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Fluten, Brände, DürrenOberbergs Klima – das sagen die Bundestagskandidaten

Lesezeit 8 Minuten

Fluten, Brände, Waldsterben: Wetterextreme und ihre Folgen sind auch in Oberberg längst Realität.

Oberberg – Ein nie dagewesener Starkregen mit Überschwemmungen, eine Windhose über Bielstein, trockene Wälder und Schädlingsbefall. Ist das noch normales Wetter oder zeigt sich da der Einfluss des Menschen? Die sintflutartigen Fluten vor wenigen Wochen, der in Wiehl gesichtete Wirbelsturm 2016 und die Dürresommer der vergangenen Jahre mit ihren verheerenden Folgen für die Wälder passen für die meisten Experten ins Bild für ein Klima, das sich im Wandel befindet.

Egal, ob Förster, Wasserwirtschaftler oder Biologen: Alle Experten sind sich einig, dass grassierende Probleme wie Waldsterben, sommerliche Wasserknappheit oder aber Überflutungen oder auch das Insektensterben auch in der Region menschengemacht und die Folgen einer Erderwärmung sind.

Kahle Stellen in Oberbergs Wäldern

Am deutlichsten lässt sich die Änderung der klimatischen Bedingungen bereits seit geraumer Zeit an Oberbergs Wäldern ablesen. Vom Kreisnorden bis in den Süden ist das Bild beinahe überall dasselbe: In den Wäldern klaffen tiefe Wunden, ganze Bergkuppen liegen kahl. Forstunternehmer kommen mit den Fäll- und Aufräumarbeiten kaum hinterher. Dass sich der Borkenkäfer in den vergangenen Jahren so rasant ausbreiten und einen Großteil des Fichtenbestandes vernichten konnte, ist nach Ansicht der Forstexperten den Dürresommern geschuldet, die von Wassermangel geplagte Bäume wehrlos gegen den Angreifer gemacht haben.

Oberberg ist von der Plage besonders betroffen, weil Fichten hier vor dem Käferbefall rund 45 Prozent des Waldes ausmachten und auf einer Fläche von rund 17 000 Hektar standen. Mehr als die Hälfte hat der Borkenkäfer davon bereits vernichtet, und das Forstamt geht von weiteren Schäden in den kommenden Jahren aus. Wahrscheinlich werde nur ein kleiner Fichtenbestand von wenigen hundert Hektar in Oberberg überleben.

Feuerwehren werden immer öfter zu Waödbränden gerufen

Die Wiederaufforstung der Wälder orientiert sich längst an der Frage, welche Bäume bei zunehmend wärmeren Temperaturen auf Dauer überlebensfähig sind. Die Fichte soll größtenteils ausgedient haben, an ihrer Stelle werden klimaresistentere Arten in die Erde gepflanzt, etwa Douglasie oder Roteiche. Sie kommen mit weniger Wasser und längeren Hitzeperioden besser zurecht. Jedoch sind auch sie wehrlos, wenn die Wälder in Flammen stehen.

Immer öfter werden Oberbergs Feuerwehren zur Löschung von Waldbränden gerufen.

Immer öfter werden Oberbergs Feuerwehren zu Waldbränden gerufen. Das Feuer auf dem Hömericher Kopf im vergangenen Jahr ging bundesweit durch die Medien – und warf die Frage auf, wie die Gesellschaft auf solch enorme Flächenbrände vorbereitet ist. Seitdem planen Feuerwehren, Förster und Behörden. Brandschutzteiche sollen angelegt, die Fahrzeugflotte und sonstige Ausstattung der Wehren der neuen Situation angepasst werden.

Thema Klimawandel

Das sagen Oberbergs Bundestagskandidaten

Wir haben die oberbergischen Kandidaten um Statements zum Thema gebeten, die wir gekürzt wiedergeben.

Dr. Carsten Brodesser (CDU)

Deutschland soll bis 2045 klimaneutral werden, stufenweise sollen CO2-Emissionen reduziert werden. Der Bund arbeitet dabei mit den Kreisen und Kommunen zusammen. Sollten zum Erreichen der Klimaziele weitere Gesetze notwendig werden, werden diese in der kommenden Legislaturperiode verabschiedet. Ein Dialog zwischen Bund und Kommunen ist dabei sehr wichtig.

Die vom Baumsterben betroffenen Flächen müssen mit widerstandsfähigen Sorten nach Möglichkeit wieder aufgeforstet werden. Ich werde mich im Bundestag dafür einsetzen, dass die regionalen Waldbesitzer finanziell bei der Rodung und Wiederaufforstung der durch den Borkenkäfer geschädigten Nadelwälder unterstützt werden.

