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Baue kontrolliertWie geht es den ausgewilderten Hamstern im Zülpicher Ortsteil Geich?

Lesezeit 4 Minuten
Zwei Feldhamster beschnuppern einander Nase an Nase.

Die Chance auf so ein Foto von Feldhamstern bietet sich äußerst selten. Es entstand bei einer Auswilderungsaktion.

Feldhamster kann man kaum zählen, ihre Baue schon. Die Anzahl gibt Auskunft darüber, wie es der neuen Population bei Zülpich-Geich geht.

Seit gut einem Vierteljahr gibt es wieder Feldhamster in der Zülpicher Börde. Rund 100 Tiere sind im April und Anfang Mai bei Zülpich-Geich ausgewildert worden. Jetzt ist es Zeit zu kontrollieren, wie es den Tieren geht. Denn das Leben in Freiheit ist voller Gefahren, auch wenn das Gelände zum Schutz vor dem Fuchs mit einem Gitterzaun gesichert ist und über den Eingängen der Baue Hauben aus Drahtgeflecht Greifvögel fernhalten sollen.

So einfach zählen lassen sich die Nager allerdings nicht. Sie sind nachtaktiv, und sollte doch mal eines in der Dämmerung unterwegs sein, kann es sich blitzschnell durch eine senkrechte Fallröhre im Bau in Sicherheit bringen. Bleibt also nichts anderes übrig, als nachzuzählen, wie viele Baue es gibt, die bewohnt wirken. Das ist ein mühsames Geschäft.

Lange bevor die ersten Hamster einzogen, hatten der Kreis Euskirchen und die Biologische Station im Kreis Euskirchen auf der fünfeinhalb Hektar großen Fläche Getreide, Luzerne, Sonnenblumen und noch allerhand mehr gesät. Was den Tieren Nahrung und Deckung bietet, macht die Suche nach den Bauten schwerer.

Die Fallröhre eines Hamsterbaus ist größer als ein Mäuseloch

Ute Köhler, die das Hamsterprojekt für die Biostation betreut, hat Unterstützung mitgebracht: Alex Schieweling-Brehm von der Biologischen Station Düren, Hubert Metzen, der Bundesfreiwilligendienst leistet, Sarah Linden, Praktikantin in der Biostation Euskirchen, sowie Olivia Piasecki und Finn Vogel, die Praktika in der Biostation Düren machen. Ute Köhler erklärt, worauf geachtet werden muss. Die Fallröhre des Hamsterbaus hat einen Durchmesser von sechs bis acht Zentimetern, schon etwas größer als ein Mauseloch.

Drei Menschen sind von hinten zu sehen. Sie gehen in einer Reihe durchs Getreide.

In einer Reihe, mit zwei Metern Abstand, durchkämmen die Helferinnen und Helfer das Areal auf der Suche nach Hamsterbauten.

Hubert Metzen  misst mit dem Zollstock, wie tief der Hamster gegraben hat. Dazu steckt er einen Stab in den Boden.

Hubert Metzen misst mit dem Zollstock, wie tief der Hamster gegraben hat.

Um die Öffnung findet man oft eine kleine Fläche, die kahlgefressen ist. Typisch ist ein Erdhaufen neben dem Loch, manchmal sind Laufgänge im Bewuchs zu sehen. Die Ausrüstung der Truppe ist teils analog, teils digital: Bambusstöcke, Zollstock, Tablet. Und vor allem: die menschlichen Sinne. „Wir kartieren die Baue ein bisschen mit den Füßen“, sagt die Diplom-Biologin.

Löcher oder Erdhügel, die im hohen Getreide nicht zu sehen sind, spürt man, wenn man drauf- oder hineintritt. Mit den Bambusstöcken wird rechts und links nach Unebenheiten gestochert. So wandert die Truppe langsam durch die Vegetation, in einer Reihe, mit etwa zwei Meter Abstand zum Nebenmann oder zur Nebenfrau. Und das drei Tage lang. Wer fündig wird, gibt Bescheid.

