Debatte um NS-VergangenheitTeile des Heimatvereins sehen Otto Kaufmann entlastet
Nümbrecht – In der Debatte um den Heimatforscher Otto Kaufmann haben sich jetzt drei Mitglieder des Nümbrechter Heimatvereins zu Wort gemeldet. Sie haben Kaufmanns Entnazifizierungsakte, die im Landesarchiv NRW in Duisburg liegt, angefordert und durchgearbeitet. Die Vereinsvertreter Ulrich Runkel, Dieter Hüschemenger und Hans Joachim Söhn, heißt es in einer jetzt von ihnen verbreiteten Mitteilung, kommen zu dem Schluss, „dass die gesamte Aktion gegen Otto Kaufmann auf einem kompletten Gebäude fataler Unkenntnis“ beruhe.
Nach einem Bericht über Otto Kaufmann hatte Michael Kamp, Leiter des LVR-Freilichtmuseums Lindlar, diese Zeitung gefragt, ob denn nicht bekannt gewesen sei, dass Kaufmann „ein überzeugter Nazi war“. Dieselbe Rückmeldung gab er Bürgermeister Hilko Redenius.
Otto-Kaufmann-Straße wegen Vorwürfen umbenannt
Kamp untermauerte seine Vorwürfe mit Auszügen aus einer von Otto Kaufmann verfassten Schulchronik (wir berichteten). Daraufhin beschloss der Nümbrechter Gemeinderat einstimmig – ohne Diskussion – den von allen im Rat vertretenen Fraktionen und dem Bürgermeister gemeinsam vorgelegten Antrag, die Otto-Kaufmann-Straße umzubenennen.
Ulrich Runkel schreibt nun, man sei sicher, alle Vorwürfe entkräften zu können – und spricht von „einem der übelsten kommunalpolitischen Skandale im Oberbergischen Kreis“.
„Bei Würdigung der Sachlage muss der Antragsteller [Otto Kaufmann, d. Red.] daher als entlastet angesehen werden!“ So steht es in Kaufmanns Entnazifizierungsakte vom März 1951. Runkel zieht das Fazit: „Kaufmann war kein überzeugter Nazi, Mitglied in der Partei wurde er erst 1937. Verdächtig erscheint, dass seine Aufnahme schon zwei Monate vor seiner Antragstellung erfolgte. In einer Archiv-Akte ist von ,Zwangsmitgliedschaft’ die Rede.“
Beurlaubung von der Hitlerjugend
Teil der Entnazifizierungsakte ist ein als „beglaubigte Abschrift“ bezeichnetes undatiertes Schreiben, das ein gewisser Otto Rißmann, der als „Führer des oberbergischen HJ-Banners 241“ zeichnete, an Kaufmann gerichtet hat: „Du wirst es wohl nicht lernen, den grundsätzlich neuen Inhalt der HJ zu erkennen.“ Und in einem zweiten Schreiben: „Deine Dienstauffassung ist in den letzten Monaten geradezu katastrophal gewesen. [...] Hierdurch teile ich Dir Deine Beurlaubung mit. Antrag auf Ausschluss aus der HJ wird von mir gestellt werden.“ Nach neunmonatiger Mitgliedschaft, lässt Kaufmann wissen, habe er die HJ 1935 wieder verlassen. Dafür benannte er auch Zeugen.
Runkel ist sicher, dass sich auch ein anderer Vorwurf gegen Otto Kaufmann, der sich aus den Formulierung in der Schulchronik ableite, nach den Ermittlungen des Sonderbeauftragten für die Entnazifizierung unhaltbar ist: Kaufmann „verunglimpfte als Ahnenforscher nicht seine Kollegen, sondern musste auf Anweisung des Schulrates gegen seine Bedenken deren Ahnentafeln prüfen. Der Schulrat betonte in seiner Anordnung, nur Kaufmann sei wegen seiner Forschungsarbeiten dazu in der Lage.“
Nachgefragt
Was hat Otto Kaufmann vorgelegt, was hat er verschwiegen? Ein Beispiel: Michael Kamp weist darauf hin, dass Otto Kaufmann nach dem Krieg beispielsweise angegeben habe, erst seit 1958 Aufnahmen von Mundarten gefertigt zu haben.
