Pergenroth – „Wo sollte ich auch anders hinziehen?“, überlegt Elli Kaufmann aus Pergenroth, heute eine Ortsteil von Marienhagen. Dort feiert Elli Kaufmann am Sonntag ihren 96. Geburtstag, fast ihr ganzes Leben hat sie auf einem ehemaligen Bauernhof verbracht. Die Seniorin hält sich mit täglicher Zeitungslektüre geistig fit und genießt die wöchentlichen Treffen bei der Johanniter-Tagespflege in Wiehl, zu denen sie mit einem Bus abgeholt wird.
Gerade hat sie ihre zweite Impfung erhalten. Sie ist entsetzt über Corona: „Ich kann das Schlimme nicht mehr hören.“ Dabei hat Elli Kaufmann in der Jugend ein Bombardement erlebt, bei dem das Nachbarhaus eingestürzt ist. Ihr Schwager wurde durch Splitter verletzt, nachdem eine Bombe im Garten explodiert war: „Ich hatte immer Angst, wenn die Flieger kamen.“
Geboren in Wiehl
Kaufmann wurde als Elli Mortsiefer in Wiehl-Angfurten geboren, besuchte die Schule in Büttinghausen und half dann ihrer Mutter in der kleinen Landwirtschaft, während der Vater bei BPW arbeitete. Während des Zweiten Weltkrieges lernte sie ihren späteren Ehemann kennen: Eine Bekannte hatte Brieffreundschaften mit Soldaten an der Front organisiert. So lernte sie Friedel Kaufmann kennen und verbrachte seine kurzen Fronturlaube mit ihm. Bevor er vor Kriegsende verwundet nach Hause kam, entwickelte sich eine Freundschaft.
Schwer sei die Nachkriegszeit gewesen. Um zu ihrem Freund nach Pergenroth in dessen Elternhaus ziehen zu können, bestellte das Paar Anfang 1947 das Aufgebot in Wiehl. Bei ihrer Rückkehr erfuhren die beiden, dass in der kurzen Zeit ihrer Abwesenheit überraschend Flüchtlinge in der für sie geplanten Wohnung einquartiert worden waren. Dennoch sei es auf dem Land leichter gewesen als in der Stadt: „Wir hatten immer zu essen. Bei Hausschlachtungen gab es Wurst, Panhas und im Rauchfang hatten wir Schinken.“ Das viele Obst sei für den Winter eingekocht worden.
Letzte Bauerfamilie im Ort
1957 übernahm das Ehepaar den bäuerlichen Betrieb, den es mit den Söhnen Erhard und Wilfried und Tochter Hanni bewirtschaftete. Doch nach 23 Jahren mit 14 Kühen, Schweinen und Hühnern haben die fünf 1970 als letzte der drei Bauernfamilien im Ort aufgegeben: „Das hat sich nicht mehr rentiert.“ Stattdessen organisierte Kaufmann dann „Urlaub auf dem Bauernhof“, später bot sie Zimmer für Monteure an. Ihr Mann war aktiv im Heimat- und Verschönerungsverein, in der Freiwilligen Feuerwehr und als Presbyter der evangelischen Kirchengemeinde.
Nach seinem Tod 1990 begann die Seniorin zu reisen. 25 Fahrten mit der Diakonie hat sie mitgemacht, etwa nach Norderney oder nach Wangerooge. Sehr schön sei auch Israel gewesen oder der Urlaub in Kanada bei einer Cousine: „Da habe ich mir die Gegend mit dem Fahrrad angeschaut – bis ich 85 war, bin ich auch hier Rad gefahren.“ Noch im vergangenen Jahr habe sie auf Norderney zusammen mit Tochter Hanni den Rollator durch den Sand geschoben.
Immer noch kocht und backt die 95-Jährige. „Ihr Kartoffelbrot ist ein Gedicht“, schwärmt Schwiegersohn Wolfgang. Zu den Geburtstagen der sieben Enkel und fünf Urenkel seien vor allem ihre Donauwellen gefragt. Wegen Corona muss die eigene Geburtstagsfeier jedoch – erneut – ausfallen. Zuversichtlich blickt die älteste Bewohnerin von Pergenroth in die Zukunft: „Meinen 100. Geburtstag möchte ich zu Hause feiern.“