Mein LieblingsbuchMit Bischof Tutu und dem Dalai Lama am Tisch
Nümbrecht – Shortbreads, eine schottische Gebäckspezialität, liegen auf dem Terrassentisch im Garten von Gunhild Hartmann, daneben „Das Buch der Freude“ von Douglas Abrams. „Es ist das Wertvollste, was ich besitze“, sagt die 71-Jährige. Sie hat es vor gut einem Jahr von ihrer Tochter geschenkt bekommen, die vor Jahren nach Schottland ausgewandert ist. „Sie schickt mir immer tolle Bücher, aber dieses hier ist einzigartig.“
Wie Menschen zu Freude finden
Hartmann beschreibt, dass der Autor 2015 den ehemaligen Erzbischof von Kapstadt, Desmond Tutu, auf seiner Reise zum 80. Geburtstag des Tibeters Tenzin Gyatso, dem 14. Dalai Lama, in dessen Exil in Indien begleitet hat. Während der fünftägigen Feierlichkeiten hätten die beiden Friedensnobelpreisträger viele Gespräche geführt, um die Frage zu ergründen, wie man die Menschen trotz aller Widrigkeiten zur Freude führen könne.
Nach Diskussionen über das Wesen der Freude haben sie die Hindernisse auf dem Weg dorthin beleuchtet und acht Säulen der Freude definiert: Wechselnde Blickwinkel, die nicht nur das eigene Ich im Mittelpunkt sehen, Bescheidenheit, Humor, Akzeptanz, Vergebung, Dankbarkeit, Mitgefühl und Großzügigkeit.
„Als ich das Buch bekommen habe, habe ich gezweifelt, ob ich mit so einem trockenen Stoff klarkommen würde. Aber als ich begonnen habe, es zu lesen, konnte ich nicht mehr aufhören“, sagt die Nümbrechterin. „Es ist sehr humorvoll erzählt, allein die Lektüre war die reine Freude.“ Seitdem habe es einen Platz auf ihrem Nachttisch gefunden und sie blättere täglich darin. Sie bewundere die Männer, die trotz ihrer schwierigen Lebenswege eine durch nichts zu erschütternde innerliche Ruhe und Freude ausstrahlten, erzählt sie. Manchmal schaue sie sich auch nur die Fotos der beiden während ihrer Gespräche an: „Die Bilder strahlen ein inneres Leuchten aus. Das sind Brüder im Geiste – sie haben Humor und gleichzeitig so einen gütigen Gesichtsausdruck.“
„Das Buch ist deshalb so wertvoll, weil ich mich selbst darin wiederfinde.“
Besonders schätzt Gunhild Hartmann deren Gedanken zum Umgang mit anderen Menschen. „Das Buch ist deshalb so wertvoll, weil ich mich selbst darin wiederfinde.“ Anhand vieler lebensnaher Beispiele gebe es Ratschläge, die sich häufig umsetzen ließen: „Jetzt weiß ich endlich, wo der Hase lang läuft.“ Der Inhalt habe ihre Lebenseinstellung verändert. Es mache sie sehr glücklich, wenn die Freude, die sie anderen spende, unmittelbar wieder zu ihr zurückkehre: „Da reicht manchmal schon eine kleine Aufmerksamkeit oder eine ehrliche Anteilnahme.“
Sie erinnert sich an Leute aus der Nachbarschaft, die während der Flutkatastrophe sofort zu ihren Bekannten nach Erftstadt gefahren seien, um ihnen Beistand zu leisten. Bei ihrer Rückkehr hätten sie erzählt: „Viel mehr als über unsere Unterstützung bei den Aufräumarbeiten haben sich unsere Freunde darüber gefreut, dass sie in einer Notsituation nicht alleine gelassen werden.“
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Der Einsatz für andere Menschen mache einen selbst froh, meint die Nümbrechterin. „Das Buch ist mein Lebensbegleiter geworden.“ Weitaus schwieriger sei jedoch die Umsetzung der Ratschläge in der eigenen Familie. „Da nützt es nichts, nur das Buch zu lesen. Man muss auch an sich arbeiten.“ Dabei helfe es sehr, sich daran zu erinnern, ein Problem einmal empathisch aus der Sicht der anderen zu sehen und nicht nur von sich auszugehen: „Wir dürfen uns selbst nicht so wichtig nehmen. Wir sind nur einer von acht Milliarden Menschen.“
Für sie sei es ein Ziel, „innere Freude am Leben zu finden“, erklärt sie. „Ohne dieses Buch wäre dieser Weg sehr schwer gewesen.“ So sei sie neulich wegen einer Fahrradpanne so unglücklich auf die Straße gestürzt, dass sie sich unter dem E-Bike nicht habe befreien können. Ein vorbeifahrender Autofahrer und ein Anwohner hätten ihr sofort geholfen. „Ihre Blicke waren so freundlich, dass ich mich über das Missgeschick nicht einmal geärgert habe.“
Gunhild Hartmanns Fazit zu ihrem Lieblingsbuch ist, einander in Notlagen zu helfen und so Freude zu bereiten: „Das Leben ist bunt und vielfältig und manchmal gibt es auch schlimme Momente. Gerade dann ist dieses Buch so wertvoll.“