WaldbrölZum Jahresende schließt die Evangelische Gemeindebücherei
Waldbröl – Das waren noch Zeiten, als Angelika Dorlaß den Waldbröler Jugendlichen nach dem Konfirmationsunterricht die Geschichte von Hans Huckebein, dem Unglücksraben, ans Herz legte.
Mehr als 25 Jahre war die heute 93-Jährige der Evangelischen Gemeindebücherei in Waldbröl als Mitarbeiterin eng verbunden – nicht nur als Leiterin von 1981 bis 1995. Und noch heute kennt Dorlaß alle Wilhelm-Busch-Verse auswendig.
Lange war die Gemeindebücherei die einzige Bibliothek in Waldbröl
Jetzt ist sie traurig: Nach mehr als 60 Jahren schließt die Bücherei zum Ende des Jahres. Ein guter Anlass also, einmal mit der früheren Mitarbeiterin Eva Breidenbach (90), der heutigen Leiterin Ellen Bertrams und Mitarbeiterin Barbara Schumacher in Erinnerungen zu schwelgen. „Als die Bücherei 1958 auf Initiative von Pfarrer Ulrich Sticherling im Jugendraum des alten Gemeindehauses gegründet wurde, ging es darum, die jungen Leute ans Lesen zu bringen“, erzählt Dorlaß.
Lange Zeit war die Gemeindebücherei die einzige Bibliothek in Waldbröl. Damals waren rund 500 Jugendbücher heiß begehrt. Der Struwwelpeter trug mit Angst und Schrecken zur moralischen Erziehung bei, Heidi war ein Bestseller. Als Dorlaß sich als Pfarrersfrau 1974 zu engagieren begann, stürmten vor allem Konfirmanden nach dem Unterricht sowie Jungen und Mädchen sonntags nach dem Kindergottesdienst in die Räume und griffen nach den fast 3000 Büchern auf den Regalen.
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Von Büchern, über Comics bis hin zu Kassetten und Videos
1979 mussten diese in eine Baracke am Weylandweg umziehen, weil das Gemeindehaus abgerissen wurde. „In jener Baracke wurden vorher Zünder für Dynamit Nobel gefertigt“, erzählt Ellen Bertrams schmunzelnd. So explosiv war die Lektüre nicht, für Sprengstoff sorgte aber die Diskussion, ob Comics als Literatur zu gelten hatten. Schließlich hielten Asterix und Micky Maus doch Einzug. „Die wenigen christlichen Bücher wurden dagegen viel seltener ausgeliehen“, sagt Eva Breidenbach und lacht.
Anregungen für die Anschaffung neuer Werke holten sich die Ehrenamtlerinnen, die selbst gerne und viel lesen, aus den Bestsellerlisten und bei Besuchen im Buchhandel. 1981 kam mit dem Umzug ins neue Gemeindehaus eine große Neuheit hinzu: Der Verleih von Kassetten.
Verkaufstage
Der gesamte Bestand von mehr als 2000 Büchern – darunter Krimis, Kochbücher, Kinderbücher, Sachbücher – außerdem Hörbücher und DVDs, soll am kommenden Samstag, 30. November, von 14 bis 17 Uhr und am Sonntag, 1. Dezember, von 11 bis 17 Uhr in den Räumen der evangelischen Gemeindebücherei Waldbröl im alten Pastorat, Oststraße 7, verkauft werden.
Die Preise liegen zwischen 50 Cent und zwei Euro, der Erlös kommt sozialen Projekten zugute, es darf auch aufgerundet werden. (ms)
Das Jubiläumsjahr 1983 schlug mit 6664 Ausleihen alle Rekorde. 1995 gab es neben mehr als 5000 Büchern auch Videos. „Da hatten wir mehr als 300 ständige Leser, inzwischen sind es fast nur Erwachsene“, erinnert sich Leiterin Bertrams. „Eine Frau lieh die Bücher nach dem Alphabet aus“, fällt Mitarbeiterin Schumacher ein. „Sie begann bei den Autoren mit A. Sie kam bis Sch, dann ist sie gestorben.“
Heute gibt es nur noch eine Handvoll regelmäßiger Leser
Zu den schönsten Momenten gehöre, wenn sich jemand für eine Empfehlung bedanke, findet Bertrams und seufzt wehmütig. Denn das sei im Lauf der Jahre seltener geworden. Mit dem Internet ging die Ausleihe von Sachbüchern drastisch zurück, Kinder und Jugendliche kamen nicht mehr. Heute gibt es noch eine Handvoll regelmäßiger Leser. Geöffnet ist nur noch am Dienstagnachmittag. „Da kommen manchmal zwei Personen“, bedauert die Leiterin. „Schließlich überwog der Frust die Freude an der Arbeit.“
Was nach der Schließung aus den Räumen im Alten Pastorat wird, steht noch nicht fest. „Jedenfalls stellen wir im Wintergarten weiterhin an jedem ersten Dienstag im Monat von 14.30 Uhr bis 17 Uhr Neuerscheinungen vor und setzen auch unsere Vorlesenachmittage in Senioreneinrichtungen fort“, kündigt Bertrams an. „Wir bleiben den Büchern treu.“