Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ Dieser Satz klingt heutzutage selbstverständlich – zum Glück. Als er 1949 zum ersten Mal in Artikel 3, Absatz 2 zum ersten Mal im neu geschaffenen Grundgesetz festgeschrieben wurde, kam dies einer Revolution gleich. Es waren vier Frauen, die sich entscheidend für die Formulierung eingesetzt haben.
„Sie haben die Grundlage für eine gerechtere und gleichberechtigte Gesellschaft gelegt“, würdigt Professor Markus Oeser, Leiter der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) in Bensberg, das Engagement von Frieda Nadig, Elisabeth Selbert, Helene Weber und Helene Wessel in seiner Rede zur Eröffnung der Ausstellung „Mütter des Grundgesetzes“ in der Kantine.
Vor allem Elisabeth Selbert kämpfte gegen die Widerstände an
„Die Namen der vier Frauen stehen für den unermüdlichen Einsatz für die Rechte der Frauen in Deutschland. Ihre Vision und ihr Mut haben dazu beigetragen, dass Gleichheit und Gerechtigkeit im Grundgesetz verankert wurden“, betont Oeser. Selbert und Nadig, beide SPD, Weber (CDU) und Wessel (Zentrum) waren die vier einzigen weiblichen Abgeordneten des 64 Mitglieder umfassenden Parlamentarischen Rates.
Das Gremium tagte von September 1948 bis Juni 1949 in Bonn, um ein Grundgesetz für einen neuen westdeutschen Staat auszuarbeiten. In dem Übergangsparlament, kämpfte vor allem die Juristin Elisabeth Selbert gegen alle Widerstände für die Aufnahme des kurzen, aber bedeutsamen Satzes in das Grundgesetz der zukünftigen Bundesrepublik Deutschland. Die beiden Vertreterinnen der bürgerlichen Parteien mussten erst überzeugt werden.
Der Boden, auf dem Frauenleben in Deutschland heute stattfindet, ist immer noch nicht vollkommen sicher. Aber er ist fester. „Es gibt noch viel zu tun“, stellt Anna Maria Scheerer (Grüne), erste stellvertretende Bürgermeisterin, in ihrer Ansprache fest und weist auf die immer noch schwierige Situation von Frauen hin, etwa in Bezug auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, zum Beispiel, weil es zu wenig Kita-Plätze gebe.
Auch verdienten diejenigen, die die Kinder bekämen, auch im Jahr 2024 oft noch deutlich weniger als ihre männlichen Kollegen. In Führungspositionen seien Frauen immer noch unterrepräsentiert. Das gilt auch für die Stadtverwaltung Bergisch Gladbach: Der Frauenanteil in Führungspositionen liegt bei 42 Prozent. Bei der BASt liegt er bei nur 25 Prozent, berichtet Oeser.
Unverheiratete Frauen hatten es damals besonders schwer
Scheerer gibt den rund 20 Zuhörern, die meisten sind Mitarbeiter der BASt, auch einen kurzen Überblick über die Verhältnisse, in denen die Frauen 1949 lebten. Die Frauen waren damals der Entscheidungsgewalt der Männer unterworfen. Sie hatten in etwa so viele Rechte wie Kinder gegenüber ihren Vätern oder Müttern.
Ohne das Einverständnis des Mannes durfte eine verheiratete Frau keinen Beruf ergreifen. Der Ehemann durfte alleine über das Vermögen entscheiden, auch über das der Frau. Unverheiratete Frauen hatten es besonders schwer. „Sie wurden oftmals als Mauerblümchen empfunden. Nicht selten drohte ihnen die Kündigung, sobald sich ein Mann auf ihre Stelle bewarb“, fügt Oeser hinzu.
Den Widerstand überwinden die Frauen mit Öffentlichkeitsarbeit
Selberts Vorschlag für die Formulierung des Gleichbehandlungssatzes scheiterte bei der ersten Abstimmung im Ausschuss am 30. November 1948. Stattdessen sollte es heißen: „Frauen und Männer haben die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten“, ein Satz, der die Gleichberechtigung eher auf staatsbürgerliche Akte wie Wahlen reduziert. Das Zivilrecht werde nicht berührt, kritisierte Selbert, sodass ein Ehe- und Familienrecht fortbestünde, welches die Frau hinsichtlich Arbeit, Wohnung und Eigentum weiterhin von den Entscheidungen des Mannes abhängig mache.
Den Widerstand überwindet Selbert mit Öffentlichkeitsarbeit, heute würde man das eine virale Kampagne nennen. Sie und ihre Mitstreiterinnen redeten mit der Presse, mobilisieren Frauenverbände, Frauenrechtlerinnen und Gewerkschaften, Eingaben zu schicken. Jetzt drehte sich die Stimmung im Rat.
Am 18. Januar 1949 kippte die Stimmung im Rat plötzlich
Keiner wollte derjenige sein, der die Frauen nicht zu ihren Rechten kommen lassen wollte. Schließlich waren Frauen damals nach dem Krieg in der Überzahl, was bei der anstehenden Bundestagswahl den Ausschlag geben könnte. Bei der entscheidenden Abstimmung am 18. Januar 1949 wird der Artikel 3 plötzlich von allen Fraktionen einstimmig angenommen.
Die ausführlichen Biografien von Frieda Nadig, Elisabeth Selbert, Helene Weber und Helene Wessel sowie eine Zusammenfassung über Gleichberechtigung und das Frauenwahlrecht sind nun in der Wanderausstellung auf 17 Stelltafeln in den Räumen der BASt in Bensberg nachzulesen. Die Ausstellung ist ein Angebot des Helene Weber Kollegs, erste bundesweite und parteiübergreifende Plattform für politisch engagierte Frauen.
Jeder Besucher bekommt in der Kanine der BASt etwas zu essen
Anlässlich der Preisverleihung des ersten Helene Weber Preises wurde die Ausstellung erstmals 2009 gezeigt. Jetzt ist sie in Bergisch Gladbach angekommen – auf Initiative von Franka Tauscher, Gleichstellungsbeauftragte der BASt. Ihre Stellvertreterin, Christiane Lube-Dax, freut sich bei der Eröffnung darüber, dass es gelungen sei, auch in Bergisch Gladbach zu zeigen, „was diese Frauen bewegt haben.“
Oeser würde sich freuen, wenn die Ausstellung viele Interessenten ins Gebäude der Bundesanstalt für Straßenwesen locken würde: „Hier kann man gut parken und in unserer Kantine kann jeder Besucher auch etwas zu essen bestellen“, sagt er zum Abschied.
Die Ausstellung „Mütter des Grundgesetzes“ in der BASt, Brüderstraße 53, ist bis 27. September, montags bis donnerstags, 10 bis 16 Uhr, geöffnet. Besucher erreichen die Kantine durch den Haupteingang, Anmeldung am Empfang. Der Eintritt ist frei.