Gemerkt, wie wichtig ihm der Sport istVielseitiger Paralympics-Sieger Rainer Schmidt
Ründeroth – September 1992, Barcelona. Schlusspfiff. Tischtennisspieler Rainer Schmidt gewinnt im Einzel seine erste Goldmedaille bei den Paralympischen Spielen. Vor 12 000 Zuschauern schlägt der gebürtige Nümbrechter mit 2:0-Sätzen den Dänen Brian Nielsen. Jetzt hat er es geschafft. Ein Traum ist wahr geworden. In seiner Klasse TT6 ist der Gaderother nun ganz oben angekommen. „Das war damals die absolute Krönung. Die Nächte danach haben wir durch gefeiert“, berichtet der heute 55-Jährige.
Noch im Winter riss sich der damals 27-Jährige den Innenminiskus und das kurz vor dem Ende seines Theologiestudiums. Doch er kam schnell wieder auf die Beine –und wie. Im selben Jahr gewann Schmidt neben zahlreichen weiteren Sporttiteln und Auszeichnungen, auch die Wahl zum Sportler des Jahres dieser Zeitung. „Die OVZ und der Oberbergische Kreis waren damals schon sehr weit was die Inklusion von behinderten Sportlern anging“, blickt er zurück. Wie stolz die Oberberger auf ihren erfolgreichen Tischtennisspieler waren, zeigt sich auch darin, dass er fünf Mal auf Platz bei der Sportlerwahl gewählt wurde.
Sieben Mal angetreten
Insgesamt sieben Mal trat Rainer Schmidt bei den Paralympics an, gewann neben seiner Einzelmedaille auch noch dreimal Gold im Doppel, wurde sechsmal Weltmeister und neunmal Europameister. In der Startklasse TT6 sind alle Athleten zugelassen, die nach dem Paralympischen Komitee eine „Kombination von schweren Behinderungen im Schlagarm und den unteren Gliedern, mit schweren dynamischen Gleichgewichtsproblemen“ haben. Dort gehört auch Rainer Schmidt.
Der Oberberger wurde ohne Unterarme und mit einem verkürzten rechten Bein geboren. Mittlerweile akzeptiert er seinen Körper so wie er ist. Doch das war nicht immer so. Vor allem in seiner Kindheit und Jugend tat er sich schwer mit seiner Behinderung offen umzugehen: „Als Kind bin ich ungern ins Freibad gegangen und erst recht in der Pubertät. Es auch hat gedauert bis ich in kurzer Hose zum Training gegangen bin“, berichtet Schmidt.
Im Sommerurlaub das erste Mal Tischtennis
In einem Sommerurlaub in Österreich hat Rainer Schmidt zum ersten Mal Tischtennis gespielt. Mit zwei Lagen Schaumstoff und Schnüren mit denen der Schläger an einem Oberarm befestigt wurde, spielte er als Zwölfjähriger die ersten Bälle über die Platte.
Zurück in der Heimat trat er dem örtlichen Tischtennisverein TTG Homburg bei. Schmidt: „Ich hatte schnell Erfolgserlebnisse, und ich habe mich immer mehr auf meine Stärken konzentriert. Das tat mir sehr gut. Alle Menschen sollten das machen. Das kann ich nur empfehlen.“ Irgendwann traute sich Rainer Schmidt dann auch mit kurzer Hose rumzulaufen.
Erste Teilnahme an Europameisterschaft
1980 entdeckte ihn der inzwischen verstorbene Adolf Krenzke, Mitglieder der VSG Wipperfürth, für den Behindertensport. 1983 Jahre wurde er schließlich in die Nationalmannschaft des Deutschen Behindertenverbandes berufen und nahm im gleichen Jahr auch zum ersten Mal an einer Europameisterschaft teil. Von dort an ging es bergauf. Bis 2007 wurde der Oberberger im Einzel und Doppel 21 Mal Deutscher Meister, zehnmal Europameister, sieben Mal Weltmeister und gewann bei den Paralympics vier Goldmedaillen.
Dazu kamen zahlreiche zeite und dritte Plätze sowie Auszeichnungen, wie das silberne Lorbeerblatt oder die Aufnahme in die Hall of Fame der International Table Tennis Federation. „Meine Medaillensammlung habe ich nie im Internet verkauft oder so etwas. Die liegt auf dem Speicher meiner Eltern und wenn mich mal einen Vortrag vor Kindern halte, nehme ich die ganz gerne mal mit.“
Unterwegs als Kabarettist, Moderator und Coach
Denn heute ist Rainer Schmidt vor allem als Kabarettist, Moderator und Coach unterwegs. Bis 2015 war er neben seiner aktiven Karriere als Tischtennisspieler noch als Pfarrer tätig. „In meiner Zeit als Pfarrer habe ich meine Vorträge immer etwas witziger gestaltet und viele positive Rückmeldungen bekommen. So bin ich auf den Trichter gekommen, Kabarettist zu werden.“ Mit seinem Programm „Däumchen drehen“ war er die letzten Jahre in der ganzen Republik unterwegs.
Das könnte Sie auch interessieren:
Aber auch Rainer Schmidt hat die Corona-Pandemie nicht verschont. 85 Veranstaltungen wurden von ihm dieses Jahr abgesagt. Dennoch arbeitet er zurzeit an seinem zweitem Kabarettprogramm „Keine Hand wäscht die andere“. Für den heute in Ründeroth lebenden Schmidt ist und bleibt Tischtennis ein wichtiger Teil seines Lebens. Beim TV Dellbrück spielt er in der Kreisliga und auch dort ist im Moment Pause angesagt: „Ich hoffe, dass der Lockdown bald ein Ende nimmt. Denn jetzt habe ich bemerkt wie wichtig mir der Sport eigentlich noch ist.“