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Tränen zum AbschiedGemeindebücherei Waldbröl schließt ihre Pforten für immer

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Noch einmal gaben Büchereileiterin Ellen Bertrams (2.v.l.) und ihre Kollegin Barbara Schumacher (r.) am Wochenende Lesetipps.

Waldbröl – Der Stapel wächst. Und wächst. Und wächst. Doch diesmal muss Bernd Höhner keinen der Schmöker zurückgeben, die der Waldbröler da gerade in der Evangelischen Gemeindebücherei am Wiedenhof auftürmt. Denn am vergangenen Wochenende hat diese zum letzten Mal geöffnet. Und die Bücher werden diesmal nicht entliehen, sie werden verkauft. Nach mehr als 60 Jahren ist Schluss im Alten Pastorat. „Das tut mir sehr, sehr leid“, sagt Bernd Höhner, während er weitere Bücher zu jenem Tisch schleppt, der plötzlich ein Verkaufstisch ist. Der Waldbröler schwärmt: Diese Bücherei war immer eine wunderbare Ergänzung zu der städtischen im Bürgerhaus – nur das hier die Atmosphäre viel angenehmer ist.“

Denn für viele ist die Bücherei nicht nur eine Bücherei, sondern auch ein Ort für bereichernde Gespräche. „Hier habe ich Bücher entdeckt, die ich ohne die toller Beratung wohl niemals gelesen hätte“, verrät Arlene Heimann und prompt steigen ihr die Tränen in die Augen, wieder einmal. „Denn in die Gemeindebücherei bin ich schon als Kind gegangen, ich bin also von Anfang an dabei.“ Die Nachricht von der Schließung habe sie sehr traurig gemacht, sagt die Waldbrölerin.

Etwa 2500 Bücher

Während Stammkunden und Schnäppchenjäger nach den etwa Büchern auf den Regalen greifen, geben Leiterin Ellen Bertrams und ihre Kollegin Barbara Schumacher letzte Tipps. Zu Preisen ab 50 Cent gehen die Werke über den Tisch, den übrigen Bestand schätzt Bertrams auf etwa 2500 Bücher. Das Geld dafür soll in die Jugendarbeit der Evangelischen Kirchengemeinde investiert werden. Zwar sei auch sie betrübt über das Aus, doch sei auch viel Frust im Spiel, schildert die Leiterin mit Blick auf die zuletzt drastisch gesunkene Zahl der Nutzer, die Anlass war, nun das letzte Kapitel zuzuschlagen. „Plötzlich war die Bestürzung groß, dass wir gehen“, wundert sich Ellen Bertrams.

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Das reichhaltige Angebot an Krimis und historischen Schinken wird auch Anne Adolphs aus Hermesdorf sehr vermissen. Sie trägt ebenfalls Arme voller Bücher zu Kasse, auf kunterbunten Aufklebern stehen die Signaturen. „Ich bin immer gern hier hin gekommen“, erzählt Adolphs, auch sie schwärmt von der guten Beratung durch Ellen Bertrams und ihre Kolleginnen. Zudem sei diese Bücherei viel familienfreundlicher als die städtische im Bürgerhaus, ergänzt Larissa Merdian. Sie blättert in Sachbüchern, die später im Kinderzimmer landen könnten.

So war es einst gedacht: Als die Bücherei im Jahr 1958 auf Initiative von Pfarrer Ulrich Sticherling im Jugendraum des alten Gemeindehauses eingerichtet wurde, war es das Ziel der Gründer, vor allem junge Waldbröler ans Lesen zu bringen, für sie standen damals gut 500 Titel bereit. Damals war dieser Bücherhort der einzige in der Marktstadt, vor etwas mehr als 20 Jahren kam dann die städtische Bücherei hinzu. Um deren Erhalt und die Fortführung der Leseförderung in den Kindertagesstätten und Grundschulen sorgen sich zurzeit die Grünen.

Zukunft der städtischen Bücherei

Bis zum Jahr 2023 haben die Stadtverwaltung und der Waldbröler Stadtrat Zeit, die Zukunft der städtischen Bücherei im Bürgerhaus zu planen. Bis dahin treten die dort Beschäftigten in den Ruhestand. Daher fordert die Fraktion der Grünen die rechtzeitige Einrichtung einer Teilzeitstelle, damit eine neue Kraft eingearbeitet werden kann und der Betrieb weiterhin gewährleistet ist.

In den jüngsten Sitzungen des Haupt- und Finanzausschusses ließ Bürgermeister Peter Koester indes durchblicken, dass er sich auch eine Bücherei unter ehrenamtlicher Leitung vorstellen kann. „Und zudem stellt sich generell die Frage, was mit dem Bürgerhaus an der Kaiserstraße geschieht.“ Seit der Eröffnung des Bürgerdorfes finden dort keine Sitzungen der Fachausschüsse mehr statt. (höh)