Tatsächlich habe Kaufmann bereits 1939 eine Schallplattenaufnahme nicht nur angefertigt, sondern an Adolf Hitler nach Berlin geschickt: „Der offizielle und publizierte Titel lautete im 1939 erschienenen Buch des Oberbergischen Kreises hingegen ’Ein Geburtstagsgeschenk des Oberbergischen Kreises für den Führer. Schallplattenaufnahmen in Gummersbacher Mundart. Erinnerung an den Führerbesuch in Gummersbach. Von Otto Kaufmann“. In einer Liste seiner Publikationen sprach Kaufmann nach dem Krieg nur noch von einer „Schallplattenaufnahme in Gummersbacher Mundart“.
Im Jahre 1972, als Otto Kaufmann vor der Verleihung des Albert-Steeger-Stipendiums beim Landschaftsverband Rheinland – für den Michael Kamp als Museumsleiter in Lindlar arbeitet – seine Vita einreichte, habe der Heimatforscher „etliche seiner Veröffentlichungen“ verschwiegen.
Über die Entnazifizierung sagt auch Michael Kamp wie Gerhard Pomykaj: „Generell werden die Spruchkammerbescheide in der Forschung kritisch gesehen, da viele Parteimitglieder unrichtige Angaben machten oder belastende Informationen verschwiegen haben. Nicht selten kam es vor, dass sich ehemalige NSDAP-Mitglieder sogar gegenseitig Entlastungszeugnisse (,Persilscheine’) geschrieben haben.“ (sül)
Runkel: „Dabei vermied Kaufmann nachweislich jede rassistische Bewertung.“ Er weist weiter auf einen handschriftlichen Eintrag in den Unterlagen hin, in dem Kaufmann von einer Alpenreise im Jahre 1938 mit dem jüdischen Gummersbacher Kinderarzt Dr. Simons berichtet; bezeugen könne diese Reise neben anderen auch die Schwiegermutter des Arztes. Für Runkel ist das ein klares Zeugnis für Kaufmanns Abstand zur NS-Ideologie.
„Vorgehensweise des Verschleierns macht ihn unglaubwürdig.“
Ein anderer Vorwurf, den Michael Kamp Kaufmann macht, lautet: Bei seiner Entnazifizierung und anlässlich der Verleihung des Albert-Steeger-Stipendiums habe Kaufmann seine ,heimatkundlichen’ Forschungen während der NS-Zeit verschwiegen. Kamp wörtlich: „Diese Vorgehensweise des Verschleierns macht ihn und seine Arbeit absolut unglaubwürdig.“
Die von den Mitgliedern des Heimatvereins jetzt vorgelegte Kopie der 60-seitigen Entnazifizierungsakte enthält neben dem üblichen von der britischen Militärregierung genutzten und von Kaufmann ausgefüllten Fragebogen weitere Unterlagen, in denen Kaufmann etliche Tätigkeiten aufgelistet hat, auch die im Rahmen des NS-Lehrerbundes – darunter die als „Sachbearbeiter für Sippenkunde“. Hüschemenger, Runkel und Söhn seien nach Durchsicht der Entnazifizierungsakte überzeugt, „dass Otto Kaufmann alles andere war als ein überzeugter Nazi“.
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Das Fazit der Akte beweise, „dass der Bürgermeister von Nümbrecht samt Mitarbeiterin, der gesamte Rat der Gemeinde und ein Museumsdirektor aus Lindlar gemeinsam versucht haben, die wertvolle Arbeit des Heimatforschers Otto Kaufmann zu diskreditieren und dem hochgeachteten Bürger fast 50 Jahre nach dessen Tod mit falschen Behauptungen die Ehre abzuschneiden.“