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Oberbergs Politikerinnen„Von Erfahrungen anderer profitieren“

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Viel zu erzählen aus der Kommunalpolitik haben Frauen wie (v.l.) Ingeborg Mohr-Simeonidis, Beate Ruland, Andrea Saynisch, Kathrin Amelung, Monika Bourtscheid und Ina Albowitz.

Oberberg – Aufs Kochen reduziert, abwertend als Emanze betitelt und im Bauausschuss als Frau nicht akzeptiert: Geschichten, die oberbergische Politikerinnen wirklich erlebt haben.

Obwohl die Vorurteile, das weibliche Geschlecht sei weniger intelligent und undiplomatisch und fände seine Bestimmung in der Küche, längst veraltet und Frauen in der Kommunalpolitik keine Rarität mehr sind. 100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts im Jahr 1918 haben wir gefragt: Welche Erfahrungen haben Oberbergerinnen in der Politik gemacht?

„Die blöde Kuh versteht davon doch nichts!“

Die 86-jährige Többy Röschmann hat einiges aus ihrer Zeit im Rat und Kreistag zu erzählen. 1969 ist sie mit 27 Jahren in die CDU in Gummersbach eingetreten. Damals sei eine Frau in den Gremien nicht üblich gewesen, berichtet Röschmann. „Vor allem nicht im Bau- und Planungsausschuss. ,Die blöde Kuh versteht davon doch nichts’, sagte man zu mir. Man hat mich schon spüren lassen, dass ich fehl am Platz sei“, erinnert sich Röschmann.

Doch sie hat es den Herren gezeigt. Durch viel Arbeit und eigene Weiterbildung habe sie deren ursprüngliche Einstellung schnell geändert. Eine Umfrage, die sie damals unter Frauen durchführte, zeigt auch, warum vor 50 Jahren nur vereinzelt Frauen in der Kommunalpolitik tätig waren. „Ein Mann hätte nie daran gedacht, eine Windel zu wechseln oder den Kinderwagen zu schieben, das war Frauensache. Diese konservativen Geschlechterrollen haben sich zum Glück geändert.“

Die Einstellung der Herren geändert habe sie durch viel Arbeit, sagt die heute 86-jährige Többy Röschmann.

Die Tatsache, dass die Ehemänner forderten, die Frau sollte abends zu Hause sein, machte sich somit auch am Frauenanteil in der Kommunalpolitik in den 1970ern bemerkbar. Heute eine befremdliche Vorstellung, damals weit verbreitet. „Heute ist das zum Glück anders“, sagt auch Röschmann. „Es war damals eine wichtige Errungenschaft, dass die Ratssitzungen von 14 auf 18 Uhr verschoben wurden“, erinnert sich die 86-Jährige. Das machte es für die Damen deutlich einfacher: Zu dieser Uhrzeit konnte auch der Gatte mal auf die Kinder aufpassen.

Die Politik und die Kindererziehung gemeinsam unter einen Hut zu bekommen, war für die 86-Jährige dennoch viel Arbeit. „Politik und Kinder haben mich gut 80 Stunden pro Woche einverleibt“, erzählt Röschmann.

„Was will denn die Emanze hier?!“

Nicht nur Többy Röschmann machte solche Erfahrungen. „Als ich Mitte der 1970er in die FDP eingetreten bin, haben die Herren schon so manchen dummen Spruch von sich gegeben“, sagt Ina Albowitz, Kreistagsabgeordnete und ehemalige Bundestagsabgeordnete. Vor allem Unfähigkeit wurde den Frauen nachgesagt. „,Was will denn die Emanze hier?!’ war in den Siebzigern ein besonders beliebter Spruch der Herren – und alles andere als ein Kompliment“, erinnert sich Albowitz.

Doch das hat sich die heute 75-Jährige nie gefallen lassen: „Man darf sich nicht die Butter vom Brot nehmen lassen! Frauen sind mindestens genauso gut wie ihre männlichen Kollegen.“ Eine klare Ansage von der FDP-Frau, die auch eine Mentorin für viele junge Politikerinnen in Oberberg ist. „Meine Erfahrungen und mein Wissen teile ich gerne. Man muss ja nicht immer bei Null anfangen und kann von den Erfahrungen anderer profitieren“, sagt Albowitz.

