Sie sei die Älteste im Kurs gewesen und habe Sachen über den weiblichen Körper gelernt, von denen sie nicht einmal geahnt habe.
Erotik auch im AlterBergneustädterin lässt sich mit 66 zur Sexualtherapeutin ausbilden
Als Tania Sowka sich zur Therapeutin für Sexual- und Paartherapie qualifiziert, ist sie in ihrem Kurs mit 66 Jahren die Älteste weit und breit. Andere Teilnehmende sind nicht mal halb so alt. „Da habe ich Sachen über meinen Körper gelernt, die ich bis dahin nicht mal geahnt habe“, erzählt sie und lacht. „Auch die Themen waren ungewohnt, von Pornosucht bis zum Zusammenhang zwischen der Form der Scheide und der Orgasmusfähigkeit. Aber es gibt ein Sexualleben nach den Wechseljahren. Und es gibt ein Leben nach dem Eintritt ins Rentenalter!“
Bergneustädterin ging beruflich erst in eine ganz andere Richtung
Wie das gelingen kann, beweist sie gerade selbst: In den vergangenen sechs Jahren hat sie die Grundausbildung zur Heilpraktikerin und Psychotherapeutin absolviert und zahlreiche zusätzliche Qualifikationen erworben. Am Samstag erfüllt sich für die Bergneustädterin mit der Eröffnung ihrer Praxis in der Altstadt ein großer Wunsch.
Dabei führte ihre berufliche Karriere lange in eine ganz andere Richtung. Zuletzt war die frühere Justizbeamtin als diplomierte Betriebswirtin und Informatikerin in leitender Position verantwortlich für den internationalen strategischen Einkauf von Marktforschungsservices der Firma Bayer. Sie arbeitete mit an globalen Studien zur Markttauglichkeit von Medikamenten gegen Alzheimer, Demenz oder multipler Sklerose.„Verpackung und Preis wurden getestet, oder auch, ob alte Leute ein Medikament lieber als süße, sprudelige Lösung bevorzugen oder als dicke, ölige Kapsel, die an Lebertran erinnert“, erzählt sie und fügt schmunzelnd hinzu, „die Amerikaner wollten die dicke Kapsel.“
So erholsam der Ruhestand dann nach dem Stress als Managerin in der Industrie auch war – „nur noch Vorlese-Oma, Stückeschreiberin fürs Marionettentheater LängDros und Gartenliebhaberin zu sein, das reichte auf die Dauer dann doch nicht.“ Also runter vom Sofa, auch wenn es nicht immer leicht war. „Mit 64 vor meiner Prüfung in Köln hatte ich schreckliche Angst“, gesteht die Silver-agerin. „Ich hab mir dann die Angst bildlich auf die eine Schulter gesetzt, und mein Krafttier, die Eule, auf die andere. So machte mich die Angst aufmerksamer, ich hab sie vom Negativen ins Positive gekehrt. Das hat auch die Prüfer überzeugt.“
Bergneustädterin sieht Ängste als häufige Ursache für die Flaute im Bett
Doch dann suchte sie lange vergeblich Praxisräume, hätte fast alle Pläne aufgegeben, bis sie auf das ehemalige Café in der Altstadt stieß. „Ein Wohlfühlort mit Kachelofen“, schwärmt die Bergneustädterin. Mit viel Platz für moderne Verhaltenstherapie, Hypnose, Trauerbegleitung, für therapeutisches Schreiben, auch mal den Einsatz von Marionetten, Paartherapie. „Da können zum Beispiel Paare mit farbigen Seilen den Verlauf ihrer Beziehung darstellen und sich über Probleme klar werden“, beschreibt sie. „Bis wohin ging es zusammen, wo lief es auseinander?“
Auch wenn das Herz stolpere oder der Magen drücke, könnten auch psychische Ursachen dahinter stecken. Ebenso bei der Flaute im Bett, bei der oft Unsicherheit und Unwissenheit im Spiel seien. Ob es mehr als ein halbes Jahrhundert nach Beate Uhse und Bravo-Aufklärer „Dr.-Sommer“ Bedarf gibt, Hilfe in einer Sexualtherapie zu suchen? Tania Sowka ist fest davon überzeugt. Mal „vergäßen“ Paare es, sich im Alter zu umarmen, mal gehe es um die Angst, zu versagen, um Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, in der Kindheit verfestigte Hemmungen, Erektionsstörungen oder die Angst von Frauen, nicht mehr attraktiv zu sein.
„Da kann man drüber reden und etwas verändern.“ Nicht immer sei eine längere Therapie nötig, oft genüge eine Beratung mit „Hausaufgaben“ zum Üben. Oder einfach „Helpi“, oder ein Kondometer.
Am Samstag, 27. Januar, eröffnet Tania Sowka ihre Privatpraxis TSBalance in der Bergneustädter Altstadt, Hauptstraße 21, mit einem Tag der offenen Tür. Zwischen 15 und 19 Uhr können Interessierte einen Blick in die Räume im Haus Clarenbach werfen. Zu sehen sind außerdem auch Bilder der Gummersbacher Hobbykünstlerin Luzia Scharmann. Längerfristig sind in der neuen Praxis auch kleinere Veranstaltungen geplant.