Der Flächenverbrauch muss genau beobachtet und unnötige Versiegelungen vermieden werden. In unserem Wahlprogramm haben wir zudem festgehalten, dass wir das große Potenzial von Nachverdichtung, Aufstockung von Gebäuden, An- und Ausbauten, Überbauung von Parkplätzen und Supermärkten und der Brachflächenentwicklung ausschöpfen wollen. Deshalb werden wir die Brachlandentwicklung verstärken.

Michaela Engelmeier (SPD)

Es braucht strengere Bundesgesetze, um Kommunen für den Klimawandel zu wappnen. Je schneller der Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien erfolgt und je schneller die Stromleitungen und Verteilnetze gebaut werden, desto eher kann auf fossile Energieträger verzichtet werden.

Unser Wald darf nicht mehr nur Holzplantage sein. Er muss zunehmend Klimaschutz- und Wasserrückhaltefunktionen erfüllen und Naturschutzaufgaben wahrnehmen. Dies muss mit der nachhaltigen Produktion des Rohstoffes Holz in Einklang gebracht werden. Außerhalb des Walds muss unsere Landschaft in ihrer abwechslungsreichen Mischung erhalten bleiben. Dies geht nur mit einer nachhaltigen Landwirtschaft und einer sensiblen Entwicklung von Wohnbereichen.

Neue Gewerbegebiete müssen platzsparender werden. Flächennutzung ist Sache der Landesgesetzgebung. Das Raumordnungsgesetz gibt den Rahmen vor, die Ausgestaltung obliegt den Ländern.

Jörg von Polheim (FDP)

Der Klimawandel fordert die Politik auf allen Ebenen. Insoweit soll sich der Bund in Sachen Bekämpfung des Klimawandels auf eine Rahmengesetzgebung beschränken und die weitere Ausgestaltung den Bundesländern und den Kommunen überlassen.

Ein Engagement des Bundes bei der Wiederaufforstung der Wälder ist geboten: Der Bund soll mit Fördermitteln gerade bei den Privatwaldbesitzern die Aufforstung flankieren. Wie genau die Aufforstung vonstatten geht, ist Sache der Menschen vor Ort.

Genauere Vorgaben des Bundestags für die Kreise und Kommunen beim Flächenverbrauch braucht es nicht: Der Bund steuert über das Raumordnungsgesetz, die konkreten Vorgaben ergeben sich aus dem Landesentwicklungsplan und den nachgeordneten Regionalplänen.

Bernd Rummler (AfD)

Die Klimapolitik der Bundesregierung ist fehlgeleitet. Statt noch mehr Milliarden in eine missratene Energiewende zu stecken, muss die Infrastruktur verbessert werden, damit die Region für die Folgen der klimatischen Veränderungen besser gerüstet ist. Ich bin gegen CO2-Steuern und neue Abgaben

. Die Antwort auf Überschwemmungen und Waldbrände darf nicht noch mehr E-Mobilität oder Erneuerbare Energien lauten, sondern Investitionen in die Feuerwehren, Talsperren und den Katastrophenschutz, in Mischwälder, eine bezahlbare Energiepolitik. Wenn man der Auffassung ist, dass sich das Klima erwärmt, müssen ältere und für Hitze anfällige Menschen geschützt werden.

An der Wiederaufforstung muss sich der Bund beteiligen. Genauere Vorgaben zum Flächenverbrauch lehne ich ab.

Sabine Grützmacher (Bündnis 90/Die Grünen): Es braucht ein Ernstnehmen des Bundesverfassungsgerichts, das festgestellt hat, dass das Klimaschutzgesetz in Teilen verfassungswidrig sei. Der Bund muss Kreise und Kommunen bei der Finanzierung einer sozial-ökologischen Transformation Unterstützung bieten. Den Kreisen und Kommunen fehlende Ambitionen vorzuwerfen, wäre angesichts leerer Kassen nicht richtig. Es braucht Förderungen durch den Bund auch bei einer nachhaltigen Wiederaufforstung der Wälder. Dafür muss das Bundeswaldgesetz geändert werden, um Fördermöglichkeiten mit Klimaschutzaspekten und die Bedeutung der Wälder für den Klima- und Artenschutz zu verankern. Der Bund muss zudem Maßstäbe setzen, um dem Flächenverbrauch Einhalt zu gebieten, der wesentlichen Ursache für Artensterben und Klimakrise. Wer dem begegnen will, braucht eine völlig neue Flächennutzungspolitik.