Tiefe und Durchmesser der Löcher werden mit dem Zollstock gemessen

Dann kommt der Zollstock zum Einsatz, der Durchmesser der Löcher wird ermittelt, ebenso die Tiefe der Löcher. „94 Zentimeter.“ Sarah Linden freut sich: „Das ist ein Rekord.“ Doch Olivia Piasecki verpasst ihrer Euphorie rasch einen Dämpfer. „Wir hatten schon 122 Zentimeter.“ Ute Köhler trägt die Daten auf dem Tablet ein, das ortet auch die exakte Lage der Baue, die dann als Punkte auf einer Karte erscheinen. Vermessen wird auch der Abstand der schrägen Röhren zur Fallröhre.

Alex Schieweling-Brehm und Olivia Piasecki halten einen Zollstock, Ute Köhler ein Tablet.

Alex Schieweling-Brehm (l.) und Olivia Piasecki (r.) messen, wie weit die Löcher eines verzweigten Hamsterbaus voneinander entfernt sind. Ute Köhler trägt die Ergebnisse ein.

Neben einem Loch im Ackerboden ist Erde aufgehäuft, es führen Gänge durchs Getreide.

Deutlich ist nicht nur der Eingang zum Hamsterbau zu sehen, sondern auch die Laufwege des Nagetiers sind unverkennbar.

Bevor die Hamster bei Geich ausgesetzt wurden, waren sogenannte Initialbauten angelegt worden: Röhren, in die die kleinen Tiere schlüpfen konnten, sobald sie die Transportbox verlassen hatten. Dass viele dieser Initialbauten nun verlassen sind, macht Ute Köhler keine Sorgen, das sei normal. Normal sei auch, dass es vor allem in den ersten Wochen erhebliche Verluste unter den Tieren gebe. „Wenn die Hamster aus Gefangenschaft kommen, kennen sie ja nichts.“

Optimismus, dass Zülpicher Hamster Jungtiere großgezogen haben

Die neuen Zülpicher Hamster sind übrigens Nachkommen der alten Zülpicher Hamster. Die Population war damals stark zurückgegangen, als nur noch acht Baue gefunden wurden, hatte man in den Jahren von 2015 bis 2017 die letzten Tiere eingefangen und im Artenschutzzentrum Metelen des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) untergebracht.

Die Daten, die die Biostation jetzt auf der Auswilderungsfläche erhoben hat, werden nun ausgewertet. Ute Köhler zeigt sich jedenfalls „einigermaßen zufrieden“. Sie ist optimistisch, dass die neuen Feldbewohner auch schon die ersten Jungtiere in Freiheit großgezogen haben. Und dass sie sich anschicken, das umzäunte Gelände zu verlassen und auch auf umliegenden Äckern Baue zu graben.

Ausgesetzte Feldhamster tragen in Zülpich Mikrochip unter dem Fell

Partner im Hamsterprojekt sind nicht nur Kreis und Biostation, sondern auch Landwirte, die Flächen zur Verfügung stellen. Wenn sich die Population ausbreitet, werden auch Streifen der umliegenden Äcker nicht abgeerntet. Dem Hamster zuliebe, der lange Zeit als Schädling galt und bis vor wenigen Jahrzehnten noch bekämpft wurde. Immerhin sammelt er bis zu fünf Kilo Getreide in seiner Vorratskammer.

Genauere Erkenntnisse könnten die Hamsterschützer bekommen, wenn sie einzelne Tiere in Fallen fangen, scannen und wiegen würden. Die ausgesetzten Exemplare tragen einen Mikrochip unterm Fell, sie könnten identifiziert werden. Die Methode ist allerdings ziemlich aufwendig. „Vielleicht machen wir das im nächsten Jahr“, sagt die Biologin. Dann würden höchstwahrscheinlich auch noch weitere Hamster ausgesetzt.

Den Freilebenden steht demnächst eine harte Bewährungsprobe bevor: der Winter. Dass bis zu 50 Prozent der Population den nicht überlebe, sei durchaus normal, weiß die Expertin. Deshalb heißt es für die Geicher Hamster, jetzt erst einmal fleißig graben und dann die Baue mit Vorräten füllen.