Peter Schauerte-Lüke erschafft als Intendant, Schauspieler, Sänger, Theatertechniker und Beleuchter in einer Person immer wieder neue Welten.
FantasieweltenWipperfürther Papiertheater führt Tschechow-Komödie „Der Heiratsantrag“ auf
Iwan Lomow hat sich an diesem Tag extra herausgeputzt, er trägt Frack und hat Blumen mitgebracht. Denn er will heiraten, und zwar Natalia Stephanova, die Tochter des Gutsbesitzers Stepan Tschubukow, der zugleich sein Nachbar ist. Der Schwiegervater in spe ist hocherfreut. Als aber Iwan Lomow all seinen Mut zusammennimmt und seiner Angebeteten einen Antrag machen will, kommt es über Nichtigkeiten zum dramatischen Streit mit höchst turbulenten Szenen. Doch zum Glück gibt es ein Happy End mit Champagner.
„Der Heiratsantrag“ ist eine kleine Komödie von Anton Tschechow, geschrieben 1888, ein Jahr später in St. Petersburg uraufgeführt. Der russische Dramatiker und Erzähler, bekannt für ernste Stoffe wie „Der Kirschgarten“ und „Drei Schwestern“, lässt hier seinen spitzbübischen Humor aufblitzen. Zwar sind die Charaktere stark überzeichnet, das Stück erlaubt dennoch einen „tiefen Einblick in die russische, die menschliche Seele“, wie Peter Schauerte-Lüke findet.
Als Intendant, Schauspieler, Sänger, Theatertechniker und Beleuchter in einer Person erschafft der 73-Jährige mit seinem Papiertheater im Fachwerkhaus immer wieder aufs neue fantastische Fantasiewelten. Das Theater für den „Heiratsantrag“ und sämtliche Papiertheater-Figuren hat der 73-Jährige selbst entworfen, gezeichnet und gebaut.
Das Proszenium – jener vordere Teil des Theaters, den das Publikum bei geschlossen Vorhang zu Gesicht bekommt – ist eine bewusst roh zusammengezimmerte Collage, verziert mit den Köpfen berühmter Dramatiker wie Kleist und Shakespeare. Aus dem Dach schlagen Flammen empor. „Ich habe das Theater 2022 gebaut, als das Theater in der ukrainischen Stadt Mariupol im Krieg zerstört wurde“, erklärt Schauerte-Lüke. „Da kann ich doch keine heile Welt darstellen.“
Papiertheater wird fälschlicherweise oft nur als Kinderspielzeug gesehen
Papiertheater wird fälschlicherweise oft nur als Kinderspielzeug gesehen. Sicher, Peter Schauerte-Lüke hat auch Märchen im Programm, wobei er sich die Freiheit nimmt und den bekannten Stoffen gerne eine satirische Note gibt. Aber der Wipperfelder – er stammt ursprünglich aus Lübeck – beweist seit fast 50 Jahren, dass Papiertheater auch Erwachsene faszinieren kann. Er bringt echte Theaterkunst auf die Bühne, aber stets mit einem Augenzwinkern. Mögen die „Pappkameraden“ auf der Bühne steif wirken, mit seiner wunderbar wandlungsfähigen Stimme, zwischen brummelndem Bass und piepsigem Falsett, erweckt der Theatermacher seine Figuren zu Leben, oft unterstützt von seinem Sohn Massimo.
Im Sommerhalbjahr entfaltet das Papiertheater seinen Charme im verwunschenen Garten hinter dem kleinen Fachwerkhaus in Untermausbach, einem Örtchen, dass gerade mal eine Handvoll Häuser zählt. Im Herbst und Winter zieht die Bühne ins Wohnzimmer um. Weil dort maximal zehn Zuschauer Platz finden, empfiehlt sich eine vorherige Anmeldung per E-Mail oder Telefon.
Im Monat Oktober hat das Papiertheater im Fachwerkhaus neben dem „Heiratsantrag“ noch ein zweites Stück im laufenden Repertoire: „Bombastes Fourioso oder die verfluchte Kiefer von Loch Kathrine“, eine burlesque-tragische Oper mit komischen Liedern.
Das gut 200 Jahre alte Stück ist eine herrlich überdrehte Persiflage auf die amourösen Abenteuer des englischen Königs Georg IV, der auch dem Alkohol und dem Essen sehr zugetan war, wie sein Spitzname „Der Wal“ verrät, und zugleich eine Parodie auf den Opernbetrieb der Zeit, gewürzt mit Anspielungen auf „Orlando Furioso“, den „Rasenden Roland“. Doch man muss diese Bezüge nicht kennen, um einen höchst vergnüglichen Abend im wohl kleinsten Theater Oberbergs zu erleben.
Die nächsten Termine: „Der Heiratsantrag“ am 12., 13,. 26. und 27. Oktober; „Bombastes Furiouso“ am 19. und 20. Oktober. Beginn immer um 18 Uhr. Voranmeldung unter (01 60) 55 42 447, peterschauertelueke@gmail.com