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„Family on the Way“Ein Jahr lang Jakobsweg – Mit Kindern und Esel

Lesezeit 4 Minuten

Auch durch das Oberbergische führt der Jakobsweg nach Santiago de Compostela.

  1. Seit drei Wochen befinden sich Kristin Himmelreich und Matthias Trenkamp mit ihren drei Kindern sowie Esel Kalle auf Pilgerreise.
  2. Ihr Weg führte sie in den vergangenen Tagen auch durch Marienheide und Lindlar.
  3. Das „Sabbat-Jahr“ soll vor allem den Kindern neue Perspektiven eröffnen.

Am Mittwoch herrscht am Abend Trubel auf dem Bauernhof in Meigerhof bei Lohmar. Gespannt warten Monika, Christiane und Heiner Fettweiß in der Hofeinfahrt auf den Besuch, der sich angekündigt hat: Eine fünfköpfige Familie aus dem Sauerland, die sich auf Pilgerreise befindet, wird für eine Nacht auf dem Bauernhof unterkommen.

Auch Nachbarn und Bekannte sind vorbeigekommen. Von weitem erblicken sie schließlich die Pilgergruppe. Mit dabei sind ein Esel und ein Pony, die beide auf den Namen „Kalle“ hören. Der Esel zieht einen kleinen Planwagen. „Family on the Way“ steht darauf. Nach einer herzlichen Begrüßung werden die großen Rucksäcke abgeladen und die Tiere auf die Weide geführt. Bei Chilli con Carne und Käsekuchen, den sich Leni zu ihrem zehnten Geburtstag gewünscht hat, sitzen alle beisammen.

Schon drei Wochen unterwegs

Seit drei Wochen befinden sich Kristin Himmelreich und Matthias Trenkamp mit ihren drei Kindern Ben (11), Leni (10) und Valentin (4) sowie Esel Kalle auf Pilgerreise. Sie laufen den Jakobsweg. Gestartet sind sie in Arnsberg, ihr Ziel: Santiago de Compostela im Nordwesten Spaniens. Ein Jahr haben sie für ihre Pilgerreise eingeplant. Ihr Weg führte sie in den vergangenen Tagen auch durch Marienheide und Lindlar.

Mit dabei ist auch Esel Kalle.

Die Entscheidung, nach Spanien zu pilgern, fiel erst vor drei Monaten. Bei Sohn Ben ging es in der fünften Klasse der Realschule bergab, gutes Zureden und Hilfe bei den Hausaufgaben zeigten keine Wirkung. Dazu kam die ständige Spielerei am Handy. „Es ging um nichts anderes mehr, als um das Handy oder die Spielekonsole“, erzählt Matthias Trenkamp.

„Sabbat-Jahr“ soll Kindern neue Persepktiven zeigen

Um ihren Kindern neue Perspektiven zu eröffnen, zogen die Arnsberger schließlich die Reißleine und entschieden sich für ein „Sabbat-Jahr“. „Wir wollen unseren Kindern zeigen, dass die Welt auch anders aussehen kann“, sagt Trenkamp. Bereits im Sommerurlaub hatten er und seine Frau positive Erfahrungen auf dem Pilgerweg gesammelt und so stand fest: Wir pilgern den Jakobsweg, aber diesmal richtig.

Kristin Himmelreich hat die Jakobsmuschel als Symbol für die Pilgerreise sogar als Tattoo auf der Haut verewigt.

Tochter Leni war sofort begeistert. „Ich fand das cool“, erzählt sie. Ihr Bruder Ben war anfangs etwas zurückhaltender. Mittlerweile haben die Kinder Blut geleckt. „Das ist auch wichtig, denn diese Reise können wir nur als Team schaffen“, meint Trenkamp. Der gelernte Lkw-Schlosser und die Altenpflegerin kündigten ihre Jobs und gaben die Wohnung auf.

Schneller Reise-Familienzuwachs

Nach einer ausführlichen Erklärung beurlaubte die Bezirksregierung Arnsberg die beiden älteren Kinder für ein Jahr von der Schule. Die Eltern schlossen eine Reiseversicherung ab und begannen mit den Vorbereitungen. Für die Pilgerreise schaffte sich die Familie Esel Kalle an. Matthias Trenkamp baute einen Planwagen, auf dem seitdem das Tipizelt aus Baumwolle, Schlafsäcke, Isomatratzen, Gaskocher, Petroleumlampe und weitere Campingausrüstung transportiert werden. Auf dem Dach ist eine kleine Solarzelle installiert.

Auf dem Weg sammelt die Familie Stempel in ihrem Pilgerpass.

Seit drei Tagen mit dabei: Der zwölfjährige Pete Plog aus Marienheide mit seinem Shetlandpony Kalle. „Die Entscheidung, dass er mitwandert fiel spontan“ erzählt seine Mutter Silke Plog. „Mein Mann Erik sah die Familie mit ihrem Eselskarren.“ Spontan wurden die Pilger eingeladen, die Nacht auf dem kleinen Ponyhof Pferdetal Plog in Obersiemeringhausen zu verbringen. Am zweiten Abend schrieben Pete und Ben eine Packliste, und Pony und Junge gingen mit auf große Reise. Wie lange ist noch unklar – „erstmal bis zum Ende der Sommerferien und dann gucken wir weiter“, meint Silke Plog.

Gastfreundschaft begeistert

Genau geplant sind die Raststationen nicht, auf Offline- Karten auf dem Handy guckt Trenkamp, welche Bauernhöfe auf dem Weg liegen. Gefragt wird meist erst vor Ort. Viel braucht die Familie nicht – lediglich ein Stück Wiese zum Zelten, eine Toilette und Wasser für die Tiere.

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Von der Gastfreundschaft sind sie begeistert. „Wir haben jeden Tag so nette Begegnungen und wurden bisher überall herzlich aufgenommen“, freut sich Trenkamp. So auch in Lindlar, auf dem Hof von Simon und Friederike Hütt, wo die Familie vor ihrem Stop in Lohmar unterkam und aufgrund von schlechtem Wetter noch eine Nacht dranhängte. Der Weg durch die historische Ortsmitte von Lindlar ist im Gedächtnis geblieben.

Jeden Morgen packen die Pilger in Ruhe ihre Sachen. „Uhrzeiten und Wochentage gibt es für uns nicht mehr“, sagt Trenkamp. Alle paar Tage wird eine Pause eingelegt – zum Waschen und zum Entspannen. Momentan wandert die Familie täglich zwischen zehn und 15 Kilometern. In ihrem Pilgerpass sammeln sie Stempel von ihren Stationen – als Erinnerung und, um in Santiago die Pilgerurkunde zu erhalten. Je nach Wetter geht es in den kommenden Tagen weiter in Richtung Luxemburg, danach über Frankreich nach Spanien.