AboAbonnieren

AntisemitismusLeutheusser-Schnarrenberger als nüchterne Kämpferin

Lesezeit 3 Minuten

In ihrem Vortrag plädierte die neue NRW-Antisemitismusbeauftragte für zivilgesellschaftliches Engagement.

  1. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sprach ihn Wiehl zum Thema Antisemitismus.
  2. Sie ist überzeugt, dass es Grund zur Besorgnis in NRW gibt.
  3. Wie ein Kampf gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus ohne Betroffenheit funktionieren kann, erklärte sie in dem Vortrag.

Wiehl – „Antisemitismus in NRW – Grund zur Besorgnis?“ Die Leitfrage ihre Vortrags beantwortete Sabine Leutheusser-Schnarrenberger gleich zu Beginn mit einem knappen Ja. Andernfalls wäre die Stelle der nordrhein-westfälischen Antisemitismusbeauftragten, die die frühere Bundesjustizministerin seit November 2018 innehat, wohl auch gar nicht geschaffen worden.

Auf Einladung der Oberbergischen Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit (CJZ) und des Katholischen Bildungswerks war Leutheusser-Schnarrenberger nun zu Gast in Wiehl, um von ihrer neuen Aufgabe im Kampf gegen Judenhass zu berichten.

Ein Skandal, dass Antisemitismus Thema ist

Volksbank-Vorstandsvorsitzender Ingo Stockhausen begrüßte die Gäste im Forum der Wiehler Zentrale. CJZ-Vorsitzender Wolfgang Birkholz sagte in seiner Einführung, es sei „im Grunde genommen ein Skandal“, dass man sich in Deutschland überhaupt mit dem Thema Antisemitismus beschäftigen müsse. Mit den Pöbeleien in Köln habe es aber auch in der Region neue Aktualität gewonnen. Er dankte der früheren Bundestagsabgeordneten und Ehrenvorsitzenden der FDP Oberberg, Ina Albowitz-Freytag, dafür, dass sie den Kontakt zu der prominenten Parteifreundin vermittelt hatte.

Leutheusser-Schnarrenberger sieht es als eine ihrer vordringlichen Aufgaben, sich einen Überblick über Art und Umfang der judenfeindlichen Hetze in NRW zu verschaffen. Sie wisse von einem sehr lebendigen jüdischen Leben im Land – dieses finde aber hinter Mauern und unter Polizeischutz statt.

Das könnte Sie auch interessieren:

In ihren Ausführungen gab es keine wohlfeile Betroffenheitsrhetorik, sondern sie stellte mit der Nüchternheit der Juristin fest: „Die Zahl der Delikte ist relativ überschaubar. Man muss aber sehen, was dahintersteckt.“ Wenn Menschen wegen ihres Glaubens Ablehnung oder Hass erführen, sei das ein Angriff auf das Grundgesetz und die Grundlagen des Zusammenlebens in Deutschland: „Das ist etwas, was uns als Gesellschaft angeht.“

Viele Initiativen gegen Antisemitismus

Umso erfreuter habe sie feststellen dürfen, dass es eine Vielzahl von Initiativen gebe, die sich gegen rechtsradikalen Antisemitismus wenden. Leutheusser-Schnarrenberger unterschied davon den islamischen und einen eher linken Antisemitismus, der bei der Israelkritik jedes Maß verliere. Sie halte aber nichts davon, den einen gegen den anderen Judenhass auszuspielen. In all diesen Fällen müsse man ein Dunkelfeld beleuchten, das auch nicht strafbare Judenfeindlichkeit berücksichtige. Als Antisemitismusbeauftragte will sie deshalb für NRW eine Meldestelle einrichten.

Die liberale Politikerin verzichtet im Kampf gegen Antisemitismus auf Law-and-Order-Gesten. Sie berichtete von einem Fall, als antisemitische Wahlplakate der Partei „Die Rechte“ im Ruhrgebiet jüngst aus guten Gründen abgenommen wurden. Die Grenzen der Meinungsfreiheit könnten aber nicht allein mit juristischen Mitteln gesetzt werden. „Vor allem ist es erforderlich, dass die Zivilgesellschaft rote Linien zieht.“ Auch bei der Bekämpfung von Hassrede im Internet werde es nicht gelingen, eine saubere gesetzliche Regelung zu finden: „Darum ist es umso wichtiger, dass man persönlich dagegenhält.“