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Aggressive StimmungErste Gerichtsvollzieher in Oberberg tragen Schutzwesten

Lesezeit 3 Minuten
Gerichtsvollzieherin Georgia Papapostolou zieht während eines Pressetermins ihre neue Schutzweste an. Im Amtsgericht Köln wurden die ersten von landesweit 750 Schutzwesten für Gerichtsvollzieher übergeben.

Eine Gerichtsvollzieherin zeigt in Köln die neuen Schutzwesten.

Auch in Oberberg sollen die Mitarbeiter der Amtsgerichte in Gummersbach, Wipperfürth und Waldbröl besser bei Außenterminen geschützt werden.

Es ging um rund 1000 Euro Schulden, doch der 32-Jährige wollte nicht zahlen. Als der Gerichtsvollzieher die Forderung vollstrecken will, schlägt der Oberberger zu und verletzt den Beamten. Der Fall aus Bergneustadt wurde anschließend vor dem Landgericht Köln verhandelt und ist sicher eine Ausnahme in der täglichen Arbeit der Gerichtsvollzieher an den drei Amtsgerichten in Oberberg.

„Die Stimmung ist gereizter geworden, aggressiver“, sagt Svenja Berghaus. Die 49-Jährige ist Obergerichtsvollzieherin am Amtsgericht Wipperfürth. Landesweit werden derzeit die Gerichtsvollzieher mit Schutzwesten ausgestattet.

Amtsgericht Waldbröl hat erste Schutzwesten

Am Amtsgericht Köln wurden am Montag die ersten Westen ausgeteilt. Auch in Waldbröl sind die ersten drei Westen eingetroffen. Von den fünf Bediensteten wollten vier die Schutzweste, bei einem Exemplar musste nachgeordert werden, berichtet Direktor Andreas Dubberke.

Ein Gerichtsvollzieher zieht während eines Pressetermins seine neue Schutzweste an.

Klettverschluss und Maßanfertigung: Die Schutzwesten sind EInzelstücke.

Am Amtsgericht Gummersbach sollen alle sechs dort tätigen Gerichtsvollzieher Schutzwesten erhalten und warten noch auf die Lieferung, ebenso die vier Gerichtsvollzieher am Amtsgericht Wipperfürth. „Diese wurden aber noch nicht ausgeliefert“, berichtet Direktor Andreas Türpe.

Amtsgericht Wipperfürth wartet auf die Schutzwesten

Seit 2006 betreut Svenja Berghaus Teile von Wipperfürth und Hückeswagen. Auch sie hat eine der Schutzwesten geordert. Rund 750 der insgesamt 950 Gerichtsvollzieher in NRW wollen die Schutzweste, berichtet das Amtsgericht Köln in einer Mitteilung.

Schon seit 2017 fordert der Gerichtsvollzieherbund NRW die Anschaffung von Schutzwesten. Frank Neuhaus, NRW-Chef der Interessensvertretung, sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Die Aggressivität bei unseren Vollstreckungshandlungen steigt ständig. So nehmen die Problemräumungen zum Beispiel von sogenannten Reichsbürgern stetig zu.“

Das kann auch Svenja Berghaus aus der Praxis in Oberberg bestätigen. Wenngleich: „In der Regel kennen wir unsere Klienten“. Dennoch passiere es heute häufiger, dass die Stimmung gerade bei Zwangsräumungen oder Kindeswegnahmen aggressiv werde. Das beobachten auch viele andere Beschäftigte des öffentlichen Dienstes.

Wenn Polizisten die Gerichtsvollzieher begleiten, hätten diese ihre Schutzwesten an. „Wir stehen daneben in der ersten Reihe und tragen unsere normale Kleidung“, schildert sie. Die Westen sollen bei Messerangriffen und Schüssen einen gewissen Schutz bieten.

Gerichtsvollzieher in Gummersbach wollen auch Schutzwesten

Der Hersteller beliefert auch die Bundeswehr, geht aus einer Stellungnahme von Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) hervor. Ein Großauftrag des Verteidigungsministeriums sei auch der Grund dafür, dass die Mitte dieses Jahres für rund 400 000 Euro georderten Westen erst jetzt in NRW ausgeliefert werden.

Eine Gerichtsvollzieherin mit Aktentasche klingelt an einem Hauseingang.

Gerichtsvollzieherin an einem Hauseingang.

Ob die Bediensteten die Westen tragen, liegt in ihrem eigenen Ermessen. Eine Pflicht sei auch nicht sinnvoll, sagt Svenja Berghaus aus Wipperfürth, schließlich sei deeskalierendes Auftreten wichtig. „In der Regel können wir aggressive Situationen entschärfen“, so Berghaus. Eine Eskalation, wie in Obertshausen nahe Offenbach ist in Oberberg noch nicht vorgekommen.

Reizgas und Alarmgerät „Mona“ im Einsatz

Doch wenn das einmal nicht möglich sei oder Unvorhergesehenes eintrete, dann biete die Weste oder das Alarmgerät „Mona“ Schutz. Mona steht für die mobilen Notruf- und Alarmierungsgeräte, die die Gerichtsvollzieher auch in Oberberg seit diesem Jahr mit sich tragen können.

Über Mona können sie diskret um Hilfe rufen, ohne erst ein Handy aus der Tasche ziehen zu müssen. Als weitere Schutzmaßnahme sollen noch Sprühgeräte für Pfefferspray angeschafft werden. Die sollen im kommenden Jahr nach einer Schulung zur Verfügung gestellt werden.