„Journalisten mit Handicap“Gladbacher Verein hilft Menschen mit und ohne Behinderung
Bergisch Gladbach – Immer wieder wird davon gesprochen, dass Inklusion und somit Vielfalt gelebt werden soll. Doch wie funktioniert das eigentlich? Der Verein „Einfach gemeinsam e.V.“, der erst vor rund zwei Jahren gegründet wurde und im vergangenen Jahr sein Quartier auf der Bensberger Straße in Heidkamp bezogen hat, weiß, wie es geht, nämlich frei nach dem Motto: „Hilfe zur Selbsthilfe“.
Die Selbsthilfe beginnt schon damit, dass die Mitglieder von sich behaupten können, ihren Treffpunkt weitestgehend eigenständig renoviert zu haben. Ob alte Schaufensterscheiben aus Glas aus der Fassung zu schlagen oder Dämmwolle aus der Decke zu reißen waren, für nichts waren sie sich zu schade, damit sie sich über einen schönen und vor allem gemütlichen Vereinsraum freuen können. Sie, das sind rund 56 Menschen mit und ohne Behinderung oder chronische Erkrankung.
Im Erzähl-Café Geschichten und Anekdoten austauschen
Hilgedard Allelein und Jürgen Münsterteicher gehören zum Vorstand. Sie sind seit vielen Jahren in der Inklusionsarbeit eingebunden und vertraut damit, was einen Mehrwert für die Mitglieder mit und ohne die unterschiedlichsten Beeinträchtigungen hat.
Nicht nur gemeinsame Aktivitäten, sondern auch etliche Kurse und Selbsthilfegruppen finden regelmäßig für sie und mit ihnen statt: von Gedächtnistraining über Sportangebote, bis hin zum intuitiven Malen oder gemeinsamen Singen. Im Erzähl-Café beispielsweise werden Geschichten und Anekdoten aus dem Leben der Teilnehmer ausgetauscht, damit diese bewahrt werden und nicht in Vergessenheit geraten.
Projekt „Journalisten mit Handicap“
Neben den Kursen gibt es Selbsthilfegruppen, eine für pflegende beziehungsweise betreuende Angehörige und eine für Schwerhörige, die gerade im Oktober angelaufen ist. Die ist künftig dafür da, dass sich die Teilnehmer untereinander austauschen, mit der Beeinträchtigung umzugehen, denn Hörverlust und Tinnitus sind nicht selten. Alleine in Bergisch Gladbach selbst gibt es rund 9000 Betroffene. Bis Ende Januar werden sie vom Deutschen Schwerhörigenbund begleitet, danach soll jemand aus der Gruppe als Sprecher fungieren.
Ganz aktuell ist das inklusive Projekt „Journalisten mit Handicap“. Zusammen mit Medientrainer Andreas Schwann lernen die Teilnehmer, Radio zu machen. Acht angehende Reporter tüfteln an ihren Beiträgen zu dem Thema, das uns in der letzten Zeit wohl am allermeisten beschäftigt: Corona.
O-Töne fürs Radio
Bülent Aydinlioglu ist einer der Teilnehmer und hat überhaupt kein Problem damit, Menschen zu finden, die ihm auf seine Fragen Antworten geben. Er hat keine Hemmungen, auf Menschen zuzugehen, obwohl er sie gar nicht sehen kann, denn er ist vollkommen blind. Verursacht durch eine Erbkrankheit, wegen der er noch nie hundertprozentig sehen konnte, und die ihm vor zwölf Jahren das Augenlicht gänzlich nahm. Das ist für den 58-Jährigen aber längst kein Grund, sich die Freude am Leben und vor allem seinen Humor und die warme, herzliche Art nehmen zu lassen.
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„Wir sind Menschen, wir sollen kommunizieren“, ist sein Motto und sein Joker Blindenhund Balou, denn spätestens seinetwegen bleiben alle stehen, und er kommt ins Gespräch.
Sobald er die O-Töne für seinen Radiobeitrag im Kasten hat, geht es an die Bearbeitung der einzelnen Teile, die dann zu einem Endprodukt zusammengefügt werden müssen, das gesendet werden kann im Radio. Aydinlioglu braucht dafür ein Programm mit Sprachausgabe, muss mit den Tastenkombinationen vertraut sein – und hat ein verdammt gutes Gehör. Das verschafft ihm den Vorteil, dass er, wenn er schon nicht sehen kann, trotzdem weiß, was er gerade zusammenbaut.