Waldbröl – Tina taucht nicht auf. Vergeblich wartet Nathan auf das erste Date mit der Angebeteten aus der anderen Klasse. Doch plötzlich stehen Sina und Yasmin vor ihm, sie lachen ihn aus. Und sie erklären ihm, das alles gelogen ist, dass sie ihn verschaukelt haben, dass sich Tina niemals mit einem wie ihm treffen würde. Sina und Yasmin halten Nathan das Handy ins Gesicht, sie filmen ihn und seine bittere Enttäuschung, seine Verzweiflung. Und mit einem Klick schicken sie diese Aufnahmen auf die Telefone der ganzen Klasse. Nun lacht wohl jeder über Nathan. Das ist Mobbing.
Und Mobbing, das ist eines der drei ganz großen Themen, mit dem sich alle Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 6 an der Roseggerschule in Waldbröl, einer Förderschule mit den Schwerpunkten „Emotionale und soziale Entwicklung“ und „Lernen“, in dieser Woche intensiv beschäftigt haben – in gespielten Szenen etwa, angeleitet und betreut von vier Theaterpädagogen der Gruppe Creative Change aus Offenbach.
Strategien für den Zusammenhalt entwickeln
„Respect Coaches“ (Respekttrainer) heißt das Programm dahinter, dieses hat das Familienministerium des Bundes 2018 gestartet. In Waldbröl bringt es der Internationale Bund (IB) auf Anforderung in die Schulen. Für die Workshops in der Roseggerschule ausgewählt hat Konrektorin Kerstin Claus-Ising die Inhalte (Cyber-)Mobbing, Gruppenzwang und Freundschaft. „Die Kinder sollen lernen, wie sie gemeinsam Konflikte lösen können und Strategien für den Zusammenhalt entwickeln“, beschreibt IB-Mitarbeiterin Gordana Duarte-Martinez eines der Ziele. Das eigene Handeln einschätzen und bewerten zu können, der respektvolle, tolerante und gewaltfreie Umgang miteinander, Selbstbewusstsein und auch Vertrauen zu anderen zu schöpfen, nicht zuletzt die Fähigkeit, nicht nur auf dem Schulhof Frieden stiften zu können, das sind weitere.
In der Marktstadt stellen sich drei Klassen mit jeweils zwölf Schülern dieser Herausforderung. Leicht ist es nämlich nicht, vor den Klassenkameradinnen und Klassenkameraden aufzustehen, in Rollen zu schlüpfen. Das braucht Mut. Fabio (12) hat ihn. „Ich wurde früher oft geärgert und ausgelacht, habe dann auch Schläge abbekommen“, berichtet der Junge von der schlimmen Zeit an einer anderen Schule. Jetzt gehe es ihm an der Roseggerschule sehr gut, sagt Fabio und verrät, dass er es toll findet, anderen zu helfen. „Zu helfen, das ist viel toller als Fußball“, urteilt der Sechstklässler. Und zu helfen, bedeute auch, sofort einzuschreiten, wenn Freunde in Schwierigkeiten geraten.
Konrektorin Kerstin Claus-Ising hofft, dass dies auch Fabios Mitschülerinnen und Mitschülern in Erinnerung bleibt. „Denn wir haben Themen gewählt, die heute leider zum Alltag der Kinder gehören, die sie oft überfordern“, schildert die Pädagogin. Bleiben wird auf jeden Fall der Abschluss dieses Projektes: Am 27. September kommt der Kölner Graffiti-Künstler Kai Niederhausen, in der Szene bekannt als Semor, in die Schule an der Zuccalmagliostraße, um dort mit den Kindern ein kunterbuntes Kunstwerk zu schaffen.
Im Klassenraum geht derweil das Rollenspiel weiter. Die Mitglieder von Creative Change haben sozusagen zurückgespult: Nun ist es Aufgabe der Schülerinnen und Schüler, Sina und Yasmin davon abzubringen, Nathan vor der gesamten Klasse vorzuführen. Und das gelingt.