Der Sänger der Prinzen gastierte in der "Alten Drahtzieherei" in Wipperfürth und führte drei Stunden lang durch sein Leben.
Sebastian KrumbiegelMit dem Junimond hinaus in die Februarnacht

Drei Stunden nahm Sebastian Krumbiegel sein Publikum mit durch sein Leben, das er mit vertonten Geschichten erzählte
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Es hat den Eindruck, als hätte Sebastian Krumbiegel nach Hause eingeladen, um sich in gemütlicher Runde auszutauschen. Dabei geht es auch um ungemütliche Themen, die der Sänger der Band „Die Prinzen“ auf seiner Solotour anspricht. Nach drei Stunden Programm haben sich die rund 150 Besucher in der „Alten Drahtzieherei“ in Wipperfürth eingerichtet. Der Sänger selbst fühlte am Piano sichtlich wohl. Es hätte für manchen auch noch ein bisschen langer gehen können mit der musikalischen Lesung.
Sebastian Krumbiegel spricht da lieber von einem „demokratischen Abend“. So lange das noch möglich sei, wie er mit Blick auf die Bundestagswahl zwei Tage später sagt. Immer lässt er sein Engagement gegen rechts einfließen, spricht über Protestaktionen aber auch Niederschmetterndes, was er im Vorfeld der Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg erlebt und gesehen habe. Dabei sagt er, sei das längst nicht mehr nur ein Problem im Osten Deutschlands.
Als Zwölfjähriger liebte Sebastian Krumbiegel Freddy Mercury
Demokratisch bedeutet an diesem Abend, das Publikum entscheiden zu lassen, will es lieber mehr Musik oder Lesung. Das Voting geht eindeutig zu mehr Musik. „Meine Stimme: Eine musikalische Lesung“ ist das Programm überschrieben und so fließt alles zusammen. Das Buch als Spiegel seines Lebens, die Geschichten, die Krumbiegel am Klavier erzählt und eben die Musik, die sein Leben bestimmt. Als Zwölfjähriger bekundet er in den Strumpfhosen der Mutter und dem Besenstil in der Hand als Mikrofonständer seine Liebe zu Freddy Mercury.
Politisch geprägt wird Krumbiegel von seiner Familie, sei es von der „Omi“, einer mehrfach ausgezeichneten Opernsängerin, die ihm bei einer Fahrt mit der Bahn durch Leipzig die Gräueltaten der Nationalsozialisten deutlich vor Augen führt oder dem Vater, der in der DDR Haltung bewahrt und dafür als Chemie-Professor zurück in die Produktion muss. Sebastian Krumbiegel möchte die Bühne nutzen, um die Menschen aufzufordern zum Gegenprotest aufzustehen, sich zu wehren.
Vor den Prinzen gab es die Herzbuben
Er schreibe wie er rede, sagt der 58-Jährige und will sein Buch nicht als Literatur verstanden wissen. Nach der Pause wird er doch einmal schwach und liest vor, um kurz darauf wieder abzuschwenken. Er kehrt ans Klavier zurück und lässt sich mit seinen vertonten Geschichten treiben. Bevor es die Prinzen gab, gründeten Krumbiegel und seine Kollegen 1987 die „Herzbuben“. Wie Kritik an der DDR verpackt wurde, dafür steht der Song „Der schönste Junge in der schönen DDR“, der damals sogar ein kleiner Hit war.
Das Vorwort zum Buch hat Udo Lindenberg geschrieben, eins der Idole von Sebastian Krumbiegel. Mit einem Augenzwinkern parodiert er die unnachahmliche Art des Deutschrockers, mit dem die Prinzen einst auf Tournee waren. Das anderthalb Minuten-Stück „Rock'n'Roll-Arena Jena“ steht stellvertretend für die gemeinsamen Erlebnisse.
Krumbiegel gedenkt auch Rio Reiser, der Anfang Januar 75 Jahre alt geworden wäre. Für den früh gestorbenen Musiker gab es eine Geburtstagsparty an der Volksbühne in Berlin. Mit dabei war der 58-Jährige, der die besondere Melancholie Reisers mit dem Lied „Sei mein Freund“ aufleben lässt.
Im Laufe des Abend gibt es dann doch auch den ein oder anderen Song der Prinzen, nur keine Hits wie der Sänger sagt, denn die klingen nur mit der Band gut. Am Ende steht der „Junimond“ von Rio Reiser, verbunden mit dem Wunsch von Sebastian Krumbiegel, sich gegenseitig Zuversicht zuzusprechen, um daraus Kraft zu schöpfen, um etwas zu verändern.