Dass die deutsche Parkscheibe eine Wissenschaft für sich ist, erkannte Hans Krams aus Wiehl durch Nachfragen im Bergneustädter Rathaus.
Kurioses KnöllchenWiehler Senior muss in Bergneustadt für eine pinke Parkscheibe zahlen
Da hat Hans Krams die Rechnung aber ohne das Ordnungsamt der Stadt Bergneustadt gemacht. Ende März stellt der 84-Jährige aus Wiehl-Alferzhagen seinen Opel auf dem Parkplatz am Neustädter Rathaus ab und macht sich auf den Weg zur nahen Augenarzt-Praxis. Die besucht Krams öfter, deshalb weiß er, dass er an der Ecke zum Südring nicht unendlich lange parken darf. Vor dem Fußmarsch über die Dörspe kramt er deshalb die Parkscheibe hervor und stellt die Ankunftszeit auf 11 Uhr.
Knöllchen aus Bergneustadt inklusive „Tatortbeschreibung“
Es geht an diesem Tag nur um einen neuen Termin beim Doktor. Der ist flugs ausgemacht und Krams schnell wieder bei seinem Fahrzeug, mit dem er nach Alferzhagen zurückkehrt. Erst dort bemerkt er einen kleinen Zettel unter dem Scheibenwischer. Ein Knöllchen kann es ja nicht sein, überlegt Hans Krams. Die geforderte Parkscheibe hat er ja ausgelegt und die maximale Abstellzeit nicht ausgereizt. Denkste.
Eine gute Woche später erreicht den Senior die Verwarnung aus Bergneustadt – inklusive „Tatortbeschreibung“, Aufnahme des geparkten Opels und der Aufforderung, 20 Euro Verwarngeld zu entrichten. Der Grund: Parken ohne vorgeschriebene Parkscheibe. Hans Krams wählt die Nummer des Ordnungsamtes und lässt sich erklären, dass man sich nicht an einer überschrittenen Parkdauer, sondern an der Optik der Parkscheibe stoße.
Krams hat nämlich ein Exemplar in schrillem Pinkton ausgelegt. Parkscheiben hätten aber blau zu sein. Dass die Ankunftszeit auf Krams greller Ausführung genauso gut erkennbar ist – geschenkt. Durch den Anruf begreift der 84-Jährige, dass die Farbe einer Parkscheibe offenbar eine Wissenschaft für sich ist. „Meine Tochter und auch mein Enkel nutzen das Auto regelmäßig. Ich habe keine Ahnung, woher diese Parkscheibe kommt. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass wir alle sie schon etliche Male verwendet habe, ohne dass es jemanden gestört hat“, berichtet der Alferzhagener.
Julia Schalles, Vertreterin des Bürgermeisters im Bergneustädter Rathaus, hat im Öffentlichen Dienst schon für verschiedene Dienstherren in unterschiedlichen Ämtern gearbeitet. Detaillierte Vorschriften sind ihr gut bekannt. Aber selbst ihr kommt die Anfrage dieser Zeitung nicht ganz geheuer vor – bis zur Rückfrage beim eigenen Ordnungsamt. „Pinke Scheiben sind tatsächlich nicht zulässig. Rechtlich geht das Knöllchen also in Ordnung“, betont Schalles. Jedenfalls begrüße sie die Berichterstattung in der Angelegenheit ausdrücklich, um andere vor einem Knöllchen zu bewahren, in Bergneustadt oder sonst wo.
Blauton der Parkscheibe ist exakt festgelegt
Zurück zur Parkscheibe: Wer meint, dabei gehe es nur um ein Stück Kunststoff mit drehbarer Zeitskala, liegt also weit daneben. Rechtlich ganz genau genommen, ist die Parkscheibe nämlich ein Verkehrszeichen, dessen Eigenschaften exakt benannt sind. Einen ersten Aufschlag macht das Bundesverkehrsministerium schon im Dezember 1970, interessanterweise genau an dem Tag, an dem Bundeskanzler Willy Brandt in Warschau auf die Knie sinkt. Daheim beschäftigen sich seine Beamten mit wirklich weltbewegenden Themen: dem Design der deutschen Parkscheibe.
Allerdings begnügen sich die Bonner Beamten damals noch mit groben Anhaltspunkten und einer Skizze. Elf Jahre später haben die Regelwütigen dann ordentlich Anlauf für den großen Wurf genommen. Im Verkehrsblatt des Ministeriums aus dem November 1981 wird jedes Detail bis ins Allerletzte normiert. 150 Millimeter breit und 110 Millimeter hoch hat die bundesrepublikanische Parkscheibe zu sein, maximal 70 Gramm schwer und dazu temperatur- und lichtbeständig, sowie bruch- und abriebfest. Penibel vorgegeben ist sogar die Schriftart – und nicht zuletzt die Farbe. Blau-weiß muss sie sein, wobei der korrekte Blauton in einer Industrienorm hinterlegt ist. Er hat exakt identisch mit dem Blau etwa eines Einbahnstraßenschildes zu sein.
Gerichtsfest ist das Ganze längst. Vor einigen Jahren taten sich einige Italiener in Brandenburg zusammen, die Knollen bekommen hatten, weil sie italienische Parkscheiben benutzt hatten, im Format etwas kleiner. Keine Chance. Auf deutschen Parkplätzen gelte auch nur das deutsche Format, urteilten sämtliche Instanzen unisono.
Ums Rechthaben geht es Hans Krams aber gar nicht. Auch nicht um die 20 Euro. Ihn ärgert, dass pinke Parkscheiben überhaupt in Umlauf gebracht werden. Tatsächlich wimmelt es im Internet von Farbvarianten – von eben jener pinken Scheibe über die schwarz-gelbe Aufmachung für Dortmund-Fans und sämtliche Grüntöne bis zum pechschwarzen Verkehrszeichen mit AC/DC-Schriftzug. In den Amtsstuben hat offensichtlich noch niemand darüber nachgedacht, den Verkauf zu reglementieren. Das verwundert Hans Krams am meisten.