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Traumazentrum schließtHilfsangebot für Flutbetroffene in Gemünd wird eingestellt

Lesezeit 5 Minuten
Blick auf das Hilfszentrum, an dem ein großes Transparent hängt.

Im Hilfszentrum Schleidener Tal gibt es aber auch im kommenden Jahr noch Unterstützungsangebote für Flutbetroffene.

Die Interkommunale Psychosoziale Unterstützung für Flutbetroffene in Gemünd wird zum Jahresende eingestellt. Das Pilotprojekt des Landes läuft aus.

„Irgendwann ist jeder Einsatz einmal zu Ende“, sagt Frank C. Waldschmidt, Leiter der Psychosozialen Unterstützung der Malteser-Fluthilfe NRW. Das gelte auch für die Interkommunale Psychosoziale Unterstützung (IPSU), in deren Rahmen flutbetroffenen Menschen zwei Jahre lang in Gemünd geholfen wurde. Das vom Land geförderte Pilotprojekt läuft zum Jahreswechsel aus.

Danach wird es noch ein auf ein Jahr befristetes Nachfolgeprojekt geben. „Die Menschen müssen ja auch irgendwann wieder in der Normalität ankommen“, erklärte der Schleidener Bürgermeister Ingo Pfennings. Im Hilfszentrum Schleidener Tal werde das Angebot im kommenden Jahr ebenfalls zurückgefahren.

„Wir hatten schon in der Flutnacht festgestellt, dass Betroffene, Einsatzkräfte, Helfer und Bürger stark traumatisiert waren“, erinnert sich der Bürgermeister. Deshalb seien auch schon einige Tage nach der Flut Teams der Malteser und anderer Organisationen im Einsatz gewesen. „Bereits in den ersten vier Wochen gab es rund 2500 Interventionen“, berichtete Waldschmidt. Die Stadt habe daraufhin auch auf seinen Ratschlag hin eine Beratungs- und Koordinierungsstelle (BeKo) eingerichtet, die unter anderem den Auftrag gehabt habe, den Hilfebedarf zu ermitteln.

Frank Waldschmidt, Wolfgang Heidinger, Ingo Pfennings und Michaela Kratz sitzen nebeneinander mit einem Tisch, auf dem ein Laptop steht.

Eine positive Bilanz des IPSU zogen (v.l.) Frank Waldschmidt, Wolfgang Heidinger, Ingo Pfennings sowie Michaela Kratz von der Gemeinde Kall.

Um Angebote von verschiedenen Organisationen zu bündeln, wurde dann im Dezember 2021 das Hilfszentrum Schleidener Tal eröffnet. Dabei handelt es sich um ein Gemeinschaftsprojekt der Stadt Schleiden, der Malteser, der Caritas, der Arbeiterwohlfahrt und weiterer Akteure. „Bis Februar 2022 hatten wir bereits 900 Kontaktaufnahmen von Betroffenen“, so Waldschmidt.

Das Gebäude hatten die Malteser angemietet. Flutopfer erhielten dort Beratungen, Trauer- und Nachsorgeangebote, Traumatherapien und Hilfe bei den Anträgen. Die Bandbreite der Probleme bei den Betroffenen reichte von Einsamkeit über Überforderung bis hin zu schweren Traumata. Die Betroffenen mussten wegen der Angebote nicht lange auf einen Termin warten oder weite Fahrten in Kauf nehmen.

Traumazentrum als interkommunales Leuchturmprojekt realisiert

„Schon bei der Eröffnung des Hilfszentrums wurde über die Einrichtung eines Traumazentrums gesprochen“, sagte Pfennings. Hilfesuchend habe man sich an das Land gewandt. Ministerin Ina Scharrenbach habe dann auf einen Topf für interkommunale Leuchtturmprojekte verwiesen. „Kall und Hellenthal haben zum Glück mitgemacht“, meinte der Bürgermeister. Das IPSU wurde in der ersten Etage des Hilfszentrums untergebracht.

Die Anfrage des Landes, ob man mit dem IPSU auch Euskirchen und Bad Münstereifel mitversorgen könne, habe man mangels Personalkapazitäten ablehnen müssen. „Trotzdem wurde natürlich auch Betroffenen aus anderen Kommunen geholfen“, betonte Pfennings. Das Land NRW übernahm 90 Prozent der Gesamtkosten in Höhe von knapp 600.000 Euro. Die restlichen zehn Prozent (rund 60.000 Euro) mussten die drei beteiligten Kommunen bezahlen.

Im IPSU steht ein Expertenteam aus Therapeuten, Psychologen sowie einer Psychiaterin den Menschen für Einzelgespräche und Gruppenangebote zur Verfügung. Das breite Spektrum reicht von der Prüfung der Dringlichkeit der Anfrage und medizinisch-psychologischer Beratung über soziale Beratung, Seelsorge und stabilisierende Psychotherapie im Einzel- und Gruppensetting bis hin zu Traumatherapie, kunsttherapeutischen Angeboten, tiergestützte Therapie oder Verhaltenstherapie Stressbewältigung.

