Die Flut hat den Mühlenhof bei Lommersum stark beschädigt. Nun müssen freiwillige Helfer das Haus aus dem 17. Jahrhundert in wenigen Tagen entrümpeln.
Nach der Flut 2021Der Mühlenhof bei Lommersum muss nun in wenigen Tagen entrümpelt werden
Auf den ersten – und erst recht auf den zweiten und dritten – Blick ist es ein Wahnsinnsprojekt. Das Fachwerkhaus auf dem Mühlenhof zwischen Lommersum und Vernich wird nur durch Streben und dicke Balken vor dem Einsturz bewahrt. Im Inneren sind die eigentlich tragenden Balken teilweise durch die Kraft des Wassers gebrochen – oder erst dann, als das Wasser weg war und das alte Gemäuer sich wieder gesetzt hatte.
Auf den ersten und erst recht auf den zweiten und dritten Blick ist das Haus eigentlich nur noch abbruchreif – doch nicht für Angelika Kohlgraf. Für die Eifelerin ist der Mühlenhof nichts anderes als ein magischer Ort, an dem sie vor vielen Jahren Reiten gelernt hat. Und so hat sie sich in den Kopf gesetzt, ihn nicht nur zu erhalten, sondern wiederaufzubauen und schöner zu machen.
Mühlenhof bei Lommersum: Haupthelferin hat viele Unterstützer
Mit diesem Vorhaben ist sie nicht allein – immer wieder wird Kohlgraf von fleißigen Helfern unterstützt. Und das Rheinische Amt für Denkmalpflege ist mittlerweile mit im Boot – auch, weil im Obergeschoss noch der alte, originale Mühlstein liegt. Wie alt der ist? Das weiß keiner. Der Denkmalschutz ist auch darum involviert, weil man trotz der gewaltigen Schäden erahnen kann, dass das Haus aus dem 17. Jahrhundert vor der Flut praktisch in einer Zeitblase festgesteckt haben muss.
Doch für Erinnerungen bleiben Kohlgraf und ihren Helfern in den kommenden Tagen keine Zeit. Bis Montagmorgen muss das Haus entrümpelt sein. Der Grund: Der Gutachter hat nur an diesem Tag Zeit und benötigt einen mehr oder weniger besenreinen Mühlenhof, um seine Expertise erstellen zu können. Die wiederum ist notwendig, um anschließend Anträge für Wiederaufbauhilfe und Fördergelder beim Denkmalschutz beantragen zu können, erklärt Kohlgraf.
Und einen geeigneten Gutachter zu finden, der sich einerseits mit Wiederaufbauhilfe, anderseits mit Denkmalschutz auskenne, sei halt schwierig gewesen. Daher habe sie das Angebot angenommen – trotz aller Herausforderungen, die der kurzfristige Termin mit sich bringe.
Das Ausräumen wurde bislang nicht in Angriff genommen, weil das Haus zunächst einsturzgefährdet war. Danach war völlig unklar, ob es nicht doch abgerissen werden muss. Der Denkmalschutz war noch nicht involviert, es gab noch keinen Gutachter. So wurde sicherheitshalber zunächst nichts verändert. Nun muss es aber schnell gehen. Doch das schreckt Kohlgraf nicht: „Wir haben in den drei Jahren schon ganz andere Dinge umgesetzt bekommen.“
Der Eifelerin gehört der Hof übrigens nicht. Für sie ist es nur ein magischer Ort. Helga Lagier und ihre 98 Jahre alte Mutter Klara leben auf dem Areal direkt neben der Westernstadt Lubbock Town – seit der Flut aber nicht mehr in dem Fachwerkhaus, sondern in gestifteten Wohncontainern. An diesem Donnerstagnachmittag kümmert sich Helga – wie jeden Tag – nicht nur um ihre pflegebedürftige Mutter, sondern auch um den Hof, auf dem zahlreiche Pferde nach wie vor ihr Zuhause haben. Währenddessen wird wieder einmal kräftig gewirbelt. Kohlgraf hat ihre Kontakte genutzt und in Sozialen Netzwerken einen Aufruf gestartet.
Entrümpelung: Stützstrebe muss für Ofen weichen
Ihm sind einige Helfer gefolgt, die Schrittchen für Schrittchen das Haus entrümpeln. Und das ist gar nicht so einfach. Durch die Streben und Balken kann man längst nicht uneingeschränkt agieren. Und so muss auch an diesem Donnerstagnachmittag eine Stützstrebe umgesetzt werden, um einen kleineren Ofen aus dem Haus, das im 17. Jahrhundert erstmals urkundlich erwähnt worden ist, herauszuholen. Vor dem Haus versuchen die Helfer ein wenig zu sortieren. Es gibt einen Ablageplatz für Holz – Schutt wird sofort in den Container gekippt – und einen Ablageplatz für Wir-wissen-nicht-so-recht-was-es-ist, wie es Kohlgraf ausdrückt.
Die Fluthelferin, die gut drei Jahre nach der Flut gerne immer noch als solche bezeichnet wird, ist froh darüber, dass sich übers Wochenende einige Unterstützer angekündigt haben. Einer von ihnen ist Matthias, der aus Gummersbach nach Lommersum gekommen ist. Nicht das erste Mal seit der Hochwasserkatastrophe – und wahrscheinlich auch nicht das letzte Mal.
„Es macht mir Spaß, hier zu helfen“, sagt er. Er habe auch im Ahrtal unterstützt. Der Schreiner ist bereits seit Mittwoch in Lommersum und will helfen, dass das Vorhaben „besenreiner Hof bis Montag“ tatsächlich umgesetzt werden kann.
Wohl wissend, dass dann die Arbeit irgendwann erst beginne. „Wir wollen für Gesellen und Meister aus der Baustelle gerne eine offene machen, damit hier an sehr alter Bausubstanz geübt werden kann“, so Kohlgraf. Und dann soll ja auch noch der Hochwasserschutz vorangetrieben werden.
„Die Fluthilfe finanziert zwar Hochwasserschutz, aber nur auf Gebäude bezogen. Eine Mauer, die das Wasser einfach und effektiv abhalten würde, geht deshalb nicht“, so Kohlgraf. Und da es sich auch noch um ein Wasserschutzgebiet handele, werde die Sache nicht einfacher. Aber auch davon lassen sich Kohlgraf und ihre Helfer nicht entmutigen. „Wenn man nicht anfängt, kann man auch nicht fertig werden“, so die Helferin.
Spendenkonto und helfende Hände
Helfende Hände werden auf dem Mühlenhof in Lommersum bis Montag noch einige benötigt – auch darüber hinaus. „Wer helfen möchte, kann sich gerne per Mail melden“, sagt Organisatorin Angelika Kohlgraf. Aufgrund der baulichen Situation und des Denkmalschutzes können Kohlgraf zufolge aber nicht 50 Helfer gleichzeitig ins Haus. Zudem habe der Denkmalschutz ein Spendenkonto eingerichtet.