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Geburt in Corona-Zeiten„Dass die Frauen keinen Besuch bekommen, ist ein Segen“

Lesezeit 5 Minuten
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Laura Weihs aus Opladen will ihr Baby zu Hause bekommen.

  1. Schwanger sein in Zeiten von Corona. Das bedeutet Abschied nehmen von einst festgesteckten Plänen.
  2. Hausgeburten boomen, Hebammen verlegen sich auf Online-Kurse und der Alltag auf den Geburtsstationen verändert sich.
  3. Eine Ärztin, zwei Hebammen, eine Mutter und eine Schwangere erzählen über ihren Umgang mit der Situation.

Leverkusen – Die Geburt ihres ersten Kindes hat Laura Weihs sich anders vorgestellt. Das Baby der Opladenerin sollte im Vinzenz-Pallotti-Hospital in Bergisch Gladbach zur Welt kommen, mit ihrem Mann wollte die 32-Jährige ein Familienzimmer beziehen. Auf den Rundumservice von Stillcafé bis Wickelhilfe hatte sie sich „ziemlich verlassen“, sagt sie. Corona hat ihre Pläne und Vorstellungen auf den Kopf gestellt. Laura Weihs will ihr Kind im Juni zu Hause zur Welt bringen.

Dagmar Bialek von der Hebammenpraxis Opladen begleitet sie. „Als letzte verbliebene Hilfe, sozusagen. Gerade jetzt merkt man, wie wichtig Hebammen sind“, sagt Weihs. In ihrer Wunsch-Klinik hätte ihr Partner nicht mit auf Station gedurft. Für die Leverkusenerin unvorstellbar. Die Corona-Krise stellt alles auf den Kopf, auch die Situation von werdenden Müttern und Vätern. Viele sind verunsichert.

Opladener Klinik hält Plätze für Corona-Patienten frei

Auf der Station für Gynäkologie und Geburtshilfe im St. Remigius Krankenhaus in Opladen von Chefärztin Dr. Mahdis Najafpour sind im Moment nur etwa zehn der 40 Betten belegt. Die restlichen 30 Plätze werden soweit es geht freigehalten, für künftige Corona-Patienten. Mitarbeiter bauen ihre Überstunden ab, um später voll einsatzbereit zu sein. Operationen werden nach hinten geschoben, oft auf Initiative der Patienten selbst. „Alleine heute waren es vier, die von sich aus die OP abgesagt haben. Sie wollen das Risiko der Ansteckung nicht in Kauf nehmen – und das Krankenhaus kenhaus entlasten“, so Najafpour.

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Chefärztin Mahdis Najafpour (r.) und Oberärztin Judith Abdulai-Bebobru vom Remigius Krankenhaus wollen Schwangeren ihre Ängste nehmen. 

Findet meine Geburt wie geplant statt? Kann ich meinen Partner mitnehmen? Darf ich im Krankenhaus Besuch empfangen? Das seien die häufigsten Fragen, mit denen Frauen gerade auf sie zukommen, sagt die Chefärztin. „Viele Ängste lassen sich am Telefon nehmen. Wenn sie hören, dass der Vater mit im Kreißsaal dabei sein kann, sind die meisten schon beruhigt“, so Najafpour. Dass die Partner bei der Geburt dabei sind, ist für die Ärztin gesetzt. Der Vater sei „genauso wichtig“ und gerade dieser erste Kontakt, etwa das Durchtrennen der Nabelschnur, sei von großer Bedeutung.

Im Opladener Krankenhaus werden Wartezeiten für Schwangere so gering wie möglich gehalten. Die Frauen kommen zum Termin direkt auf die Geburtsstation. In der Klinik gilt: Mundschutz tragen, Hygiene streng beachten. Und den stationären Aufenthalt möglichst kurz halten. „In das Familienzimmer dürfen zwei Personen. Maximal ein Besucher ist erlaubt und nur für eine bestimmte Zeit“, so Najafpour. Bisher laufe alles reibungslos.

