Die Bewohner des Evangelischen Altenheims in Gemünd kennen den Teledoc seit Corona. Die Digitalisierung in der Pflege wird dort fortgesetzt.
DigitalisierungEifeler zeigen, wie Telemedizin im Seniorenheim funktioniert

Mit Kollege Computer in der Mitte freuen sich über die Auszeichnung: Kerstin Pomarius (v.l.), Laura Gerhards, Helmut Schneider, Markus Ramers, Malte Duisberg, Heike Weiler-David, Arno Brauckmann und Prof. Dr. Dr. Michael Czaplik.
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Dass der Vormarsch von digitalen Angeboten in vielen Lebensbereichen Fluch und Segen gleichermaßen sein kann, ist keine neue Erkenntnis. Wo Kollege Computer in der Lage sein dürfte, in der Zukunft manch ein Problem zu lösen, ist die Medizinsparte. Denn gerade auf dem Land macht sich zunehmend der Ärztemangel bemerkbar. Besonders in Altenheimen und Pflegeeinrichtungen stellt die Betreuung durch Haus- und Fachärzte immer wieder ein Problem dar. Denn die Wartezimmer sind in der Regel voll, so dass es für die Mediziner oft schwierig ist, zusätzlich Hausbesuche in den verschiedenen Häusern in die Planung einzubeziehen.
Eine Lösung bietet das Projekt „Teledoc“, das im Wettbewerb „Digitale Orte“ im Bereich Gesundheit den ersten Platz belegt hat. Nun überreichte AOK-Regionaldirektor Helmut Schneider dem Geschäftsführer des Evangelischen Altenheims (EvA) in Gemünd, Malte Duisberg, als Anerkennung eine Plakette, die in Zukunft das Eingangstor des Hauses schmücken wird.
Das EvA hat sich für die Erprobung und Entwicklung des Systems bereitgestellt und kann mittlerweile auf mehrere Jahre Erfahrung im Bereich der Telemedizin zurückblicken. Mittlerweile ist das Projekt in der Praxisreife angekommen: Elf Einrichtungen arbeiten inzwischen über ein Förderprogramm mit der Technik.
Das Teledoc-System kann Fahrten ins Krankenhaus ersparen
„Telemedizin wird ein Zukunftsthema sein“, so Duisberg. Das Ziel ist, die hausärztliche Betreuung der Bewohner durch die Telemedizin zu intensivieren und gleichzeitig zu vereinfachen. Dabei gehe es auch darum, Krankenhausaufenthalte zu vermeiden. Wenn sich zum Beispiel der Zustand eines Patienten verschlechtert, der Arzt aber keinen Hausbesuch machen kann, kann er über das Teledoc-System dennoch konsultiert werden, und manch eine Fahrt ins Krankenhaus ist dann nicht mehr erforderlich.
Sie haben das in der Corona-Zeit mit den Videogesprächen über Skype kennengelernt und finden das spannend.
„Es geht dabei nicht um den Preis, das Projekt ist kein Selbstzweck“, betonte Landrat Markus Ramers. Die neue Technologie müsse den Menschen dienen und biete ihnen einen Mehrwert. Daher sei es logisch, dass das System weiterentwickelt worden sei: „So hat sich gezeigt, dass ältere Menschen gerne jemand sehen wollen, weshalb ein Videobild integriert wurde.“
Auch die Notfallpraxen werden künftig mit eingebunden
Auch ist das Ende der Fahnenstange nicht erreicht: So sollten im nächsten Schritt Fachärzte in das System eingebunden werden. Auch die Notfallversorgung über die Notdienstpraxen der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) stehe auf der To-do-Liste. „Es gibt einige Dinge, an denen wir arbeiten“, so der Landrat.
„Das ist ein Zwischenstopp in dem Programm“, sagte auch AOK-Regionaldirektor Helmut Schneider. Gerade der Bereich der Notfallversorgung treibt ihn um, wenn sich außerhalb der Praxisöffnungszeiten der Zustand eines Bewohners in einer Einrichtung verschlechtere. Da hat Schneider positive Signale erhalten. „Die KV ist bereit, mit der Notfallversorgung in das Projekt zu kommen“, kündigte er an.