„Frauen wurden auch gerne in die soziale Ecke geschoben“, sagt Ursula Mahler aus Radevormwald (SPD, Bild o.), heute stellvertretende Landrätin. „Das wollte ich partout nicht.“ Als einzige Frau im Bau- und Finanzausschuss konnte sich Mahler in den 1980er Jahren durchsetzen. „Mein anderer Blickwinkel war auch hier und da von Vorteil“, sagt die SPD-Politikerin. An Rampen für Kinderwagen habe ein männlicher Kollege damals zum Beispiel nie gedacht. „Mit sachkundigen Argumenten konnte ich mir auch mit meiner ruhigen Art Gehör bei den lauteren Kollegen verschaffen und sie überzeugen.“

Wenn es um Kuchen und Salat geht . . .

Nicht jede Frau kann ähnliches erzählen. Bei ihren Erfahrungen in der Politik macht sich dabei inzwischen auch der Generationswechsel bemerkbar. Gisa Hauschildt (CDU), Kreistagsabgeordnete, und Susanne Maaß (SPD, Bild r.), stellvertretende Bürgermeisterin Reichshofs, zum Beispiel haben überwiegend positive Erfahrungen mit ihren männlichen Kollegen gemacht. „Ich wurde in den zehn Jahren, die ich schon politisch aktiv bin, immer wertgeschätzt“, erzählt Maaß. Die Politik sei inzwischen keine Männerdomäne mehr.

Das sieht auch Hauschildt so: „Wenn man kompetent und engagiert ist, spielt das Geschlecht keine Rolle.“ Ein kleines Aber gibt es dennoch: In manchen Situationen auf typische Frauentätigkeiten reduziert zu werden, darauf könnte die CDU-Frau auch heute noch öfter gerne verzichten. „Wenn es darum geht, einen Kuchen zu backen oder einen Salat zu machen, fällt der Blick ganz schnell auf die Damen“, gibt Hauschildt lachend zu.

„Die Gleichberechtigung von Männern und Frauen hat in den Gremien und Fraktionen komplett Einzug gefunden“, findet Kathrin Amelung (CDU), stellvertretende Bürgermeisterin in Engelskirchen, mit 37 Jahren die jüngste Politikerin, mit der wir gesprochen haben. Dennoch fällt ihr auf, dass Frauen eher zwei Mal überlegen, ob sie sich politisch engagieren wollen. „Ein Grund dafür kann der organisatorische Kraftakt sein, Familie, Arbeit und Politik unter einen Hut zu bekommen“. Die CDU-Frau ist kaufmännische Angestellte und weiß selbst, wie schwierig das Zeitmanagement manchmal sein kann.

„Für die Vielfalt brauchen wir Frauen“

Dass eine komplette Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen in der Kommunalpolitik vorherrscht, findet Andrea Saynisch, Fraktionsvorsitzende der Nümbrechter Grünen und Kreistagsabgeordnete, nicht. „Auf Gemeindeebene werden Frauen hundertprozentig akzeptiert. Alles ist paritätisch und jeder hat die gleichen Chancen auf jede Position.“ Im Kreistag sei das aber nicht so: „Hier dominieren die Männer immer noch. Man traut den Frauen auch nicht immer alles zu.“

Da komme manchmal schon ein Gefühl der Machtlosigkeit auf – insbesondere, wenn Frauen nicht aufmerksam zugehört wird: „Aber auch das ändert sich glücklicherweise.“ Die Gewohnheit, Frauen in Sozial- und Gesundheitsausschüsse zu schieben, breche ebenfalls langsam auf. Auch wenn eine offene Diskriminierung der Frauen in den Räten und Fraktionen der Kommunen heute nicht mehr vorherrsche, könne von einer kompletten Gleichberechtigung noch nicht gesprochen werden.

Dass Frauen noch immer in der Minderheit sind, müsste sich ändern – da sind sich die heutigen und früheren Politikerinnen einig: Denn Frauen seien wichtig, sogar unabdingbar für die Politik. „Sie haben im Vergleich zu den Herren meist eine andere Sichtweise, diese ist auch notwendig“, sagt Hauschildt. Daher sei es wichtig, mehr Frauen für die Politik zu begeistern: „Vielfalt in der Politik ist notwendig, und dafür brauchen wir Frauen.“