Eigentlich ist Holger Schmitz Jurist und arbeitet in der Rechtsabteilung der Kreishandwerkerschaft Bergisches Land. Gestern war Schmitz jedoch statt im Anzug, in Arbeitshose in der Produktionshalle des Holzdoktors zwischen Maschinen und Holzplatten anzutreffen. Einen Tag lang war er dort Praktikant und konnte in den Tischlereibetrieb buchstäblich hineinschnuppern, denn dort riecht es – anders als in seinem Büro – nach Sägespäne und Holz. Wie Holger Schmitz haben auch alle anderen Mitarbeiter der Kreishandwerkerschaft ihren gewohnten Arbeitsplatz verlassen, um einmal den Berufsalltag derer kennenzulernen, mit denen sie tagtäglich zu tun haben.
Insgesamt 2400 Mitgliedsbetriebe vertritt die Kreishandwerkerschaft in der Region Leverkusen, Rheinisch-Bergischer Kreis sowie im Oberbergischen Kreis. Neben Bäckereien, einem Malermeisterbetrieb oder einem Friseurladen haben die knapp 20 Mitarbeiter auch Einsatzstellen bei einer Dachdeckerei und zwei Autohäusern gefunden. Schmitz hat sich für die Tischlerei Holzdoktor in der Opladener Bahnstadt entschieden, die dort seit 10 Jahren ansässig ist. Kleine Dinge baut Schmitz auch zu Hause gerne selbst, auf die Idee sich einige eigene Küche zu bauen, käme er jedoch nicht. „Ich habe keine zwei linken Hände und packe gerne selbst an, aber irgendwann stößt man an seine Grenzen, wenn man das Handwerk nicht gelernt hat“, sagt Schmitz.
Den Vormittag verbrachte er am Plattenzuschnitt. „Auch hier muss ökonomisch gedacht werden, natürlich will ein Betrieb möglichst wenig Verschnitt haben“, erklärte er. Seit 15 Jahren arbeitet Schmitz in seinem Beruf und steht vor allem telefonisch in Kontakt mit den handwerklichen Betrieben. „Durch das Praktikum erhält man aber ein besseres Verständnis dafür, wie es ist Unternehmer zu sein und wie der Arbeitsalltag eigentlich aussieht“, so Schmitz.
Sein eintägiger Praktikumsbetreuer ist Unternehmensgründer Kevin Rasche. „Ich finde die Idee des Praktikums super, weil es das Verständnis davon verbessert, was das Handwerk eigentlich beinhaltet und mit welchen Regeln und Richtlinien wir uns tagtäglich beschäftigen“, erklärte Rasche. Neben einer Lehrstunde im Plattenzuschnitt durfte Schmitz auch einen kleinen Exkurs in der Materialkunde über Scharniere mitmachen. „In dem Moment habe ich mich wie ein Auszubildender gefühlt“, sagt Schmitz lachend. Dass es speziell um Scharniere ging, hatte seinen Grund, so Rasche. Der Tischlermeister bespricht mit allen Mitarbeitern wöchentlich, was gut gelaufen ist, thematisiert aber auch Fehler und wie diese vermieden werden können. Insgesamt sieben Mitarbeiter beschäftigt Rasche in der Produktion, zudem zwei weitere Kräfte im Büro. „Der Wunsch nach hochwertigeren, individuell gestalteten Dingen wird größer“, erklärte er. Auch die Qualität der Stücke spiele eine immer wichtigere Rolle. Vor allem Einbauschränke werden bei Rasche und seinem Team in Auftrag gegeben, aber auch Praxismöbel und Theken. „Viele wissen nicht, dass eine Tischlerei schon immer ein Holz und Kunststoff verarbeitender Betrieb war. Es geht nicht ausschließlich um Holz, sondern auch um Glas und Metall“, erklärt er. Als Tischler müsse man Vor- und Nachteile vieler Materialien kennen.
Mit der fortschreitenden Technik und Digitalisierung werden zudem neue Spielarten möglich, die das Berufsbild des Tischlers stark verändern. Für neun Mitarbeiter stehen in den Produktionsstätten des Holzdoktors insgesamt sieben Computer zur Verfügung, über die mit speziellen Programmen die Maschinen gesteuert und Zeichnungen gemacht werden.
Auch für das Gesellenstück von Linus van Hold hängen große, digital angefertigte Zeichnungen an der Wand der Produktionshalle. Da nicht jeder Handwerksbetrieb teure Maschinen wie eine CNC-Fräsmaschine besitzt, die Bedienung dieser aber Teil der Ausbildung ist, hat sich die Kreishandwerkerschaft um die Anschaffung einer solchen Maschine für die Berufsschule gekümmert. Auch auf die Inhalte und Prüfungen in der Ausbildung haben die Handwerksbetriebe viel Einfluss und können so die notwendigen Veränderungen erwirken. „Dass die Betriebe dort Mitspracherecht haben, ist ein großer Vorteil, da es ständig Veränderungen gibt. Wäre das nicht so, wären wir wahrscheinlich noch auf dem Stand von Meister Eder“, bekräftige auch Schmitz, der nach seinem erfolgreichen Praktikumstag viel Inspiration für seine eigenen kleinen Bauprojekte mitnimmt. „Ich finde das Berufsbild Tischler nach wie vor sehr interessant und habe schon viele Ideen im Kopf, wie ich zu Hause selbst etwas mit Holz gestalten kann“.
Kevin Rasche, Tischlermeister