Doch das ist nicht alles: Ein weiteres Problem sei die Möglichkeit für die Pflegeheime, die Dienstleistungen in der Telemedizin auch abzurechnen. Dabei sei die AOK mit einem Pilotvertrag ein Vorreiter. Nun gehe es darum, auch andere Krankenkassen mit ins Boot zu holen. Von zweien gebe es Zusagen, so Schneider. „Aber andere sind schwierig“, beschrieb er den Stand der Gespräche.
Die Ärzte müssen die Telemedizin in ihrem Alltag einplanen
„Mittlerweile gibt es drei Systeme: Videosprechstunden bei Ärzten, Hausbesuchstaschen, mit denen auch Untersuchungen vorgenommen werden können, und stationäre Systeme in den Heimen“, beschrieb Prof. Dr. Dr. Michael Czaplik den Stand der Technik. Als Geschäftsführer von „Docs in Clouds“ stellt er die Technik bereit. Entwickelt habe sich das während Corona, sagte er.
Den Benefit für die Ärzte gibt es nur, wenn das intensiv betrieben wird.
Doch während einige Ärzte wieder zum alten System zurückgegangen seien, würden andere die Telemedizin sehr intensiv nutzen. „Von rund 400 Ärzten, die wir betreuen, verursachen rund drei Prozent, also etwa zwölf Praxen, rund 80 Prozent der Visiten“, sagte er. Wie er berichtet, bietet das System Vorteile, da Ärzte etwa ihre Praxis nachmittagsweise nach Hause verlegen können.
Doch es sind auch organisatorische Herausforderungen zu beachten, so Czaplik: „Den Benefit für die Ärzte gibt es nur, wenn das intensiv betrieben wird.“ Die Praxen seien in der Regel gut durchorganisiert, die Telemedizin müsse genauso strukturiert und betreut werden. Czaplik nennt ein Beispiel, wie es nicht sein sollte: „Da ist dann ein Patient digital in der Warteschleife, während ein Patient in Zimmer 4 auf die Untersuchung wartet und ein anderer derweil betreut wird.“
Die Senioren in Gemünd finden den Teledoc seit Corona spannend
Für die Bewohner der Pflegeeinrichtungen ist der Einsatz des Teledoc gar nicht mehr so besonders. „Sie haben das in der Corona-Zeit mit den Videogesprächen über Skype kennengelernt und finden das spannend“, berichtet Duisberg von den Erfahrungen im EvA. Pflegeleiter Arno Brauckmann ergänzt, dass es für Patienten mit Demenz ein Vorteil sein könne, digital betreut zu werden, da für sie ein Arztbesuch auch immer fremd sei.
Für die Pflegenden sei die eigentliche Telemedizin kaum eine Entlastung. Die entstehe dadurch, wenn vergebliche Versuche, die Arztpraxis telefonisch zu erreichen, wegfielen oder wenn ein Patient nach der Rückkehr aus dem Krankenhaus nicht wieder eingewöhnt werden müsse. „Je mehr Routine man hat, desto einfacher geht es“, sagt Pflegerin Laura Gerhards. Sie selbst sei zuerst skeptisch gewesen, doch gerade in der Corona-Zeit sei es super gewesen, das Gerät vor Ort zuhaben.
Künftig will die Einrichtung in Gemünd auch KI einsetzen
Im EvA bereitet man sich auf die nächsten Schritte vor, etwa Künstliche Intelligenz einzusetzen, um die Dokumentation zu vereinfachen. Duisberg: „Dann können Pfleger ihre Berichte ins Handy sprechen, die werden automatisch in den Computer übertragen.“ Ausländische Pflegekräfte können ihre Berichte in der Muttersprache diktieren, die automatisch übersetzt werden. „Die Technik kann alle Sprachen – außer Eifeler Platt“, so Duisberg.