Diyar Agu (Die Linke)

Klimaschutz funktioniert nur, wenn die Kosten nicht auf die breite Gesellschaft abgewälzt werden. Auf sozial-ökologischem Weg soll Deutschland bis 2035 klimaneutral sein.

Es braucht einen Kohleausstieg bis 2030 und Investitionen in Windkraft- und Solaranlagen, von denen die Kommunen profitieren müssen. Strom- und Wärmenetze sollen in die öffentliche Hand überführt werden. Statt höherer Spritkosten durch CO2-Preise muss der ÖPNV ausgebaut und die Fahrt mit Bus und Bahn kostenfrei sein. Es braucht eine naturnahe Waldbewirtschaftung, die auf Mischwälder mit angepassten Baumarten setzt.

Mit Bundesvorgaben muss ineffizienter Flächenverbrauch verhindert werden. Ziel muss das Recyceln von Brachflächen sein. Neuversiegelung darf nur genehmigt werden, wenn sie mit einer mindestens ebenso großen Flächenentsiegelung einhergeht.

Christian Abstoß (Freie Wähler)

Politische Vorgaben zur großflächigen Stilllegung von land- und forstwirtschaftlichen Nutzflächen lehne ich ab. Ökologische und klimatische Aspekte müssen Maßstab für eine Waldnutzung sein. Wirtschaftlichkeit und ökologischer Wert der Wälder schließen sich nicht aus.

Die klimarelevante Pflege der Wälder muss über die Einnahmen des nationalen Emissionshandels vergütet werden. Es braucht eine Aufstockung der finanziellen Mittel, um den Waldumbau zu klimaresistenten Mischbeständen voranzutreiben. Grundbesitzer benötigen finanzielle Unterstützung bei der Bewältigung dieser Pflegeaufgaben.

Der Erhalt der Biodiversität und der Klimaschutz muss als Pflichtaufgaben eingestuft werden. Wir müssen verantwortungsbewusst mit dem weiteren Verbrauch und der Inanspruchnahme von Flächen für die Verkehrs- und Siedlungspolitik umgehen.

Mitte Juli traten diese Probleme abrupt in den Hintergrund, als das Unwetter auch in großen Teilen des Oberbergischen für Überschwemmungen sorgte.

Bilder wie dieses von der Flutkatastrophe in diesem Jahr könnte es in Zukunft öfter geben.

Plötzlich war nicht mehr die größte Sorge, ob die Talsperren bei längerer Dürre austrocknen könnten, sondern ob sie der vom Himmel stürzenden Wassermassen überhaupt Herr werden. Mitten im Sommer liefen gleich mehrere Stauseen über: die Genkel bei Gummersbach, die Lingese bei Marienheide und im Nordkreis Bever und Wupper.

Das hatte es zu dieser Jahreszeit noch nie gegeben. Und es hatte für Menschen, die ihr Zuhause in der Nähe eines Flusslaufs haben, verheerende Folgen: Mitten in der Nacht wurden viele aus ihren Häusern in Sicherheit gebracht, weil für sie angesichts der abrupt anschwellenden Pegel Lebensgefahr bestand.

Oberberger Klimaforscher warnt seit längerer Zeit vor Folgen des Klimawandels

Ein Oberberger, der am Potsdam-Institut für Klimaforschung arbeitet, warnt schon seit längerer Zeit vor den Folgen des Klimawandels. Dr. Jonathan F. Donges sprach nur wenige Wochen vor der Jahrhundertflut in Gummersbach während einer Mitgliederversammlung der Grünen. Dort stellte er seine Forschungsergebnisse zu den sogenannten Kipp-Punkten vor.

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Also jene Stufen einer Entwicklung, nach denen es kein Zurück mehr gibt – wie bei der globalen Erderwärmung. Bei einem ungebremsten Fortschreiten würden irgendwann Stufen erreicht, so Donges, nach denen etwa das grönländische Eisschild schmelzen oder die australische Korallenriff sterben wird – ohne dass der Mensch es wieder rückgängig machen kann.

Der Klimaforscher sagte an diesem Abend in Gummersbach auch, dass Köln irgendwann eine Küstenstadt werden wird, wenn der Mensch dem Klimawandel keinen Einhalt gebietet. Nach den Überschwemmungen im vergangenen Juli klangen diese Worte dann auch für viele Klima-Skeptiker so gar nicht mehr absurd.