Der Appetit der Rehe bedroht den Aufbau oberbergischer Zukunftswälder – nun suchen Politik, Jäger und Ökologen nach Strategien.
Rezept gegen WildverbissIst der Verzicht auf die Jagdpacht ein Modell für Oberberg?
„Sie entscheiden über nicht weniger als die nächste Waldgeneration – also setzen Sie sich bitte zusammen!“ Mit einem eindringlichen Appell an Waldbesitzer, Jagdgenossenschaften und die Jäger hat Kreisumweltdezernent Frank Herhaus eine intensive Diskussion im Ausschuss für Umwelt, Landwirtschaft und Verbraucherfragen des Kreistags beendet. Dort stand der Verbiss junger Bäume durch Rehe auf der Tagesordnung.
Dazu stellte der Ökologe Frank Christian Heute die Ergebnisse seines landesweiten Rehwildprojektes vor, über das diese Zeitung schon vorab im Januar berichtet hatte. Zur Erinnerung: Laut Heute ist der aktuelle Rehbestand viel zu hoch und liegt in Oberberg beim Fünf- bis Zehnfachen dessen, was der Wald verträgt. Folge sei der Verbiss kleiner Kirschen, Eichen, Ahorne und Eschen, die auf Kahlflächen angepflanzt wurden oder von der Natur dorthin gesät wurden.
Das oberbergische Reh ist ein Feinschmecker
Im Ausschuss sprach Heute vom „Buche-Fichte-Phänomen“: Da das Reh Feinschmecker sei, meide es ausgerechnet diese beiden Baumarten, auf die man beim Zukunftswald gerade nicht zurückgreifen möchte. „Es gibt sogar Eichenwälder, in denen die Verjüngung weit überwiegend aus Fichten und Buchen besteht“, betonte Heute. Sein Rezept: Deutlich mehr Abschüsse, eine professionelle Jagdleitung in jedem Revier und der gleichzeitige Verzicht der Waldeigentümer auf die Jagdpacht. Denn: „Wenn man das Rehwild intensiv bejagt, bedeutet das viel Zeit und Aufwand. Sie werden niemanden finden, der dafür auch noch Geld bezahlt“, verdeutlichte der Ökologe.
Dass eine geänderte Jagdstrategie untrennbar mit einem artenreicheren und dichteren Aufwuchs verbunden ist, hält Heute durch die Ergebnisse seiner Studie, auch in den beiden oberbergischen Forschungsrevieren Morsbach-Siedenberg und Neyetalsperre, für belegt. Seit 2021 gehe es den Rehen zudem in einem 250 Hektar großen Revier der Gräflich von Spee’schen Forstbetriebe auf dem Engelskirchener Rommersberg gehörig an den Kragen – mit messbarem Erfolg bei der Verbissquote.
Kritik an Heutes Konzept der „waldorientierten Jagd“ äußerte indes die Kreisjägerschaft, die im Ausschuss auch zu Wort kam. Vorsitzender Bernd Steinhausen und Jagdberater Oliver Sadowski nannten die vorgestellten Zahlen der Reh-Dichte „utopisch“. Abschusszahlen in der geforderten Höhe habe es seit Beginn der Statistik im Jahr 1975 in Oberberg noch nie gegeben. „Und wie erklären Sie den Jagdgenossenschaften, dass sie auf die Pachteinnahmen und die Begleichung von Wildschäden verzichten sollen?“, sprach Steinhausen den Ökologen direkt an. Im Falle einer Eigenjagd (wie der Spee’schen auf dem Rommersberg) sei eine solche Regelung einfach durchzusetzen – 80 Prozent der hiesigen Jagdreviere seien aber genossenschaftlich aufgestellt, so Steinhausen.
Die Politik war sich einig, dass das Thema von großer Bedeutung für Oberbergs Wälder sei. „Schäden durch Wildverbiss sind schon da, die kann man nicht wegdiskutieren“, stellte Willi Schmitz (CDU) klar, der zugleich einer Forstbetriebsgemeinschaft in Lindlar vorsitzt. Die Jagdgenossenschaften hätten viel zu lange immer nur auf die Höhe der Pacht geguckt, befand Sebastian Schäfer (Grüne). „Künftig muss gelten: Wald vor Wild.“
Nächste Gesprächsrunde in Oberberg am 10. März
Klar wurde: Die Verantwortlichen wollen bei dem Thema miteinander im Dialog bleiben und auch keine Zeit verlieren. Für den 10. März sind Gespräche zum Thema Wiederbewaldung mit allen Beteiligten in Ehreshoven geplant.