„Meine besondere Begegnung“Wiehlerin war zu Besuch beim Bankenrebellen
- In den Ferienwochen stellen wir im Rahmen unseres Sommerwettbewerbs 20 Oberberger vor, die eine besondere Begegnung hatten.
Wiehl – Er steht für sie in einer Reihe mit Nobelpreisträgern für Wirtschaft. Fritz Vogt (1930-2020), bundesweit bekannt geworden als „Bankenrebell von Gammesfeld“, ist allemal ein großer geistiger Nachfolger von Friedrich Wilhelm Raiffeisen, dem Begründer des Genossenschaftswesen, davon ist Heidrun Vogel (67) überzeugt. „Solidarität und Gemeinsinn verbinden die beiden Männer“, findet die Wiehlerin und versichert: „Noch heute bewegen und begeistern mich die beiden Treffen mit Herrn Vogt.“
Heidrun Vogel (67) hat mehr als 40 Jahre lang als Förderschullehrerin gearbeitet. Der Kontakt zu weniger begüterten Familien hat ihren Sinn für soziale Gerechtigkeit geschärft. „Schon immer habe ich mich für Konzepte interessiert, die eine eigenständige und tragfähige Existenzsicherung auch in Zeiten wirtschaftlicher Krisen ermöglicht“, berichtet Vogel. Ehemann Werner Voss ist Diplom-Betriebswirt und machte sie mit kniffligen volkswirtschaftlichen Grundfragen vertraut, etwa den „faszinierenden Möglichkeiten alternativer Geldsysteme“, wie Heidrun Vogel anmerkt.
Die kleinste Bank der Welt
Vor etwa zehn Jahren wurde sie auf ein genossenschaftliches Projekt in einem kleinen Ort in der Nähe von Rothenburg ob der Tauber aufmerksam. „Dort sollte es die kleinste Bank der Welt geben. Als ich gemeinsam mit meinem Mann eine Reise nach Prag plante, stand für uns fest: Diese Bank wollen und müssen wir kennen lernen.“
Auf ihrer Tour nach Süden machten die beiden noch einen ordentlichen Umweg. „Denn ich verwechselte den Ort und wir fanden uns nach einer längeren Autofahrt in Gammersbach bei Ulm wieder. Da ich Herrn Vogt unbedingt kennenlernen wollte, fuhr ich auf schnellstem Weg von Gammersbach nach Gammesfeld.“
Dort warteten Fritz Vogt und sein Nachfolger an der Spitze der Raiffeisenbank mit Kaffee und Kuchen. Er erzählte ihnen vom Kampf um den Erhalt eines Instituts, das so gar nicht den Gepflogenheiten der Branche und den Vorgaben der Finanzaufsicht entsprach. Vogt sei beispielsweise nicht über das Internet an die genossenschaftlichen Rechenzentralen angeschlossen gewesen, berichtet Heidrun Vogel. Überweisungen wurden handschriftlich oder mit der Schreibmaschine ausgefüllt und per Post zur Rechenzentrale geschickt. „Er kannte alle Kunden persönlich, zahlte Bargeld am Schalter aus, vergab Kredite nach Treu und Glauben und half so allen Dorfbewohnern bei deren finanziellen Angelegenheiten.“
Vogel und ihr Ehemann waren so beeindruckt, dass sie Vogt nach Köln holten. Dort erklärte 50 Gästen, was er mit seiner Bank verbindet. Heidrun Vogel stieg in den folgenden Jahren tiefer in das Prinzip Genossenschaft ein. Sie besuchte die Orte im Westerwald, in denen Raiffeisen gewirkt hat, besichtigte genossenschaftliche Initiativen und trat einer Genossenschaft in Oberhavel bei: Dort haben oberbergische Freunde eine Genossenschaft gegründet, die dort ehemaliges LPG-Gelände bewirtschaftet und 200 Gemüse- und Kräutersorten kultiviert.
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„Nicht zuletzt bin ich Herrn Stockhausen von der Volksbank Oberberg dankbar, der mir bei einem Gespräch in Wiehl die Prinzipien der hiesigen Genossenschaftsbank darlegte und mich mit interessantem Lesestoff versorgte“, berichtet die Wiehlerin. „Das Genossenschaftswesen“, glaubt Heidrun Vogel heute, „ist nicht nur eine Lösung für die Ernährungssicherheit, sondern für viele aktuelle Fragen“.