Menschen selbstständig und widerstandsfähig machen

Ziel der Unterstützung ist, die Menschen wieder selbstständig zu machen und bestenfalls widerstandsfähig im Hinblick auf mögliche künftige Krisen. Die Zahl der Kontakte mit Betroffenen lag nach Angaben von Waldschmidt 2023 bei rund 1000. In diesem Jahr waren es in den ersten drei Quartalen 680 Termine mit 185 Betroffenen. 57 davon waren erstmals bei einer Beratung.

„Insgesamt gab es bis Ende November 1277 Erstgespräche, 1568 niederschwellige Beratungen, 816 bearbeitete Fluthilfeanträge, 4188 Fälle von stabilisierender Psychotherapie und 989 Seelsorge- und Traumatherapien“, bilanzierte Waldschmidt. Drei Viertel der Hilfesuchenden seien Frauen gewesen. Das Café Lichtblick im Hilfszentrum hätten 1741 Menschen besucht.

Wolfgang Heidinger, Bundesbeauftragter der Malteser für die Fluthilfe, lobte die gute Zusammenarbeit mit den Kommunen und den anderen Hilfsorganisationen. „Man musste es erst einmal hinbekommen, dass sich die Menschen öffnen“, sagte Heidinger. Ein gewisser Bedarf sei immer noch vorhanden: „Deshalb haben wir auch eine Lösung gefunden, wie dieser Bedarf gedeckt werden kann.“ Das Angebot sei aber deutlich reduziert und auf ein Jahr begrenzt. Es soll im Januar vorgestellt werden.

Die Erfahrungen mit den verschiedenen Unterstützungsangeboten werden vom Land ausgewertet. „Die Besonderheit bei dem Projekt ist, dass von 2021 an Schlussfolgerungen gezogen werden können“, hob Waldschmidt hervor. „Ich glaube, dass wir mit den zahlreichen Unterstützungsangeboten Suizide verhindert haben“, meinte Pfennings abschließend.


Kreis Euskirchen stellt Fluthilfe nicht ein

„Wir werden die Beratungen fortsetzen, so lange es nötig ist. Allein dieses Jahr haben die Berater des Kreises Euskirchen etwa 1000 Beratungen durchgeführt, die allermeisten in der Stadt Euskirchen“, sagt Wolfgang Andres, Pressesprecher des Kreises auf Anfrage. Seit Beginn der Flutkatastrophe habe der Kreis mehr als 9000 Beratungen durchgeführt, so Andres. Da die Nachfrage aktuell zwar immer noch hoch, die Auslastung aber recht unterschiedlich sei, gebe es aber Anpassungen.

Das Angebot in Euskirchen bleibe unverändert. Wer Hilfe braucht, erhalte sie täglich, so Andres. In Schleiden bleibt das Beratungsangebot bis 31. März 2025 unverändert. Dann ende der Mietvertrag. „Anschließend folgen eine Evaluierung und eventuell ein neuer Standort“, so Andres. In Weilerswist und Bad Münstereifel beendet der Kreis sein Beratungsangebot zum 31. Dezember 2024. Beratungstermine gibt es online unter www.kreis-euskirchen.de („Termin Wiederaufbau“ auf der Startseite) oder unter Tel. 0 22 51 / 15 88 50. (tom)


Malteser schließen Fluthilfebüros

Die Malteser Fluthilfe wird zwar weiterhin ihre bundesweite Koordinierungsstelle in Ahrweiler betreiben, schließt aber wie geplant zum Jahresende die Fluthilfebüros in der Hochstraße in Euskirchen und in der Kurverwaltung in Bad Münstereifel.

An sechs Standorten in Nordrhein-Westfalen und vier in Rheinland-Pfalz hatten die Malteser Anlaufstellen geschaffen, um die Hilfeleistungen zu bündeln. So berieten die Malteser bei der Beantragung von spendenfinanzierten Leistungen und vermittelten psychosoziale Unterstützung. Bis Ende 2023 bearbeiteten die Malteser 1050 Einzelfallhilfe-Anträge, wie die Organisation mitteilt.

Auch in das Gemeinwesen wurde investiert, etwa in den Bau einer Schul-Freiluftsporthalle, einer Boulderwand sowie ein Grundschul-Zirkusprojekt in Euskirchen und den Bau eines Kleinspielfeldes in Arloff sowie für Schwimmkurse in Kooperation mit der DLRG in Bad Münstereifel. Insgesamt wurden 43,3 Millionen Euro bis Ende 2023 ausgegeben, so die Malteser. (ets)