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WildwechselWenn die Brunftzeit in Oberberg zur Gefahr werden kann

Lesezeit 4 Minuten
Ein junges Reh steht am Straßenrand.

Autofahrer müssen in der aktuellen Jahreszeit vermehrt mit Wildwechsel auf den oberbergischen Straßen rechnen.

Die Paarungszeit des Rehwilds sorgt aktuell auf den Straßen zu einem erhöhten Wildwechsel.

328 Wildunfälle hat die oberbergische Polizei seit dem 1. April registriert und damit seit dem Beginn der Jagdzeit in Oberbergs Revieren. Bei einem der Unfälle gab es einen leicht verletzten Verkehrsteilnehmer. Marc Leporin, Pressesprecher der Polizei, spricht dennoch von „normalen“ Zahlen. Und ergänzt, dass die Unfälle in aller Regel in den frühen Morgenstunden oder in der Dämmerung häufiger auftreten würden.

Das bestätigt auch Bernd Steinhausen, Vorsitzender der Kreisjägerschaft im Oberbergischen. Aktuell sei die Gefahr, auf Rehwild im Straßenverkehr zu stoßen, besonders groß, berichtet der Jäger. Denn momentan ist Paarungszeit beim Rehwild. Offenbar vor Liebe blind, werden die Tiere unvorsichtig und kreuzen eher als sonst Straßen und Wege. Der Kern der Paarungszeit geht von Mitte Juli bis Mitte August und ist damit noch voll im Gang.

Autofahrer sollen aufmerksam sein

Steinhausen rät Autofahrern, besonders aufmerksam zu sein. Und, wenn es dann doch zu einem gefährlichen Wildwechsel kommt, zu hupen und das Auto abzubremsen. Er persönlich habe damit bereits mehrfach gute Erfahrungen gemacht. Immer bedenken sollten Autofahrer, dass Rehwild vielfach im Doppelpack die Straße kreuze. Vorne das weibliche Rehwild, dem der Bock hinterherläuft. Gut findet Steinhausen, dass die Straßenbaulastträger wie der Oberbergische Kreis aktuell die Straßenränder gemäht hätten, so dass man als Autofahrer Tiere eher sehen könne.

Und wenn es dann doch mal kracht und ein Tier angefahren worden ist? Steinhausen sagt, dass man auf jeden Fall am Unfallort bleiben und die Polizei anrufen soll. „In der Regel weiß man als Autofahrer nicht, wer der zuständige Jagdpächter ist. Den jedoch kennt die Polizei, so dass dieser informiert wird und, weil er vielfach ortsnah wohnt, zeitnah am Unfallort sein kann.“ Während die Autofahrer aktuell auf vermehrten Wildwechsel Acht geben müssen, erleben auch die Jäger in Revieren derzeit eine hohe Zeit, wie auch Steinhausen bestätigen kann. „Jeder hat im Grunde die Pflicht, in seinem Revier zu sein, um zu sehen, was los ist“, sagt der Vorsitzende.

In der Blattzeit sieht man Tiere, die man sonst das ganze Jahr über nicht zu sehen bekommt

Denn die Zeit der Brunft bei den Tieren bedeutet für die Jäger, dass „Blattzeit“ ist. Das ist die Phase während der Paarungszeit des Wildes, in der Lockjagd erfolgreich ausgeübt werden kann. Faszinierend für Steinhausen ist aber auch, dass man als Jäger in dieser Zeit des Jahres Rehwild zu sehen bekomme, das man die übrige Zeit nicht erblicken könne. So gesehen sei die Blattzeit auch eine gute Gelegenheit, den Bestand im eigenen Revier zu ermitteln. Wobei Steinhausen einschränkend sagt, dass man Rehwild im Grunde nicht zählen könne. Dennoch könne man sich einen gewissen Überblick verschaffen. Seit der Borkenkäferplage gebe es immer mehr wieder hochgewachsene Kalamitätsflächen, also abgeholzte Bereiche, in denen das Rehwild alles an Nahrung finde, was es braucht.

„Und vor diesem Hintergrund kommen die Tiere immer seltener raus auf die Wiesen, weil sie keinen Klee oder Löwenzahn mehr fressen.“ Neben den liebestollen Rehböcken, die den weiblichen Rehen nachstellen, tragen die „Männer“ aber auch untereinander einen Machtkampf aus. „Die jungen Böcke wollen die alten vertreiben“, erklärt Steinhausen. Das sorge für zusätzliche Unruhe im Revier. Denn auf der anderen Seite sei Rehwild standorttreu. Das bedeute, dass die Rehe im Gegensatz zu Wildschweinen nicht weiterziehen würden. „Und je älter die Rehböcke werden, desto kleiner wird die Fläche, auf der sie sich noch bewegen“, erläutert der Vorsitzende. Und wenn sich ein Tier kaum blicken lasse, könnte es auch mal sein, dass ein Rehbock zehn bis zwölf Jahre alt werde. Doch das sei eher die Ausnahme.


Wildschweine

Während die liebestollen Rehböcke aktuell aus der Deckung kommen, lässt sich das Schwarzwild derzeit kaum sehen, wie Bernd Steinhausen, Vorsitzender der Kreisjägerschaft, im Gespräch mit dieser Zeitung berichtet. Jeder Jäger, mit dem er gesprochen habe, klage im Augenblick darüber, dass die Schweine zu viel Äsung, also zu viel Futter hätten, und daher nicht an die so genannten Kirrungen kommen würden, Das sind die von den Jägern angelegten Futterplätze, mit denen sie das Schwarzwild anlocken. Doch der Mais dort sei den Tieren vermutlich zu alt, wie Steinhausen vermutet.

Was die Bestände angeht, so seien diese zwar immer noch gut ausgeprägt, aber keineswegs mehr so stark, wie diese noch vor 15 Jahren gewesen seien. Was die Jäger im Augenblick vermehrt beschäftige, sei die afrikanische Schweinepest, die „vor der Türe“ stehe. Dabei gehe es aber vor allem darum, dass die Hausschweine geschützt würden. „Das geht aber nur, wenn man die Ställe abschließt“, sagt Steinhausen. Ein Einzäunen der Wälder in der Region kann er sich indes „nicht vorstellen“.