Reinhard Grüber, Ursula Lennarz und Herbert Simon stoßen an Silvester nicht nur aufs das Neue Jahr an: Die Waldbröler haben auch Geburtstag.
SilvesterDiese Menschen aus Waldbröl feiern nicht nur das neue Jahr
Wenn in etlichen Häusern Raketen, Wunderkerzen und Böller ausgepackt und Sektflaschen kaltgestellt werden, um pünktlich zu Mitternacht das alte Jahr krachend zu verabschieden und ins neue zu starten, werden Reinhard Grüber, Ursula Lennarz und Herbert Simon aus Waldbröl zusammen 241 Jahre alt: Alle drei feiern an Silvester ihren Geburtstag. Aber als sie auf die Welt gekommen sind, da war an Feuerwerk kein Gedanke. „1940 war ja Krieg“, erinnert sich Herbert Simon, der Schlag Mitternacht 83 Jahre alt wird. „In der Nachkriegszeit wurde dann auch nicht groß gefeiert.“
Geschenke zum Geburtstag gibt es auch in Waldbröl lange nicht
Seinen Vater sah er zum ersten Mal, als dieser 1945 aus der Gefangenschaft heimkehrte. Erst in den 1950er Jahren kamen schließlich Verwandte zum Kaffeetrinken.
Geschenke? Auch Reinhard Grüber, der jetzt seinen 84. Geburtstag feiert, schüttelt bedächtig den Kopf, bevor er sagt: „Es war schwer für meine Eltern, die Familie zu ernähren. Manchmal hat mein Vater fast geweint, weil er nichts für mich hatte, so kurz nach Weihnachten.“ Umso größer war die Freude, als er sechs Jahre alt wurde und eine Neujahrsbrezel bekam. „Sogar mit Zuckerguss!“ Da strahlt der Ur-Waldbröler noch heute. „Damals war so viel menschliche Wärme in der Familie, auch jeder Nachbar konnte hereinkommen, das erlebt man heute wohl nicht mehr.“
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Nach dem Ende des Weltkriegs wird in Waldbröl wieder „geknallt“ – aber anders
Bald nach Kriegsende wurde in Waldbröl wieder geknallt – aber anders. „Wir haben als Kinder übrig gebliebene Munition gesammelt und in die Luft gejagt“, erinnert sich Simon. „Das war strengstens verboten, und wir hatten immer Angst, dass dabei Fensterscheiben zu Bruch gingen.“
Draußen lag viel Schnee zum Jahreswechsel, das wissen alle Waldbröler Geburtstags-„kinder“ noch gut. Aus Holz und Lederriemen fertigte Reinhard Grübers Vater, der Sattler war, für ihn die ersten Skier. „Damit konnte man nur geradeaus fahren – aber Hauptsache, wir waren draußen“, erzählt er schmunzelnd. Später dann wurden sogar Slalom- und Abfahrtsrennen organisiert. Auch Ursula Lennarz, mit 74 die Jüngste in dieser Marktstädter Runde, zog es an Silvester immer wieder in den Schnee. „Zur Feier des Tages wurde dann ein Rodonkuchen eingepackt und mit auf die Piste genommen“, erzählt sie und lacht.
Reinhard Grüber bekam sein schönstes Geburtstagsgeschenk, als er 18 wurde. „Da kam die ganze Abteilung vom TuS 06 und brachte mir eine Sprinterhose, die war so hoch geschnitten. Richtige Sportbekleidung! Das war toll!“
Waldbröler ist auf den Motocross-Pisten Europas zu Hause
Währenddessen machte sich der junge Herbert Simon daran, von Bohlenhagen aus die Motocross-Pisten in ganz Europa zu erobern. „Schweden, die Schweiz, Dänemark – die schönen Reisen! Die Herzlichkeit, die war wichtiger als jedes Geburtstagsgeschenk“, schwärmt der frühere Kfz-Obermeister noch heute. Später dann kamen die Veteranen-Rennen. Sogar das alte Gespann, mit dem er Europameisterschaften fuhr, gibt es noch.
Und heute? Ursula Lennarz ist heute schon um 7 Uhr aufgestanden, um Brötchen zu holen für die zahlreichen Gäste. Die Künstlerin und Leiterin der Volkshochschule in Waldbröl kennt Gott und die Welt. „Wenn ich vom Markt zur evangelischen Kirche gehe, brauche ich zwei Stunden, um ein Huhn zu kaufen“, seufzt sie und lacht. Nur die Damen aus ihrer Turngruppe feiern nicht mit. „Die sind nach Weihnachten alle auf Diät“, verrät die Seifenerin. Um Mitternacht wird dann ihr Ehemann Heribert ein dickes Feuerwerk zünden. „Eigentlich würde ich selbst genauso gern gemütlich drinnen bleiben und weiter mit den Freunden ,Die Siedler von Catan‘ spielen“, verrät sie.
Der Neujahrsgruß sitzt perfekt wie bei einem alten Schweden
Reinhard Grüber wird derweil bis in den Abend unterwegs sein. „Ich geh ins Dorf“, hat er seiner Frau stets gesagt. Denn unermüdlich engagiert er sich für andere. „Ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn man nicht viel hat, das ist mein Antrieb zu helfen und Menschen zu begeistern.“ Der Abend gehört indes der Familie. Und wie jedes Jahr wird ihm seine Frau eine Neujahrsbrezel schenken, „mit Zuckerguss und dick Butter drin“, freut sich Grüber.
Bei Herbert Simon läuft das Telefon heiß, die versammelte Familie muss Geduld haben. Denn die früheren Sportkollegen aus ganz Europa, die auf der Rennstrecke Konkurrenten waren und heute Freunde sind, rufen an. „Es gibt zwar ein paar sprachliche Hürden, aber ich habe ein paar Redewendungen auswendig gelernt“, berichtet er. Und wenn ihm der 90-Jährige aus dem hohen Norden, der vor vielen Jahren den Motor seiner Motocross-Maschine gebaut hat, Herbert Simon zum Geburtstag „Grattis på födelsedagen“ wünscht, dann wird der locker wie ein alter Schwede antworten: „Gott nytt år!“ – Guten Rutsch ins neue Jahr.