E-Sport in LeverkusenStadt hinkt hinterher - großes Potential durch Bayer 04
- E-Sport und Gaming haben sich zum Breitenphänomen gemausert. In Spielen wie League of Legends messen sich die Sportler inzwischen sogar bei Weltmeisterschaften.
- In Leverkusen versucht der Verein Gaming in Order Vorurteile abzubauen und leistet Aufklärungsarbeit.
- Ist die Leistung im E-Sport mit der eines Hochleistungssportlers zu vergleichen? Wie sind Frauen in der Szene vertreten? Und wie könnte der E-Sport der lokalen Politik und Wirtschaft nutzen?
Leverkusen – „Kommt heute ein gutes Spiel?“, so lautet eine der Standardfragen von Andy Franke vom Verein Gaming in Order und seiner Frau Petra Franke. Die beiden meinen dann kein Match im Handball, Tennis oder Hockey, sondern eines im E-Sport. Inklusive Vereins- und Fanrivalität. Andy Franke ist Fan des BIG-Clan – Berlin International Gaming – seine Frau schaut lieber dem Team Sprout zu. Auf Twitch oder YouTube Gaming treten Teams und Einzelspieler live gegeneinander an. Es gibt Profis, die vom E-Sport leben können. Und rund 34 Millionen Amateure. Sie messen sich in den Welten von League of Legends, Counter -Strike und Dota.
Während Gaming eine Freizeitbeschäftigung unter vielen ist, zählt beim E-Sport der Wettkampfgedanke. E-Sportler wollen besser sein als die anderen und sich kontinuierlich steigern. Dafür trainieren sie nach festen Plänen, halten sich körperlich fit und messen sich immer wieder im Wettkampf. Die Branche setzt inzwischen Millionenbeträge um. Mit Live-Events, Werbung, Sponsoring. Der blasse, untrainierte Teenie, kann in dieser Welt kaum mithalten.
„Immer noch gibt es das Image, das sind die Assis“
Andy Franke und Adrian Pohl, der mit Franke im Vorstand von Gaming in Order sitzt, ernten noch viel Stirnrunzeln, wenn sie in Leverkusen für das Thema E-Sport Klinken putzen. „Wir merken, das kommt nicht an. Man stößt auf Unverständnis“, sagt Pohl. Sie erzählen vom Versuch, im Forum Leverkusen eine E-Sport-Veranstaltung zu organisieren. „Es gibt dort kein Internet. Wir mussten erst erklären, dass das für E-Sport wichtig ist. Man schlug uns dann vor, das W-LAN zu nutzen“, erzählt Franke und sieht dabei noch immer ein bisschen fassungslos aus.
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Die Vorstellung, dass die Kapazität einer W-LAN-Verbindung ausreicht, wenn Hunderte Menschen gegeneinander online antreten, zeugt für ihn von einer massiven Wissenslücke. Auch mit den Verantwortlichen des Sportparks und der Ostermann Arena suchten Franke und Pohl das Gespräch. Eine Veranstaltung scheiterte letztlich am Budget. „Immer noch gibt es das Image, das sind die Assis, die kein Geld haben“, so Pohl. Dass der E-Sport nur wenig Geld habe, liege aber schlicht am jungen Alter der Spieler. Auch andere Klischees sind überholt, aber noch fest in den Köpfen verankert.
E-Sport ist noch Männerdomäne - Frauen in Games nicht abgebildet
Hannah Ufak aus Manfort sitzt in einem rosaroten Zimmer vor drei Bildschirmen. Die 24-jährige spielt Call of Duty. Etwa 250 Menschen haben den Clip auf Facebook gesehen, in dem sie live ihr Spiel streamt. Auch auf Twitch ist Ufak unter dem Namen „xxhellbarbiexx“ aktiv. „Ich glaube nicht, dass du das schaffst“, werfen ihr Männer skeptisch entgegen, wenn sie Mitspieler sucht, die genauso gut sind wie sie. Die Branche sei rein auf Männer ausgelegt, sagt Hannah Ufak. Charaktere, die wirklich aussehen wie Frauen, gebe es in den Spielen nicht. Das heißt auch: Es kommt keine Frau vor, die einen Mann besiegt. Dabei ist fast die Hälfte aller Gamer weiblich. Auch wenn nur die wenigsten professionell E-Sport betreiben.
Ein Ausflug in die 90er Jahre. Andy Franke traf sich schon damals im Elternhaus mit Freunden zum „klassischen Fifa Abend“. Bei „LAN-Partys“ maßen sich die Teilnehmer in Computerspielen. Später traf sich Franke in Internetcafés seiner Heimatstadt Jena mit Gleichgesinnten. Offline. Als er Mitte der 2000er Jahre in den Beruf einstieg und sich zurückzog, professionalisierte sich die Branche. Der Aufwand, den Spieler der bekanntesten Teams – wie die des BIG-Clans – betreiben, gleiche heute dem eines Leistungssportlers, sagt Franke: „Aus der Fernsehsessel-Haltung geht das gar nicht. Man muss so schnell reagieren, so viel verarbeiten. Der Zustand ist mit einem Profispiel vergleichbar.“
Stadt Leverkusen verpasst Chance junge Zielgruppe zu erreichen
Dem Keller ist E-Sport längst entwachsen. Rund 440 Millionen Menschen weltweit schauen die Spiele. „Die Jugendkultur ist zum Breitenphänomen geworden. E-Sport zieht in immer mehr deutsche Wohnzimmer ein“, beobachtet Andy Franke. In Leverkusen ist die Szene noch klein. Zwar hat Bayer 04 Leverkusen eine eigene E-Sport-Abteilung, trotzdem sagen Franke und Pohl, dass die Stadt hinterherhinkt: „Durch Bayer 04 gibt es ein gutes Potenzial, den E-Sport in der Stadt zu verankern. Doch das muss auch abgerufen werden.“ Vor der letzten Wahl habe man alle Parteien kontaktiert und Kontakte gesucht. Doch die Resonanz sei dürftig. Franke spricht von einer verschenkten Chance der Parteien, die Altersgruppe der 14 bis 20-Jährigen zu erreichen.
Pohl und Franke wollen, dass die jungen Spieler sich auch außerhalb des Netzes kennenlernen und sich in Vereinen organisieren. „So können sie sich vernetzen und lernen, was soziales Engagement bedeutet“, sagt Franke. Empathievermögen und Kommunikation seien unerlässlich für jeden, der E-Sport professionell betreiben möchte. Wer im Team spiele oder im Verein mitwirke, erlerne diese Fähigkeiten.
Der Kontakt mit anderen Spielern ist auch entscheidend, wenn jemand zu sehr in die virtuelle Welt abtaucht. Seit 2019 ist „Gaming Disorder“, also Computerspielsucht, eine anerkannte Krankheit. Euphorie und lange Spieleinheiten, wenn ein neues Game veröffentlicht wird, seien normal, sagen Pohl und Franke. Aber wenn jemand das Haus kaum noch verlasse und mit dem Kopf permanent beim Spiel sei, seien das Symptome, die ernst genommen werden müssten. Um gesund zu bleiben, müsse auch das Offline-Leben noch stattfinden.