"Geburt lief genauso ab wie vor drei Jahren"

Magdalena Thiel hat vor zwei Wochen im Klinikum in Schlebusch ihr zweites Kind zur Welt gebracht. Ein Junge. „Jetzt ist alles super“, sagt sie. Sie sei „nicht der Typ“, der sich durch Corona beunruhigen lässt. Ihre Gedanken konzentrierte sie voll auf die Geburt, an Corona habe sie da gar keine Gedanken verloren. Nur als kurzzeitig zur Debatte stand, ob Väter dem Kreißsaal fernbleiben müssen, sei ihr mulmig geworden. „Da haben wir uns einen Kopf drüber gemacht. Aber als dann das Statement der Klinik öffentlich war, dass die Partner weiter dabei sein können, war ich deutlich beruhigt“, sagt sie.

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Die Geburt sei fast genauso abgelaufen wie vor drei Jahren, als ihre Tochter zur Welt kam. „Anders war nur der Mundschutz, den alle tragen mussten. Und dass wir auf der Mutter-Kind-Station keinen Besuch empfangen durften“, so Thiel. Das habe aber auch positive Seiten gehabt. Es sei auf der Wochenbettstation deutlich ruhiger gewesen als bei ihrer ersten Geburt. Die Unruhe, wenn ständig Besuch hereinströme, spüre auch das Kind. „So war man selbst viel entspannter, es war harmonischer“, sagt Thiel.

Was derzeit fehlt, ist der soziale Kontakt. Den Ausfall von Rückbildungskursen und Babymassage kompensiert sie durch Youtube und Online-Kurse. Aber das Persönliche sei nicht zu ersetzen. Auch Dagmar Bialek gibt ihre Kurse zu Geburtsvorbereitung, Schwangerschaftsgymnastik und Schwangerenyoga jetzt online. „Die Frauen freuen sich total, dass der Kontakt noch besteht. Sie wollen dieses Stück Normalität und das Treffen mit Gleichgesinnten“, sagt sie.

Corona führt zu deutlich mehr Hausgeburten

Die Nachfrage nach einer ambulanten Geburt steige gerade unheimlich stark an. Bialek findet diese Entwicklung gut: „Ich sehe, dass die Frauen das Wochenbett viel stärker zelebrieren. Dass kein Besuch kommt, ist ein Segen und die Umstellung auf die Rolle als Mutter, das zusammenfinden als Familie, geht so viel besser“, sagt sie.

Wenn das Kind von Laura Weihs auf der Welt ist, wird Dagmar Bialek jeden Tag nach dem rechten schauen. Den Gesundheitszustand eines Neugeborenen online zu beurteilen, das sei schlicht nicht möglich. Nach einer Hausgeburt sind die Frauen direkt auf sich gestellt. Die Handgriffe, die Laura Weihs in einem Krankenhaus jemand immer wieder gezeigt hätte, muss sie nun selbst direkt anwenden.

Die Eigenständigkeit, zu der die neuen Eltern gerade von Anfang an gezwungen sind, sieht Hebamme Tanja Welling positiv. Bei den Vorgesprächen, in denen sich Schwangere und Hebamme kennenlernen, prüft Welling normalerweise den Mutterpass. Das machen die Frauen nun via Video und unter Anleitung der Leverkusener Hebamme selbst. „Das interessante ist, dass die Frauen sich jetzt zum ersten Mal selbst mit diesen Dingen beschäftigen. Und wissen, was in so einem Pass drinsteht“, so Welling.

Hebammen müssen selbstständig für Schutz sorgen

Tanja Welling hält sich bei ihrem Weg an die Empfehlungen des Bundes freiberuflicher Hebammen. Keine zusätzlichen Personen während des Hausbesuches, diese möglichst kurz abwickeln und wo es geht Abstand halten. Vorgespräche führt Welling jetzt online durch, per Skype oder Zoom. Das funktioniert besser, als sie erwartet habe, sagt die Freiberuflerin. Mit Desinfektionsmittel, Handschuhen und Masken versorgen die Hebammen sich selbst. Welling hat gerade Atemschutzmasken aus China bestellt, andere Hebammen haben selbst genäht und die Masken unter sich verteilt. Von offizieller Seite erhalten sie keine Mittel. „Dabei sind wir systemrelevant“, sagt Welling.

Es gibt erste Male, die die Opladenerin Laura Weihs mit ihrem Baby nicht erleben wird. Die Babyparty ist abgesagt, das Babyschwimmen wird nicht stattfinden können. Doch sie ist entspannt und möchte einfach die Zeit mit ihrem Kind genießen.